Das Innerste einer fernen Galaxie
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
18. Mai 2012
Durch das Zusammenschalten mehrerer Teleskope des Very Large
Telescope der ESO ist es Astronomen gelungen, detaillierte
Beobachtungen des aktiven Galaxienkerns einer 150 Millionen Lichtjahre
entfernten Galaxie zu machen. So konnten sie beispielsweise den
Staubtorus auflösen, der die Akkretionsscheibe des zentralen Schwarzen
Lochs umgibt und die Schwerkraftfalle mit neuem Material versorgt.
Künstlerische Darstellung eines Staubtorus in
der Umgebung der Akkretionsscheibe und des
Schwarzen Lochs in einem Aktiven Galaxienkern.
Bild: NASA E/PO - Sonoma State
University, Aurore Simonnet |
In den innersten Regionen von Galaxienkernen ereignen sich extreme
physikalische Prozesse. In vielen Zentren von Galaxien hat man bereits
supermassereiche Schwarze Löcher entdeckt, deren Massen oft
millionenfach größer sind als die Masse unserer Sonne. Diese zentralen
Schwarzen Löcher sind von einer heißen, hellen Gasscheibe, der
sogenannten Akkretionsscheibe, umgeben. Von hier aus strömt das Material
in das Schwarze Loch, heizt sich jedoch zuvor auf extreme Temperaturen
auf, was die beobachtete Helligkeit dieser Region erklärt.
Zur Aufrechterhaltung der hohen Leuchtkraft muss allerdings ständig
frisches Material nachgeliefert werden. Die Astronomen vermuten, dass ein
Staubtorus in der Umgebung der Scheibe als Reservoir für die Materie dient, die
dann zunächst in die Akkretionsscheibe strömt und schließlich in der
Schwerkraftfalle verschwindet und somit das Schwarze Loch "füttert".
Da der Staubtorus sehr kompakt ist, stellt seine Untersuchung eine große
Herausforderung dar. Theoretisch würde man dazu das Auflösungsvermögen eines
Riesenteleskop mit einem Spiegeldurchmesser von mehr als 100 Metern benötigen,
doch wird es Teleskope dieser Größe in naher Zukunft mit Sicherheit nicht geben.
Die Astronomen haben daher nach einer Alternative gesucht und sie in Form der
sogenannten Interferometrie auch gefunden.
Bei der Interferometrie überlagert man das Licht von mehreren Teleskopen und
wertet dann die dadurch entstehenden Interferogramme genannten
Mehrteleskop-Bilder aus. Im Falle der jetzt vorgestellten Beobachtungen der
Galaxie NGC 3783 wurde das Interferometrie-Instrument AMBER verwendet, um das
infrarote Licht von zwei oder drei Teleskopen des Very-Large-Telescope
zu überlagern. Zusammengeschaltet bilden diese das Very-Large-Telescope-Interferometers
(VLTI).
Diese Methode kann eine extrem hohe Auflösung liefern, die proportional zum
Abstand der Teleskope ist. Da der größte Abstand zwischen den vier Teleskopen
des Very Large Telescope 130 Meter beträgt, kann eine Winkelauflösung
erreicht werden, die so hoch ist wie die theoretische Auflösung eines Teleskops
mit einem Spiegeldurchmesser von 130 Metern. Das ist 15-mal besser als die
Auflösung eines einzelnen Teleskops des Very Large Telescope mit acht
Metern Spiegeldurchmesser.
"Das ESO VLTI eröffnet für uns eine einmalige Gelegenheit, unser Wissen über
Galaxienkerne zu verbessern" sagt Gerd Weigelt vom Max-Planck-Institut für
Radioastronomie in Bonn, der das Beobachtungsteam leitete. "Wir können damit
faszinierende physikalische Prozesse mit bisher nicht erreichter Auflösung und
über einen weiten infraroten Spektralbereich untersuchen. Genau das ist nötig,
um die physikalischen Eigenschaften dieser Objekte zu erforschen."
"Wir hoffen, in den nächsten Jahren noch viel mehr Informationen zu bekommen,
indem wir bei noch kürzeren Wellenlängen, mit größerem Teleskopabstand und mit
höherer spektraler Auflösung messen", ergänzt Makoto Kishimoto. "Ganz besonders
wichtig ist, dass es in einigen Jahren zwei weitere Interferometrie-Instrumente
für das VLTI geben wird, die komplementäre Informationen liefern werden."
Zur Auflösung des Kerns der Galaxie NGC 3783 musste das Forscherteam Tausende
von Zwei- und Drei-Teleskop-Interferogrammen mit dem VLTI aufnehmen. Dabei lagen
die Abstände zwischen den Teleskopen im Bereich von 45 und 114 Metern. Die
Auswertung dieser Interferogramme ermöglichte es, den Radius des kompakten
Staubtorus in NGC 3783 zu bestimmen. Es wurde ein Winkelradius von 0,74
Milli-Bogensekunden gemessen, der einem Radius von nur einem halben Lichtjahr in
der Entfernung zu NGC 3783 entspricht. Die Galaxie ist rund 150 Millionen
Lichtjahre von uns entfernt.
Diese Messungen im nahen Infrarot zusammen mit früheren Messungen bei
längeren Wellenlängen im mittleren Infrarot ermöglichten es dem Team zudem,
wichtige physikalische Eigenschaften des NGC 3783-Torus abzuleiten. "Die hohe
VLTI-Auflösung ist auch bei Untersuchungen von vielen anderen Schlüsselobjekten
der Astrophysik wichtig", betont Karl-Heinz Hofmann. "Es ist klar, dass die
Infrarot-Interferometrie die Infrarot-Astronomie in der gleichen Weise
revolutionieren wird, wie in der Vergangenheit die Radiointerferometrie die
Radioastronomie revolutioniert hat."
Die Forscher veröffentlichten ihre Resultate jetzt in der Fachzeitschrift
Astronomy & Astrophysics. Das Team bestand aus Wissenschaftlern der
Universitäten Florenz, Grenoble, Nizza, Santa Barbara und des MPI für
Radioastronomie.
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