Neues über die Eigenschaften von Neutrinos
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
4. September 2012
Im Rahmen des Großprojekts EXO-200 versucht ein
internationales Team von Wissenschaftlern einen extrem seltenen Teilchenzerfall
zu beobachten, um auf diese Weise herauszufinden, ob Neutrinos sich anders
verhalten als die übrigen Elementarteilchen. Nun stellten die Forscher erste
Ergebnisse vor, die ein neues Licht auf die Eigenschaften der Neutrinos werfen
könnten.

Der Kryostat -
das Kühlgerät - enthält den Detektor in seinem
Inneren und hält diesen trotz Wüstentemperatur
auf einer Betriebstemperatur von -105 Grad
Celsius. Der Kryostat wurde an der Universität
Bern zusammen mit der Fachhochschule Yverdon
gebaut.
Foto: EXO Collaboration |
Könnten sich Neutrinos, jene kaum fassbaren Elementarteilchen, die aber
trotzdem bei zahlreichen Prozessen im All eine zentrale Rolle spielen, anders
verhalten als die übrigen Teilchen im Quantenbereich? Diese Frage beschäftigt
Teilchenphysiker schon seit Jahren. Der Nachweis, dass dies so ist, hätte Folgen
für das Standardmodell der Teilchenphysiker, weswegen man sich intensiv mit
dieser Frage beschäftigt.
Nun haben Wissenschaftler der EXO-200-Kollaboration erste Ergebnisse
vorgestellt - und diese sprechen eher dafür, dass Neutrinos ganz "normale"
Teilchen sind: Dank hochpräziser Messungen in einem bisher unerforschten
Parameterbereich konnte die internationale Forschergruppe, darunter auch
Schweizer Wissenschaftler des Albert Einstein Centers (AEC) und des
Laboratoriums für Hochenergiephysik (LHEP) der Universität Bern, nachweisen,
dass sich Neutrinos gleich verhalten wie andere Elementarteilchen. Zugleich
zeigten die Daten, dass Neutrinos über eine winzige Masse verfügen müssen. Die
Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Physical Review Letters
veröffentlicht.
Das Enriched Xenon Observatory 200 (EXO-200) ist ein internationales
Experiment, an dem über 80 Wissenschaftler beteiligt sind. Ziel ist es, mit der
bisher höchsten Genauigkeit den sogenannten "neutrinolosen doppelten
Beta-Zerfall" zu beobachten. Nach der Theorie sollten sich bei diesem
radioaktiven Prozess je ein Neutrino und ein Antineutrino gegenseitig
auslöschen. Gelänge eine Beobachtung dieses Zerfallsprozesses, wäre das ein
Beweis dafür, dass Neutrinos eine andere Quantenstruktur als andere
Elementarteilchen haben und ihre eigenen Antiteilchen sind (astronews.com
berichtete).
Der Detektor von EXO-200 kann auch noch äußerst seltene Zerfallsereignisse
nachweisen, die nur ungefähr einmal in 1,6 mal 1025 Jahren auftreten
- also in einer Zeitspanne, die 1.000 Billionen mal dem Alter unseres Universums
entspricht. Den gesuchten speziellen Zerfall, den neutrinolosen doppelten
Beta-Zerfall, hat der hochempfindliche Detektor aber trotzdem nicht nachweisen
können.
Dieses "Nullergebnis" beinhaltet für die Wissenschaftler jedoch eine klare
Aussage: "Damit wird der Parameter-Raum für dieses Ereignis stark
eingeschränkt", sagt Jean-Luc Vuilleumier vom LHEP der Universität Bern.
Insbesondere bedeutet dies, dass die Masse von Neutrinos sehr gering sein muss,
nämlich weniger als zwischen einem 140-Tausendstel bis 380-Tausendstel eines
Elektronenvolts - der Masseneinheit, die in der Teilchenphysik verwendet wird.
Im Vergleich dazu wirkt das winzige Elektron geradezu schwer: es hat eine Masse
von etwa 500.000 Elektronenvolt.
Die Berner Wissenschaftler sind maßgeblich für die hohe Präzision und
Qualität der Berechnungen aus dem Detektor verantwortlich, der sich in einem
Tiefenlabor in einer Wüste im US-Bundesstaat New Mexico befindet: "Wir haben das
Kühlgerät, in dem der Detektor eingelassen ist, zusammen mit der Fachhochschule
Yverdon gebaut, die radiochemisch reinen Materialien für den Bau des gesamten
Detektors ausgewählt, diesen im Tiefenlabor in der Wüste mitgebaut und nehmen an
der gesamten Datenanalyse des Experiments teil", so Vuilleumier.
Letzteres bedeutet auch die Überwachung des Betriebs und der Datenaufnahme
des Detektors - dank einem Kontrollraum in Bern. "Von hier aus können wir auch
die meisten Nachtschichten in New Mexico durchführen", erzählt Vuillemier. Das
EXO-200-Experiment soll in den nächsten Jahren weiterlaufen und könnte, darauf
hoffen zumindest die Berner Physiker, zukünftig zu einem deutlich größeren Detektor
ausgebaut werden, um hinter noch mehr Geheimnisse der Welt der Elementarteilchen
zu kommen.
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