Interstellare Materie ist anders
von Stefan Deiters astronews.com
27. Februar 2012
Die chemische Zusammensetzung von Material in unserem
Sonnensystem scheint sich deutlich von der des interstellaren Mediums zu
unterscheiden. Das ergaben jetzt Auswertungen von Daten des Interstellar
Boundary Explorer (IBEX) der NASA. Die Sonde hat neutrale Partikel des
interstellaren Windes gemessen und den Forschern so einen Blick auf das Material
außerhalb der Heliosphäre ermöglicht.
Der Interstellar Boundary Explorer (IBEX) der
NASA.
Bild: NASA |
"Wir haben direkt vier verschiedene Typen von Atomen aus dem
interstellaren Raum gemessen und deren Zusammensetzung passt nicht zu der, die
wir aus unserem Sonnensystem kennen", erläutert Eric Christian,
Missionswissenschaftler des Interstellar Boundary Explorer (IBEX) am
Goddard Space Flight Center der amerikanischen Weltraumbehörde NASA.
Unser Sonnensystem ist von einer gewaltigen magnetischen Blase umgeben, die
man als Heliosphäre bezeichnet. Sie entsteht durch den ständigen Partikelstroms
unseres Zentralgestirns, den Sonnenwind, und reicht weit über die Bahnen der
äußersten Planeten und Zwergplaneten hinaus. Die Grenzregion, wo der Sonnenwind
mit dem Material des interstellaren Mediums kollidiert, nennen die
Wissenschaftler Heliosheath.
Elektrisch geladene Partikel des interstellaren Windes prallen an dieser
Grenze ab und gelangen somit nie in das Innere des Sonnensystems. Anders sieht
es allerdings bei neutralen Teilchen aus: Sie können diese Grenze problemlos
passieren und erreichen dann auch das innere Sonnensystem. Hier wartet seit 2008
der Interstellar Boundary Explorer der NASA auf sie. Im Laufe eines
Jahres kartiert IBEX den gesamten Himmel und immer im Februar auch die
Himmelsregion, aus der die neutralen Atome aus dem interstellaren Medium kommen.
Bei der Analyse der Daten stellte sich heraus, dass sich die Zusammensetzung
des Materials außerhalb der Heliosphäre offenbar deutlich von der des Materials
im Sonnensystem unterscheidet: So fanden die Wissenschaftler in den Partikeln
des galaktischen Windes ein Verhältnis von 20 Neonatomen zu 74 Sauerstoffatomen.
In unserem Sonnensystem liegt dieses Verhältnis bei 20 zu 111. Damit gibt es in
unserem Sonnensystem deutlich mehr Sauerstoff als im interstellaren Raum.
"Unser Sonnensystem unterscheidet sich von der Umgebung außerhalb", so David
McComas, der verantwortliche Wissenschaftler für IBEX am Southwest Research
Institute. "Es gibt somit zwei Möglichkeiten: Entweder ist unser
Sonnensystem in einem anderen, sauerstoffreicheren Teil unserer Galaxie
entstanden oder ein beträchtlicher Teil des lebenswichtigen Sauerstoffs ist in
interstellaren Staubkörnern oder Eis gebunden und kann sich daher nicht frei
durch den Raum bewegen." Der Fund dürfte, nach Ansicht der Forscher, auch
Einfluss auf Modelle haben, die die Entstehung unseres Sonnensystems
nachzubilden versuchen.
Die IBEX-Beobachtungen verraten den Wissenschaftlern zudem etwas über die
Wechselwirkungen der Heliosphäre und der galaktischen Umgebung, durch die sich
unser Sonnensystem auf seinem Weg um das galaktische Zentrum gerade bewegt.
Gegenwärtig, so die Ansicht der Forscher, durchfliegen wir die sogenannte
"lokale interstellare Wolke", eine von unzähligen Partikelwolken in der
Milchstraße. Die Astronomen hoffen, dass Voyager 1 in einigen Jahren
den interstellaren Raum erreicht haben wird und von dort weitere spannende Daten
über die Region jenseits der Heliosphäre liefern kann.
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