Leben auf exzentrischen Bahnen?
von Stefan Deiters astronews.com
13. September 2012
In den letzten Jahren haben Astronomen eine große Vielfalt
von fernen Planeten entdeckt, darunter Welten mit sehr eigentümlichen
Eigenschaften. Nur ein Planet, der unserer Erde ähnelt, war bislang nicht
darunter. Das muss aber nicht unbedingt eine schlechte Nachricht für Leben im
All sein, wie eine jetzt vorgestellte Untersuchung zeigt. Leben könnte es
nämlich auch auf exotischeren Welten geben.

Während sich die
Erde ständig in der habitablen Zone (grün) um die
Sonne befindet, könnte es in anderen
Planetensystemen Welten geben, die sich wegen
ihrer exzentrischen Umlaufbahn nur zeitweise
darin aufhalten.
Bild: NASA/JPL-Caltech |
"Wenn wir über lebensfreundliche Planeten sprechen, meinen wir Welten, auf
denen flüssiges Wasser existieren kann", erläutert Stephen Kane, der als
Wissenschaftler am NASA Exoplanet Science Institute des California
Institute of Technology arbeitet. "Ein Planet muss dazu die richtige
Entfernung von seinem Stern haben, also nicht zu heiß oder zu kalt sein." Der
Bereich, in dem diese idealen Temperaturen herrschen, hängt vom jeweiligen
Zentralstern ab und wird "habitable Zone" genannt.
Zusammen mit seinem Kollegen Dawn Gelino hat Kane nun eine "Galerie der
habiltablen Zonen" erstellt. Darin wird für jedes bislang entdeckte
Planetensystem die Lage und die Ausdehnung der habitablen Zone berechnet, so
dass erkennbar ist, welche Planeten sich in diesem Bereich mit idealen,
lebensfreundlichen Bedingungen befinden. Die Untersuchung der Wissenschaftler
wird in einem Fachartikel in der Zeitschrift Astrobiology erschienen.
Auf die "Galerie" kann man auch über eine speziell eingerichtete Webseite
zugreifen.
Nicht alle Planeten allerdings umrunden ihren Zentralstern auf einer
annähernd kreisförmigen Bahn und haben - wie unsere Erde - während eines Umlaufs
ungefähr immer den gleichen Abstand zu ihrer Sonne. Zahlreiche ferne Welten
weisen sehr exzentrische Orbits auf, auf denen der Abstand zum Zentralstern
während einer Umrundung deutlich schwankt. "Solche Planeten können sich einige
Zeit in der habitablen Zone befinden, allerdings nicht ständig", erläutert Kane.
"Es könnte also Welten geben, die sich nach langen kalten Wintern immer wieder
für kurze Zeit erwärmen oder die für kurze Zeit extrem heiße Phasen
durchlaufen."
Die Umweltbedingungen auf solchen Planeten dürften sich somit sehr von denen
auf der Erde unterscheiden. Doch müsste dies, so die Forscher, nicht bedeuten,
dass es auf ihnen keine Form von Leben geben kann: "Wissenschaftler haben auf
der Erde mikroskopische Lebensformen entdeckt, die die verschiedensten extremen
Bedingungen überleben können", erläutert Kane. "Einige Organismen können ihren
Stoffwechsel praktisch auf Null herunterfahren und so extreme Kältephasen
überstehen. Wir kennen auch andere, die extrem heiße Bedingungen aushalten
können. Und Studien mit Sporen, Bakterien und Flechten haben gezeigt, dass sie
sowohl extreme Bedingungen auf der Erde als auch im All überleben können."
Kane und Gelino kommen in ihrer Untersuchung zu dem Schluss, dass die
habitable Zone um einen Stern daher größer sein könnte, als bislang angenommen.
Manche dieser Planeten wären dann zwar absolut ungeeignet für menschliches
Leben, könnten aber für die sogenannten Extremophilen, also für Organismen, die
sich extremen Umweltbedingungen angepasst haben, ideal sein. "Das Leben hat sich
auf der Erde schließlich auch in einer frühen Phase des Planeten entwickelt, als
die Bedingungen deutlich ungemütlicher waren als heute", gibt Kane zu bedenken.
Bei solchen "lebensfreundlichen" Welten muss es sich nicht unbedingt um
Planeten handeln: Auch auf Monden um große Gasplaneten könnten Bedingungen
herrschen, die die Entwicklung irgendeiner Form von Leben erlauben. "Es gibt da
draußen eine große Menge an Gasplaneten und alle könnten Monde haben, wenn sie
den Gasplaneten in unserem Sonnensystem ähneln", so Kane. "Der Mond eines
Planeten, der sich zumindest zeitweise in der habitablen Zone aufhält, könnte
auch selbst lebensfreundlich sein."
Als Beispiel führt Kane Titan an, den größten Mond des Ringplaneten Saturn.
Dieser ist zwar viel zu weit von der Sonne entfernt, um uns bekanntes Leben auf
seiner Oberfläche zu ermöglichen, doch "wenn man Titan näher an die Sonne
bringen würde, gäbe es auf ihm jede Menge Wasserdampf und ideale
Lebensbedingungen", ist Kane überzeugt.
Ob ein Planet nun - auch nach dieser großzügigeren Definition -
lebensfreundlich ist oder nicht, lässt sich allerdings nur sehr schwer
feststellen: Dazu müsste man nämlich auch etwa über die Atmosphäre der fernen
Welt wissen. Warum dies so wichtig ist, macht schon unser Nachbar im
Sonnensystem deutlich: Die Venus ist der Erde in mancherlei Hinsicht sehr
ähnlich, wegen eines außer Kontrolle geratenen Treibhauseffektes aber eine
glühend heiße und lebensunfreundliche Welt.
Ihre Studie, so Kane und Gelino, würde aber trotzdem deutlich machen, dass
man die Bezeichnung "lebensfreundlich" in unserer Galaxie nicht nur auf Planeten
beschränken sollte, die wie die Erde aussehen. Die Wissenschaftler sind gerade
dabei, in ihrem Katalog nach Systemen mit Planeten zu suchen, auf denen sich extremophile Organismen wohlfühlen könnten. "Es gibt so vielen Gasriesen auf
exzentrischen Orbits", so Kane. "Wir könnten da draußen also einige
Überraschungen erleben, wenn wir einmal genau darüber nachdenken, was wir als
lebensfreundlich ansehen wollen."
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