Stellares Schwarzes Loch mit Rekordwind
von Stefan Deiters astronews.com
22. Februar 2012
Astronomen haben mithilfe des Röntgenteleskops Chandra
den heftigsten bislang bekannten Wind aufgespürt, der aus der Umgebung eines
stellaren Schwarzen Lochs ins All bläst. Die Forscher registrierten
Windgeschwindigkeiten von mehr als 30 Millionen Kilometern pro Stunde, was fast
drei Prozent der Lichtgeschwindigkeit entspricht.

So könnte das System IGR J17091-3624
aussehen.
Bild: NASA / CXC / M. Weiss |
Stellare Schwarze Löcher bleiben zurück, nachdem ein massereicher Stern am
Ende seines nuklearen Lebens als Supernova explodiert ist. Ihre Masse entspricht
typischerweise der fünf- bis zehnfachen Masse unserer Sonne. Sie sind damit
deutlich "kleiner" als die supermassereichen Schwarzen Löcher, die sich in den
Zentren der meisten Galaxien verbergen. Diese bringen es auf eine Masse von
mehreren Millionen bis Milliarden Sonnenmassen.
Bei ihren Untersuchungen des stellaren Schwarzen Lochs IGR J17091-3624, kurz
IGR J17091, haben Astronomen nun eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht: Von der
sogenannten Akkretionsscheibe rund um das Schwarze Loch geht ein Wind aus, der
fast zehnmal schneller ist, als zuvor von stellaren Schwarzen Löchern bekannte
Winde. Seine Geschwindigkeit beträgt über 30 Millionen Kilometer pro Stunde, was
fast drei Prozent der Lichtgeschwindigkeit entspricht. In einer
Akkretionsscheibe sammelt sich das Material bevor es im Schwarzen Loch
verschwindet. Die Messung dieser Rekordwindgeschwindigkeit könnte den Astronomen
also einiges über die Prozesse rund um stellare Schwarze Löcher verraten.
"Dies ist das kosmische Äquivalent eines Hurrikans der Kategorie fünf",
vergleicht Ashley King von der University of Michigan, die Erstautorin
eines Fachartikels über die Entdeckung in den Astrophysical Journal Letters.
"Wir haben nicht erwartet, dass dieses Schwarze Loch über einen so starken Wind
verfügt." Die gemessenen Windgeschwindigkeiten entsprechen nämlich mehr denen
der supermassereichen Schwarzen Löcher.
"Es war schon eine Überraschung, dass dieses kleine Schwarze Loch für
Windgeschwindigkeiten sorgen kann, die wir gewöhnlich nur bei riesigen Schwarzen
Löchern beobachten", unterstreicht Jon M. Miller, auch von der University of
Michigan. "Mit anderen Worten: Dieses Schwarze Loch spielt deutlich
oberhalb seiner Gewichtsklasse."
Doch dies ist nicht die einzige Besonderheit von IGR J17091: Der von der
Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch ausgehende Wind könnte einen
beträchtlichen Teil des Material von der Schwerkraftfalle wieder wegblasen.
"Entgegen der bisherigen Ansicht, dass Schwarze Löcher alles einfangen, was
ihnen zu nahe kommt, schätzen wir, dass bei IGR J17091 bis zu 95 Prozent des
Materials in der Scheibe von dem Wind weggeblasen wird", so King.
Dieser Wind bläst dabei in viele verschiedene Richtungen, was ihn auch von
sogenannten Jets unterscheidet. Jets sind eng gebündelte Teilchenstrahlen, die
sich meist senkrecht zur Akkretionsscheibe ins All ausbreiten und nahezu
Lichtgeschwindigkeit erreichen können. Parallel zu den Beobachtungen mit dem
Weltraumteleskop Chandra wurden auch Messungen im Radiobereich
durchgeführt. Danach war bei IGR J17091 in der Zeit, in der man den heftigen
Wind beobachtet hatte, kein Jet zu erkennen. Zu anderen Zeiten allerdings hatte
man hier im Radiobereich einen Jet beobachtet. Dieser Befund deckt sich mit
Beobachtungen bei anderen stellaren Schwarzen Löchern und scheint darauf
hinzudeuten, dass durch die Entstehung von Winden Jets quasi abgewürgt werden.
Die extremen Windgeschwindigkeiten folgerten die Astronomen aus einem
Spektrum, das im vergangenen Jahr mit Hilfe des Röntgenteleskops Chandra
aufgenommen worden war. Frühere ähnliche Beobachtungen hatten keine Hinweise auf
solche extremen Winde geliefert. Offenbar handelt es sich also nur um ein
temporäres Phänomen. Winde und Jets entstehen nach Ansicht der Astronomen durch
Magnetfelder in der Scheibe um das Schwarze Loch. Sowohl deren Geometrie als
auch die Rate, mit der Material in Richtung des Schwarzen Lochs strömt, könnte
entscheidend sein, ob sich ein Jet oder ein Wind ausbildet.
IGR J17091 ist ein Doppelsystem, das aus einem sonnenähnlichen Stern und
einem stellaren Schwarzen Loch besteht. Es befindet sich im sogenannten Bulge
der Milchstraße und ist rund 28.000 Lichtjahre von der Erde entfernt.
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