Trichterketten als Refugium für Leben?
von Stefan Deiters astronews.com
10. April 2012
Jetzt veröffentlichte Bilder der europäischen Marssonde
Mars Express zeigen eine Reihe von Trichterketten, die sich am Hang eines
der größten Vulkane des Sonnensystems befinden. Die geologischen Formationen
könnten ein lohnendes Ziel für Missionen sein, die nach Lebensspuren auf dem
Mars suchen.
Perspektivische Ansicht der Trichterketten in
der Tharsis-Region des Mars.
Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum)
[Großansicht] |
Die jetzt von der ESA veröffentlichten Bilder wurde am 22. Juni 2011 gemacht und
zeigen ein Tractus Catena genanntes Gebiet in der Tharsis-Region des Mars. In
diesem weiten Bereich des roten Planeten befinden sich unzählige große Vulkane,
darunter auch die drei namensgebenden Tharsis-Vulkane. Nördlich von diesen liegt
mit Alba Mons einer vom Volumen und von der Fläche her größten Vulkane des
Sonnensystems. Die fotografierte Region Tractus Catena befindet sich an seinem
südöstlichen Hang.
Besonders ins Auge stechen hier eine Reihe von Trichterketten (im Englischen
pit-chains). Sie könnten vulkanischen Ursprungs sein: Wenn der Lavastrom
von einem Vulkan an der Oberfläche erhärtet, bildet sich darunter eine Röhre mit
fließender Lava. Ebbt der Lavafluss ab, leeren sich die Röhren. Mit der Zeit
kann dann an einigen Stellen die Decke einbrechen und so eine Trichterkette
entstehen. Auf der Erde findet man Beispiele dafür etwa auf Hawaii.
Alternativ könnten sich solche Trichterketten aber auch durch Spannungen in der
Marskruste bilden, durch die es zu sogenannten Dehnungsbrüchen kommt, entlang
derer dann rundliche Senken entstehen. Die gradlinigen Bruchstrukturen in dieser
Marsregion könnten darauf hindeuten, dass dies im Fall von Tractus Catena so
passiert ist.
Weitaus spannender - und bislang auch nicht auszuschließen - wäre es aber, wenn
die Trichterketten durch Grundwasser entstanden sind. So finden sich in den
Karstgebieten der Erde ganz ähnliche Strukturen. Sie bilden sich, wenn durch
Grundwasser große Kavernen im Untergrund entstehen und deren Decken dann unter
der hohen Last einstürzen.
Interessant ist dieses Entstehungsszenario insbesondere für Wissenschaftler, die
nach Lebensspuren auf dem Mars suchen. Sollte es in dem Bereich der
Trichterketten nämlich tatsächlich höhlenähnliche Strukturen geben, könnten hier
Mikroorganismen überlebt haben, für die die Strahlung an der Marsoberfläche
tödlich wäre. Landesonden haben eine sehr hohe Strahlenbelastung auf dem Mars
gemessen, die die Strahlung auf der Erdoberfläche um das 250-fache übersteigt
und die mehr als doppelt so hoch ist, wie die Strahlung, der die Astronauten auf
der Internationalen Raumstation ISS ausgesetzt sind.
Höhlen in dieser Region könnten somit auch als Rückzugsraum für eine bemannte
Marsmission von Bedeutung sein. Die Trichterketten, ganz gleich wie sie
entstanden sind, zeigen, so die Wissenschaftler, wie ähnlich geologische
Prozesse auf der Erde und dem Mars zu sein scheinen. Eine weitere Erkundung
dürfte sich also auf jeden Fall lohnen.
Die perspektivische Ansicht der Region Tractus Catena wurde aus Daten erstellt,
die mit der High Resolution Stereo Camera (HRSC) an Bord von Mars
Express gemacht wurden. Das Kamerasystem wurde am Deutschen Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt.
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