Masterplan gegen die Asteroidengefahr
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
3. Februar 2012
Im Verlauf der Erdgeschichte sind immer wieder Asteroiden und Kometen
auf der Erde eingeschlagen - mit teils dramatischen Folgen für das Leben
auf unserem Heimatplaneten. Als sicher gilt, dass sich irgendwann wieder
einmal eine Asteroid auf Kollisionskurs zur Erde befinden wird. Mit dem
internationalen Forschungsprojekt NEOShield soll sichergestellt
werden, dass die Menschheit darauf vorbereitet ist.

Der 1.200 Meter durchmessende Barringer-Krater
in Arizona entstand durch den Einschlag eines
50-Meter-Asteroiden.
Foto: Stefan Seip / DLR |
Wann sich genau der letzte große Einschlag eines Asteroiden auf der Erde
ereignete, ist nicht klar. Einschlagkrater aber gibt es viele, zum
Beispiel das Nördlinger Ries in Bayern. Dass in Zukunft weitere
Kollisionen folgen werden, dessen ist sich Alan Harris,
Asteroidenforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR),
aber sicher. In den nächsten dreieinhalb Jahren leitet er die im Januar
2012 gegründete internationale Kooperation NEOShield. NEO steht
dabei für "Near Earth Object", also erdnahes Objekt.
Insgesamt 13 internationale Partner aus Forschung und Industrie werden
im Rahmen von NEOShield erforschen, wie Einschläge von
Asteroiden und Kometen auf der Erde verhindert werden können. Untersucht
wird unter anderem die Möglichkeit, Asteroiden durch den Einschlag einer
Raumsonde von ihrer bedrohlichen Bahn abzubringen. Die Europäische Union
unterstützt das Projekt mit vier Millionen Euro. Weitere 1,8 Millionen
Euro steuern die beteiligten Partner bei.
Wenn Asteroiden sich der Erde nähern, tun sie dies mit einer
Geschwindigkeit von typischerweise fünf bis 30 Kilometern in der
Sekunde. "Um ihre Umlaufbahn zu ändern und eine Kollision mit der Erde
zu verhindern, muss man eine Kraft auf sie ausüben", erklärt
Asteroidenforscher Harris. "Und zwar rechtzeitig." Wie es aussieht, wenn
Asteroiden ihrem ursprünglichen Lauf in Richtung Erde folgen, zeigt
beispielsweise heute noch der 1.200 Meter durchmessende Barringer-Krater
in Arizona oder die Tunguska-Region in Sibirien, in der 1908 die
Explosion eines Asteroiden Millionen von Bäumen entwurzelte. Schäden,
die auch bereits durch kleinere Asteroiden oder Kometen verursacht
werden können. "Der Krater in Arizona wurde von einem Objekt mit einem
Durchmesser von etwa 50 Metern verursacht." Solche der Erde
nahekommenden Objekte, kurz NEOs genannt, gibt es viele. Tausende von
ihnen wurden in den letzten 20 Jahren entdeckt. "Eine gefährliche
Kollision mit der Erde ist dabei etwa alle paar hundert Jahre
wahrscheinlich", schätzt Harris.
Eine wichtige Voraussetzung für die Erforschung möglicher Methoden, mit
denen eine Asteroideneinschlag auf der Erde verhindert werden kann ist,
dass die Forscher die physikalischen Eigenschaften der NEOs genau
kennen. "Wir wollen möglichst viel über unseren Feind herausfinden, der
Kurs auf die Erde nehmen könnte", sagt Harris. Die Planetenforscher des
DLR bringen deshalb ihre Kenntnisse über die Zusammensetzung, Struktur
und die Oberflächenbeschaffenheit von Asteroiden und Kometen in das
internationale Projekt ein. Zudem analysiert das Team um Harris die
Beobachtungsdaten der vergangenen zwei Jahrzehnte: "Die Daten wurden
bisher noch nicht genügend aus der Sicht der Asteroidenabwehr
untersucht." Bisher wurden über 8.000 NEOs entdeckt, jeden Monat kommen
70 weitere hinzu.
