Die Venus rotiert langsamer
von Stefan Deiters astronews.com
10. Februar 2012
Durch Auswertung von Daten der europäischen Venussonde
Venus Express haben Astronomen entdeckt, dass unser sonnennäherer
Nachbarplanet sich offenbar etwas langsamer um die eigene Achse dreht als bei
früheren Messungen. Ihnen war nämlich aufgefallen, dass sich Strukturen auf der
Oberfläche des Planeten nicht dort befanden, wo sie eigentlich sein sollten.

Venus Express umkreist seit 2006 unseren
Nachbarplaneten.
Bild: ESA |
Die 2005 gestartete Sonde Venus Express der europäischen
Weltraumagentur ESA befindet sich seit April 2006 in einem Orbit um unseren
sonnennäheren Nachbarplaneten. Mit Hilfe des Visible and Infrared Thermal
Imaging Spectrometer (VIRTIS) an Bord der Sonde können Planetenforscher
auch die Oberfläche der Venus untersuchen, da das Instrument im Infraroten durch
die dichte Atmosphäre des Planeten schauen kann.
Bei solchen Untersuchungen ist den Wissenschaftlern jetzt etwas
Bemerkenswertes aufgefallen: Die Positionen von Strukturen auf der Oberfläche
des Planeten unterscheiden nach den aktuellen Daten von Venus Express
offenbar um bis zu 20 Kilometer von den Positionen, an denen sie eigentlich zu
sehen sein müssten, wenn man die allgemein anerkannte Rotationsgeschwindigkeit
der Venus zugrunde legt. Diese basiert auf Messungen der NASA-Sonde Magellan
von Anfang der 1990er Jahre.
Die Venus rotiert im Vergleich zur Erde sehr langsam um die eigene Achse: Ein
Venustag entspricht, so ergaben die Messungen von Magellan, 243,0185
Erdtagen. Magellan hatte unseren Nachbarplaneten mit einem Radar
abgetastet und eine globale Radarkarte des Planeten erstellt. Gleichzeitig
konnte mit Hilfe dieser Daten auch die Rotationsgeschwindigkeit der Venus sehr
präzise ermittelt werden. Die Untersuchungen mit Venus Express ergaben
jetzt, dass bestimmte Oberflächenmerkmale auf dem Planeten nur dann mit denen
von Magellan beobachteten Strukturen in Übereinstimmung zu bringen
sind, wenn der Venustag im Schnitt 6,5 Minuten länger ist als von Magellan
gemessen. Dieses Ergebnis stimmt auch mit jüngsten Radarbeobachtungen von der
Erde überein.
"Als die zwei Karten nicht in Deckung zu bringen waren, dachte ich zunächst,
dass ich irgendeinen Fehler bei den Berechnungen gemacht habe, da mit
Magellan die Rotationsdauer schließlich sehr genau bestimmt wurde", erzählt
Nils Müller, ein Planetenwissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR), der auch Hauptautor eines Fachartikels über die Untersuchung in
der Zeitschrift Icarus ist. "Wir haben dann alles auf alle möglichen
Fehler hin überprüft." Ein Rechenfehler entdeckten die Wissenschaftler
allerdings nicht.
Die exakte Tageslänge der Venus ist nicht nur für etwaige zukünftige
Venus-Missionen von Bedeutung, die einen exakten Wert für die Rotationsperiode
benötigen, um einen vorher ausgesuchten Landeplatz auch sicher ansteuern zu
können. Die Messungen verraten den Wissenschaftlern auch etwas über das Innere
des Planeten, etwa darüber, ob er einen festen oder flüssigen Kern hat. Falls
die Venus über einen festen Kern verfügt, muss die Masse des Planeten mehr im
Zentrum konzentriert sein. Damit wäre die Rotation der Venus unempfindlicher
gegen externe Kräfte, wie die Reibung der Oberfläche an der dichten Atmosphäre
mit ihren Wettersystemen.
Über die Gründe für die offenbar langsamer gewordene Rotation unseres
Nachbarn rätseln die Wissenschaftler noch: Zufällige Schwankungen der Tageslänge
auf relativ kurzen Zeitskalen aber - so ergab eine andere Studie - können das
Resultat wohl nicht erklären, da sich solche Variationen über längere Zeiträume
gegenseitig aufheben sollten.
Aktuelle Computermodelle der Venusatmosphäre haben allerdings gezeigt, dass
es auf dem Planeten Wetterzyklen geben kann, die sich über Jahrzehnte erstrecken
und eventuell dessen Rotationsperiode über ähnlich lange Zeiträume beeinflussen
können. Aber auch andere Ursachen, wie Wechselwirkungen zwischen Erde und Venus,
wenn sich beide Planeten relativ nahe kommen, lassen sich nach Ansicht der
Wissenschaftler nicht ausschließen.
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