Gasriese Jupiter als Vorbild
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Technischen Universität Wien astronews.com
25. Januar 2012
Wissenschaftlern ist es jetzt gelungen, Elektronen in Kalium-Atomen
durch elektromagnetische Felder so zu stabilisieren, dass sie wie
Planeten um ihren Atomkern kreisen. Grundlage für das Experiment waren
Berechnungen von Physikern der Technischen Universität Wien. Diese
hatten sich dazu einen Trick beim Gasriesen Jupiter abgeschaut.
Das Bohrsche Atommodell geht von Atomen aus, die
ähnlich wie ein Planet um den Atomkern kreisen.
Durch technische Tricks gelang es nun, das
Elektron (grün) über lange Zeit zusammenzuhalten.
Bild: Technische Universität Wien |
Planeten und Asteroiden kreisen seit Milliarden von Jahren beständig um
die Sonne. Auch Elektronen, die sich rund um einen Atomkern
bewegen, stellt man sich gerne wie Planeten im Mini-Format vor. In
Wirklichkeit verhalten sich Atome aber aufgrund quantenphysikalischer
Effekte ganz anders als Planetensysteme. Nun ist es einem
US-amerikanisch-österreichischen Forschungsteam gelungen, Elektronen in
Atomen lange Zeit stabil auf planetenartigen Bahnen kreisen zu lassen.
Den entscheidenden Trick dafür hat man sich vom Jupiter abgeschaut: Der
Gasriese stabilisiert nämlich die Bahnen von Asteroiden, die sogenannten
"Trojanern".
Auf ganz ähnliche Weise konnten nun Elektronen-Bahnen rund um den
Atomkern durch ein elektromagnetisches Feld stabilisiert werden. Über
ihre Ergebnisse berichtet das Team jetzt in der Fachzeitschrift
Physical Review Letters. "Einen Hundertstel Millimeter beträgt der
Durchmesser der Elektronenbahnen - für atomare Verhältnisse eine
gewaltige Distanz", so Shuhei Yoshida. Die Atome sind damit größer als
rote Blutkörperchen. Yoshida führte am Institut für Theoretische Physik
der Technischen Universität Wien die Berechnungen durch, die dann an der
Rice University in Houston im US-Bundesstaat Texas
experimentell umgesetzt wurden.
Die Vorstellung, dass Atome und Planetensysteme einiges gemeinsam haben,
ist nicht neu: Schon das erste Atommodell von Niels Bohr ging von
Elektronen aus, die sich auf festen Bahnen rund um einen Atomkern
bewegen. Dieses Bild gilt aber längst als veraltet. Quantenmechanisch
wird das Elektron als Quanten-Welle oder als "Wahrscheinlichkeitswolke"
beschrieben, die den Atomkern umgibt. Ein Elektron im niedrigsten
Energiezustand befindet sich gleichzeitig in allen möglichen Richtungen
rund um den Kern - von einem genauen Aufenthaltsort oder einer echten
Umlaufbahn kann hier also keine Rede sein. Erst wenn man das Elektron
auf ein höheres Energie-Niveau anhebt, lässt es sich so präparieren,
dass es planetenartigen Bahnen folgt.
Im Gegensatz zu Planeten bewegen sich die Elektronen aber nicht
dauerhaft so weiter: "Ohne zusätzliche Stabilisierung würde sich die
Elektronen-Welle schon nach wenigen Umläufen wieder gleichmäßig entlang
der Bahn verteilen und hätte keine feste Position mehr", erklärt Prof.
Joachim Burgdörfer, Vorstand des Instituts für Theoretische Physik. Eine
mögliche Stabilisierung solcher Bahnen kennt man aus der Astronomie
schon lange: Jupiter, der massereichste Planet unseres Sonnensystems,
stabilisiert durch seine Anziehungskraft die Bahnen der Trojaner. Dabei
handelt es sich um tausende kleine Asteroiden, die sich mit Jupiter eine
Bahn um die Sonne teilen.
Sie sammeln sich an den sogenannten "Lagrange-Punkten" und bewegen sich
entlang der Jupiterbahn mit dem Gasriesen mit - genau mit der selben
Umlaufgeschwindigkeit wie Jupiter selbst, so dass sie nie mit dem
Planeten kollidieren. Im Atom-Experiment wird diese stabilisierende
Wirkung des Jupiters durch ein raffiniert gewähltes elektromagnetisches
Feld ersetzt: Das Feld oszilliert genau in der Frequenz, die der
Umlaufdauer des Elektrons um den Kern entspricht – es gibt dem Elektron
also den richtigen Takt vor und hält die Quanten-Welle des Elektrons
viele Umdrehungen lang in einem engen Bereich lokalisiert. Am Atom
lassen sich sogar Manipulationen durchführen, die im Planetensystem
nicht möglich wären: Das Elektron kann gezielt in eine andere Umlaufbahn
überführt werden - so als würde man den Jupiter samt der Asteroiden auf
die Saturn-Bahn schieben.
Damit ist es gelungen, astronomische Gegebenheiten in einer
quantenphysikalischen Miniaturversion nachzubauen und Atome zu erzeugen,
die dem historischen Bohrschen Atommodell erstaunlich nahe kommen. In
Zukunft will das internationale Forschungsteam Atome präparieren, in
denen sich gleich mehrere Elektronen auf planetenartigen Bahnen bewegen.
Mit solchen Atomen soll es möglich sein, genauer zu erforschen, wie die
Quantenwelt der winzig kleinen Objekte mit der klassischen Welt unserer
Alltagserfahrung zusammenhängt.
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