Am Ende des Projekts soll Klarheit über viele Fragen herrschen - so
wollen die Asteroidenforscher unter anderem festlegen, wie bedrohliche
Asteroiden in Zukunft vom Boden aus beobachtet und mit welchen Missionen
im Weltall ihre Eigenschaften ermittelt werden können. Abhängig von der
Zeit, die zwischen Entdeckung und möglichem Eintritt in die
Erdatmosphäre liegt sowie von der Größe des Asteroiden könnten dann
verschiedene Methoden zur Abwehr zum Einsatz kommen, die die
Wissenschaftler im Rahmen des Projektes näher untersuchen wollen.
Eine Methode, die das NEOShield-Konsortium näher analysieren
wird, ist der Einsatz einer Raumsonde, die durch ihren Einschlag auf dem
Asteroiden diesen von seiner Bahn abbringt. "Das ist meiner Meinung nach
eine sehr realistische Methode," glaubt Harris. Allerdings seien bei
dieser Methode noch viele offene Fragen zu klären. Wie muss die
Steuerung dieser Raumsonde ausgelegt sein, damit sie ihr Ziel sicher und
im korrekten Winkel trifft? Wie kann der Effekt vermindert werden, den
die Bewegungen des Treibstoffs in der Raumsonde auf deren Einschlag
haben? In Laborexperimenten soll zudem mit Projektilen auf Materialien
geschossen werden, die denen eines Asteroiden entsprechen. Damit können
die Wissenschaftler wiederum Rückschlüsse auf das Verhalten der
Asteroiden bei solch einer Kollision ziehen.
Wird ein Asteroid, der Kurs auf die Erde nimmt, bereits Jahre vor einer
möglichen Kollision entdeckt, könnte eine andere Methode in Frage
kommen, die sich die Anziehungskraft einer Raumsonde zunutze macht:
Lenkt man eine Raumsonde in die direkte Nähe eines potenziell
gefährlichen NEO, könnte sich ihre Gravitation auf den Asteroiden
auswirken und ihn - wie von einem Seil gezogen - von seiner
ursprünglichen Flugbahn ablenken. Allerdings würde es einen Zeitraum von
mehreren Jahren in Anspruch nehmen, bis man eine signifikante
Veränderung der Umlaufbahn erreicht hat. "Bisher existiert diese Methode
nur auf dem Papier, aber sie könnte funktionieren," glaubt Harris. Die
Forschung in den nächsten dreieinhalb Jahren soll zeigen, wie
realistisch es ist, bedrohlichen Asteroiden mit der Schwerkraft aus der
Spur zu bringen.
Nur wenn die Zeit drängt, käme für Harris eine alternative Methode
in Betracht: "Würde man ein sehr großes gefährliches Objekt mit einem
Durchmesser von einem Kilometer oder mehr entdecken, würden die beiden
anderen Methoden das Problem wahrscheinlich nicht mehr lösen", so der
Wissenschaftler. "Die größte Kraft, die man dann einsetzen könnte, um
den Asteroiden aus seiner Bahn zu lenken, wäre eine nukleare Explosion."
Eine Lösung, die die Wissenschaftler in ihrem Projekt zwar untersuchen
wollen - allerdings ohne eine konkrete Mission dafür zu planen. Wissen
will man aber dennoch, welche Auswirkung eine Explosion in unmittelbarer
Nähe eines Asteroiden oder auf seiner Oberfläche im luftleeren Weltraum
hätte. "Diese Möglichkeit wird aber sehr kontrovers gesehen."
Die Daten aus Asteroidenbeobachtungen sowie die Ergebnisse der
Laborexperimente, hochgerechnet auf einen realistischen Maßstab, werden
kontinuierlich in Computersimulationen einfließen. Am Ende der
dreieinhalb Jahre sollen jedoch nicht nur Kenntnisse über Asteroiden und
eine mögliche Abwehr vorliegen. "Wir planen auch internationale
Raumfahrt-Missionen, mit denen man in einigen Jahren die erforschten
Abwehrmethoden testen könnte." Dafür sollen aus der Menge der bekannten
Asteroiden diejenigen ausgewählt werden, die sich für eine Demo-Mission
am besten eignen.
Außerdem soll dann auch eine Art Fahrplan vorliegen, der bei einer
Bedrohung der Erde durch eine Asteroidenkollision in Aktion treten soll.
Ausgerichtet wäre dieser auf realistische Ereignisse wie die Ankunft von
Asteroid Apophis - der wird bereits 2029 auf seiner Umlaufbahn der Erde
gefährlich nahe kommen.
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