Schutzschilde aus Marsgestein?
Redaktion
/ Pressemitteilung des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung GmbH astronews.com
19. September 2012
Während längerer Missionen zum Mond oder gar zum Mars müssen
Astronauten vor gefährlicher kosmischer Strahlung geschützt werden -
idealerweise mithilfe von Materialien, die sich bereits auf Mond oder Mars
befinden. In Darmstadt untersucht man daher gegenwärtig, ob sich Mond- oder
Marsgestein eignen würde, um daraus Schutzschilde für Bodenstationen zu bauen.

Mit dem
GSI-Linearbeschleuniger wird die kosmische
Strahlung erzeugt.
Foto: A. Zschau / GSI |
Seit rund sechs Wochen ist der NASA-Rover Curiosity
unterwegs auf dem Mars. Im übernächsten Jahrzehnt könnten vielleicht sogar
Menschen zum Mars geschickt werden, um vor Ort Untersuchungen vorzunehmen. Für
einen dazu nötigen Langzeitflug und den Aufenthalt auf dem Mars - oder auch
schon auf dem Mond - müssen sich Astronauten vor kosmischer Strahlung schützen,
da diese als hochgradig krebserregend gilt.
Wie könnte man die Astronauten also schützen und aus welchem Material müssten
die entsprechenden Einrichtungen bestehen? Im Auftrag der europäischen
Raumfahrtagentur ESA untersucht die GSI Helmholtzzentrum für
Schwerionenforschung GmbH gegenwärtig, ob sich Mond- und Marsgestein eignen
würde, um daraus Schutzschilder für Bodenstationen zu bauen.
Auf der Erde schwächen Atmosphäre und Magnetfeld die kosmische Strahlung ab.
Doch auf Mond und Mars prasselt sie fast ungehindert ein. Die Strahlung kann
durch Schädigung von Zellen und DNA bei den Astronauten zu Krebs führen.
Natürlich kennt man auf der Erde Materialien, die diese gefährliche Strahlung
abschirmen könnten. Sie sind aber eventuell nur zweite Wahl, wenn es um bemannte
Raumfahrtmissionen geht: "In der Raumfahrt zählt jedes Gramm. Baumaterial mit
einem Raumschiff durchs All zu transportieren würde die Kosten explodieren
lassen. Deshalb würden Bodenstationen, insbesondere die Schutzschilder, vor
allem aus Mond- und Marsgestein gebaut", erläutert Chiara La Tessa,
Experiment-Leiterin in der GSI-Biophysik.
"Von Rovern, die Proben analysiert haben, ist bekannt, wie der Sand und die
Steine dort zusammengesetzt sind. Mit dieser Information kann man Mondgestein
und Marssand auf der Erde herstellen und wir testen sie auf ihre Eigenschaften,"
so La Tessa. Die für den Test notwendige "kosmische Strahlung" wird dabei mit
dem GSI-Teilchenbeschleuniger erzeugt. Im All stammt diese Partikelstrahlung
etwa aus Supernova-Explosionen von Sternen.
Kaum eine Anlage kann die einzigartige Zusammensetzung der Ionen im All so
genau simulieren wie GSI. Nachdem das GSI-Team am amerikanischen
Beschleunigerlabor in Brookhaven getestet hatte, wie viel Strahlung die
Gesteinsplatten abhalten können, haben die Biophysiker nun bei GSI erforscht,
wie viele Neutronen in den verschiedenen Materialien entstehen, wenn sie
bestrahlt werden.
Trifft kosmische Strahlung auf das Gestein, zerschmettert sie manche
Atomkerne in ihre Einzelteile, weil sie mit voller Wucht aufprallt. Dabei
entstehen freie Neutronen. Sie wirken anders auf den menschlichen Körper als die
kosmische Strahlung und können abhängig von ihrer Geschwindigkeit sogar
schädlicher sein. Wie stark der Neutroneneffekt bei Mond- und Marsgestein ist
und wie weit er sich durch das Material fortsetzt, wird bei GSI erforscht.
"Ich kann noch nicht einschätzen, wie das Material auf Bestrahlung reagiert",
sagt La Tessa. "Werden viele Neutronen entstehen? Wie viele sind schnell und wie
viele langsam? Das werden uns die Versuchsdaten sagen, wenn wir sie ausgewertet
haben." Die von ESA finanzierten Tests wurden von Thales Alenia Space Italia
koordiniert. Das Unternehmen ist Hauptpartner dieses Projekts und hat unter
anderem das Experiment in Zusammenarbeit mit GSI geplant, die Materialien
ausgesucht und wird die Ergebnisse einordnen.
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