Flechten könnten auf dem Mars überleben
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
26. April 2012
Bestimmte Flechtenarten sind offenbar so robust, dass sie auch auf dem
Mars überleben könnten - zumindest für 34 Tage. Dies ist das jetzt
vorgestellte Ergebnis eines Experiments von Planetenforschern des DLR.
Für die Wissenschaftler ist der Befund ein Indiz dafür, dass früher auf dem Mars entstandenes Leben in bestimmten
Nischen bis heute überlebt haben könnte.

Zu den Mikroorganismen, die 34 Tage lang in der Marssimulationskammer des
DLR lebten, gehörten auch polare
Flechten.
Foto: DLR |
Alpine und polare Flechten könnten offenbar auch auf dem Mars leben. 34 Tage
simulierten Planetenforscher des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR) die Bedingungen auf dem Mars und setzten verschiedene
Mikroorganismen dieser Umgebung aus. "Die Flechten und Bakterien zeigten
in diesem Zeitraum auch unter Marsbedingungen messbare Aktivitäten und
betrieben Photosynthese", fasst Dr. Jean-Pierre de Vera,
Wissenschaftler am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin und
Projektleiter für die Marssimulation, das Ergebnis der Untersuchung
zusammen.
Vor allem in Felsnischen, Fissuren und Ritzen des simulierten Marsbodens
passten sich die Mikroorganismen an die Umgebung an. Dies könnte ein
Hinweis darauf sein, dass durch solche Anpassungsstrategien Leben auch
in den Nischen auf dem Mars möglich ist. Es sind Flechten aus den
unwirtlichen Regionen der Erde, die ihre Überlebensfähigkeit auch unter
Marsbedingungen bewiesen haben: Organismen aus bis zu 3.500 Metern Höhe,
die in der Schweiz eingesammelt wurden.
"In unserer Marssimulationskammer haben wir diese Proben dann mehr als
einen Monat lang in einem Mars-Klima beobachtet", erklärt de Vera. Aus
verschiedenen mineralischen Bestandteilen stellten die Forscher einen
Marsboden her - die Kenntnisse dafür sammelten unter anderem die
Marsrover Opportunity und Spirit. In der Kammer selbst
wurde die Marsatmosphäre geschaffen, die zu 95 Prozent aus Kohlendioxid
sowie aus vier Prozent Stickstoff und Spurengasen wie Argon oder
Sauerstoff besteht. Zudem sorgte ein Vakuumpumpsystem dafür, dass auf
dem künstlichen Mars ein Luftdruck von lediglich sechs Millibar
herrschte. So simulierten die Planetenforscher die geringe Atmosphäre
auf dem roten Planeten. Spezielle Strahlenquellen vom UV- bis
Infrarotbereich ahmten die solare Oberflächenstrahlung auf dem Mars
nach. Zudem mussten die Organismen Temperaturschwankungen von minus 50
Grad Celsius bis plus 23 Grad Celsius überstehen.
Das Ergebnis: "Die irdischen Mikroorganismen betreiben selbst unter
diesen schwierigen Bedingungen Photosynthese", erläutert Astrobiologe de
Vera. Das dafür notwendige Wasser entsteht jeweils am Morgen und am
Abend eines Marstages, dann schlägt sich dicht über der Bodenoberfläche
Feuchtigkeit nieder, die die Organismen aufnehmen.
Vor allem in den Bodennischen - in kleinen Rissen und Ritzen - erwiesen
sich die Flechten als Überlebenskünstler: Sie passten sich an die
künstliche Marsumgebung an und zeigten eine Aktivität, wie sie auch in
ihrer natürlichen Umgebung, beispielsweise der Antarktis, erreicht wird.
"Falls vor vier Milliarden Jahren auf dem Mars Leben entstand, könnte es
also bis heute in Nischen im Marsboden überlebt haben," so der
Wissenschaftler.
Experimente, die Mikroorganismen den Bedingungen im Weltall aussetzen,
finden bereits unter anderem auf der Außenseite der Internationalen
Raumstation ISS statt. Mit den Versuchen in der Marssimulationskammer
wollen die Wissenschaftler hingegen die spezifischen Bedingungen auf
einem Planeten untersuchen. "Zudem haben wir jetzt die Möglichkeit,
kontinuierlich zu beobachten, wann wie viel Aktivität bei den Flechten
und Bakterien stattfindet."
Der 34-tägige Versuch wurde als internationales Projekt im Rahmen der
Helmholtz-Allianz "Planetenentwicklung und Leben" durchgeführt. "Eine
unsere Fragen ist dabei: Wie lebensfreundlich ist ein Planet - und was
macht ihn lebensfreundlich oder -feindlich?", erläutert Prof. Tilman
Spohn, Leiter des DLR-Instituts für Planetenforschung und
wissenschaftlicher Koordinator der Helmholtz-Allianz. "Dieser
Langzeitversuch in der Marssimulationskammer und sein Ergebnis sind ein
wichtiger Schritt", sagt Spohn. "Denn damit wird das Leben auf dem Mars
plausibler."
Und dass es primitive Lebensformen wie Mikroorganismen sind, mit denen
man diese Hypothese angeht, ist für den Planetenforscher nur
selbstverständlich: "An der gesamten Biomasse haben Menschen oder Fauna
nur einen ganz geringen Anteil - die Mikroorganismen hingegen machen
mehr als 80 Prozent aus." Für zukünftige Missionen zum Mars ist das
Ergebnis des Teams um de Vera ein wichtiger Fingerzeig: "Man muss
extrem vorsichtig sein und keine irdische Lebensformen auf den Mars
bringen", warnt de Vera. "Sonst könnte man damit den Planeten
kontaminieren."
Eine Frage allerdings, konnte das Team nicht klären: "Wir wissen: 34
Tagen könnten Flechten und Bakterien auf dem Mars überleben und aktiv
sein. Aber können die Organismen auch über diesen Zeitraum hinaus bis zu
Jahre oder gar Jahrhunderte unter Marsbedingungen leben? Diese Frage
muss leider offen bleiben, da solche Zeiträume den experimentellen
Rahmen übersteigen würden."
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