Neutrinos nicht schneller als das Licht
von Stefan Deiters astronews.com
19. März 2012
Im Herbst vergangenen Jahres haben Wissenschaftler die
Flugzeit von Neutrinos vom CERN in Genf zu einem Untergrundlabor in Gran Sasso
bei Rom gemessen und festgestellt, dass die Elementarteilchen anscheinend
schneller waren als das Licht. Forscher des Experimentes ICARUS haben nun
nachgemessen und dabei keine zu hohe Geschwindigkeit der Neutrinos festgestellt.
Der
OPERA-Detektor in Gran Sasso.
Foto: OPERA-Kollaboration |
Viele waren skeptisch, als im Spätsommer 2011 Wissenschaftler eines OPERA genannten Experimentes
verkündeten, dass sich nach ihren Messungen Neutrinos offenbar ein wenig schneller bewegen
können als das Licht. Die Forscher hatten für ihre Untersuchung einen Neutrinostrahl vom europäischen
Kernforschungszentrum CERN in Genf zum 730 Kilometer entfernten Untergrundlabor
Gran Sasso in den Bergen bei Rom geschickt und mit Hilfe ihres dortigen
Detektors bestimmt, wie lange die
Neutrinos für ihren Weg benötigten.
Sie führten die Messung Ende des Jahres noch ein zweites Mal durch und kamen
erneut zu dem gleichen Schluss: Die Elementarteilchen
hatten ihr Ziel genau 60 Nanosekunden schneller erreicht, als es dem Licht
möglich gewesen wäre. Das Resultat sorgte für erhebliche Aufregung, bedeutete es
doch einen eklatanten Verstoß gegen die bisherige grundlegende Annahme der
Physiker, nach der sich nichts schneller bewegen kann als das Licht. Von
verschiedenen Seiten wurde daher sofort auf mögliche Messfehler hingewiesen und
auch das OPERA-Team selbst suchte nach möglichen Fehlerquellen in ihrem
Versuchsaufbau.
Im Februar glaubte man tatsächlich fündig geworden zu sein, ohne jedoch die
genauen Folgen des entdeckten Problems abschätzen zu können: Im Blickpunkt stand
die GPS-Synchronisation des Experimentes und eine unbemerkt gebliebene lockere
Glasfaserverbindung (astronews.com berichtete). Die exakten Auswirkungen beider
Fehlerquellen würden sich allerdings erst, so die Mitteilung damals, bei einer
erneuten Messung im Mai feststellen lassen.
Ende der vergangenen Woche wurden nun Ergebnisse eines zweiten Experimentes
veröffentlicht, das auch einen Neutrinostrahl des CERN verwendet und über einen
eigenen Detektor in Gran Sasso verfügt. Schon im November glaubte das Team
dieses ICARUS genannten Experimentes indirekt nachgewiesen zu haben, dass sich
die Neutrinos zwischen dem CERN und Gran Sasso nicht mit
Überlichtgeschwindigkeit bewegen. Jetzt stellten sie zudem direkte
Geschwindigkeitsmessungen der Neutrinos vor, die unabhängig von denen des
OPERA-Teams sind.
Das Ergebnis: Innerhalb eines relativ kleinen Fehlerbereichs bewegten sich
die Neutrinos mit Lichtgeschwindigkeit. "Es mehren sich die Hinweise darauf,
dass es sich bei den OPERA-Ergebnissen um einen Messfehler handelt", so Sergio
Bertolucci, Forschungsdirektor am CERN. "aber es ist sehr wichtig, hier ganz
genau hinzusehen. Die Experimente BOREXINO, ICARUS, LVD und OPERA in Gran Sasso
werden im Mai mit einem gepulsten Neutrinostrahl vom CERN neue Messungen machen
und dann können wir ein endgültiges Urteil fällen."
Gleichzeitig nimmt Bertolucci das OPERA-Team gegen Kritik in Schutz: "Wie
auch immer das endgültige Ergebnis aussieht, das OPERA-Experiment hat
wissenschaftlich korrekt reagiert, indem es seine Daten einer breiten
Öffentlichkeit zugänglich gemacht und zu unabhängigen Prüfungen aufgefordert
hat. Genau so funktioniert Wissenschaft."
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