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MILCHSTRASSENZENTRUM
Gaswolke nähert sich Schwarzem Loch
von Stefan Deiters
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14. Dezember 2011

Astronomen haben mit dem Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO eine Gaswolke mit der mehrfachen Masse der Erde entdeckt, die sich immer schneller in Richtung des zentralen Schwarzen Lochs unserer Milchstraße bewegt. Es ist das erste Mal, dass man ein Objekt verfolgen kann, das bald dem Schwarzen Loch zum Opfer fallen wird.

Milchstraßenzentrum

Simulation des Zentrums der Milchstraße mit den Positionen und Bahnen (blau) der Sterne und der neuen Gaswolke (rot). Das Bild oben zeigt die für 2021 erwartete, das Bild unten die heutige Situation. Bild: ESO /MPE / Marc Schartmann [Großansicht 2021 | Großansicht heute]

Milchstraßenzentrum

Schon seit vielen Jahre verfolgen Astronomen um Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching mit Hilfe des Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO die Bewegungen von Sternen rund um das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße (astronews.com berichtete wiederholt). So konnten die Wissenschaftler beispielsweise die Sterne auf ihren Bahnen um das Schwarze Loch verfolgen und daraus die Masse der Schwerkraftfalle im Herzen unserer Galaxie exakt bestimmen. Sie hat die etwa 4,3-millionenfache Masse unserer Sonne.

Jetzt werden die Astronomen gerade Zeugen eines bislang noch nie beobachteten Schauspiels: Ein neues Objekt nähert sich derzeit sehr schnell dem Schwarzen Loch und hat dabei seine Geschwindigkeit in den vergangenen sieben Jahren fast verdoppelt. Sie beträgt aktuell mehr als acht Millionen Kilometer pro Stunde. Das Objekt befindet sich auf einem sehr langgestreckten Orbit um das Zentrum und dürfte sich Mitte 2013 dem Ereignishorizont des Schwarzen Lochs auf bis zu 40 Milliarden Kilometer - oder rund 36 Lichtstunden - nähern. Für die Astronomen ist dies eine sehr nahe Begegnung. Unter dem Ereignishorizont versteht man jene Grenze, nach deren Überschreiten nichts mehr der Anziehungskraft des Schwarzen Lochs entkommen kann.

Das mysteriöse Objekt ist mit nur rund 280 Grad Celsius deutlich kälter als die Sterne in dieser Region und besteht hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium. Es dürfte sich um eine staubhaltige, ionisierte Gaswolke mit etwa der dreifachen Masse unserer Erde handeln. Die Wolke leuchtet durch die starke ultraviolette Strahlung der zahlreichen heißen Sterne in dieser Region. Wenn sie sich nun dem Schwarzen Loch weiter nähert, dürfte sie durch den externen Druck einerseits komprimiert, gleichzeitig aber auch durch die Anziehungskraft der Schwerkraftfalle weiter beschleunigt und entlang ihrer Bahn auseinandergezogen werden.

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"Die Vorstellung, dass ein Astronaut in der Nähe eines Schwarzen Lochs Spaghetti-ähnlich auseinandergezogen wird, kennt man aus Science-Fiction-Geschichten", so Stefan Gillessen vom MPE. "Hier können wir das Ganze nun in der Realität beobachten, wie dies mit der neu entdeckten Wolke passiert. Sie wird diese Erfahrung nicht überleben." Gillessen ist auch Erstautor eines Fachartikels, der Anfang Januar 2012 in Nature erscheinen wird.

Die Ränder der Wolke zeigen bereits erste Auflösungserscheinungen. In den kommenden Jahren dürfte sie dann komplett auseinanderbrechen. Erste Anzeichen dafür konnten die Astronomen bei ihren Beobachtungen von 2008 bis 2011 schon ausmachen. Das Material der Wolke sollte sich zudem merklich erhitzen, so dass sie eventuell sogar im Röntgenbereich leuchten wird. In unmittelbarer Nähe des Schwarzen Lochs befindet sich gegenwärtig nur sehr wenig Material. Die Wolke dürfte also in den kommenden Jahren die "Hauptmahlzeit" des Schwarzen Lochs darstellen.

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte die Wolke aus Material entstanden sein, das von jungen massereichen Sternen als stellarer Wind ins All geblasen wurde. Als Ursprung käme etwa ein bekanntes Doppelsternsystem im Orbit um das zentrale Schwarze Loch infrage, dessen kollidierende stellare Winde zur Entstehung der Wolke geführt haben könnten. "Die nächsten zwei Jahre werden sehr interessant werden", ist Genzel überzeugt. "Sie sollten uns extrem wertvolle Informationen über das Verhalten von Materie um solche massereichen Objekte liefern."

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siehe auch
VLBI: Detaillierter Blick ins Zentrum der Milchstraße - 4. September 2008
Milchstraße: Nachweis des Schwarzen Lochs ausgezeichnet - 13. Juni 2008
Schwarze Löcher: Milchstraßen-Zentrum 24 Stunden im Blick - 8. Mai 2007
VLBA: Jagd nach dem Schatten des Schwarzen Lochs - 7. November 2005
Milchstraße: Schwarzes Loch noch vor 350 Jahren aktiv - 27. Januar 2005
Milchstraße: Der Durchmesser des zentralen Schwarzen Lochs - 5. April 2004
Milchstraße: "Todesschrei" vom Rand des Schwarzen Lochs - 3. November 2003
VLT: Rasender Stern um das zentrale Schwarze Loch - 21. Oktober 2002
Chandra: Ein "Gruß" vom zentralen Schwarzen Loch - 7. September 2001
Links im WWW
Europäische Südsternwarte
Galactic Center Research am MPE
Preprint des Fachartikels (pdf-File)
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