Neues Modell der Mondoberfläche
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
22. November 2011
Er liegt zwar praktisch vor der Haustür, birgt aber noch immer so
manches Geheimnis: unser Mond. Aus Aufnahmen der NASA-Sonde Lunar
Reconnaissance Orbiter haben Mitarbeiter des DLR nun ein
detailliertes 3D-Modell der Mondoberfläche erstellt, das die
Höhenverhältnisse auf dem Erdtrabanten verdeutlicht. Es soll auch bei
der Vorbereitung künftiger Missionen helfen.

Farbig dargestellte Höhe der Mondoberfläche.
Bild: NASA / GSFC / ASU / DLR
[Großansicht] |
Der Mond ist zwar bisher der einzige Himmelskörper außer der Erde, auf
dem jemals ein Mensch gestanden hat - die Tiefen und Höhen seiner
gesamten Oberfläche sind allerdings noch immer nicht umfassend
erforscht. Seit Juni 2009 kreist deshalb die Sonde Lunar
Reconnaissance Orbiter (LRO) um den Mond und nimmt mit einer
Weitwinkelkamera digitale Daten der kraterübersäten Oberfläche auf. Aus
insgesamt 70.000 Bildern haben die Wissenschaftler des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) jetzt ein dreidimensionales
digitales Mondmodell in einer bisher einzigartigen Präzision und
Vollständigkeit erstellt und mit dessen Hilfe sogar einen Film erzeugt,
der virtuelle Überflüge über den Erdtrabanten zeigt.
Die Landestellen von Apollo 11, 12 und 14
liegen auf der jetzt vorgestellten Ansicht mitten im ruhigen Blau. Blau,
das bedeutet in den farbigen 3D-Darstellungen der Mondoberfläche
niedriggelegenes ebenes Gelände. Erst mit den nachfolgenden Missionen
wurden die Amerikaner mutiger, schickten ihre Astronauten beispielsweise
mit Apollo 15 und 17 auch in Mondgebiete, die eine
viel größere Herausforderung waren. In dem Modell des DLR-Instituts für
Planetenforschung in Berlin-Adlershof sind diese Flächen grün
dargestellt - diese Gebiete liegen etwas höher und sind nicht so flach
wie die Ebenen der ersten Mondlandungen.
Damit diese 3D-Darstellung möglich wurde, zeichnete die Weitwinkelkamera
(LROC WAC) an Bord des Lunar Reconnaissance Orbiter aus 50
Kilometer Höhe auf. Anschließend wertete DLR-Projektwissenschaftler
Frank Scholten vom Institut für Planetenforschung die 70.000
Stereo-Aufnahmen aus, verglich dabei mit speziellen Computerprogrammen
Pixel für Pixel und berechnete mit den Informationen aus Aufnahmeort und
Blickrichtung der Kamera etwa 100 Milliarden 3D-Punkte. Das Ergebnis:
Rund 37 Millionen Quadratkilometer und somit über 98 Prozent der
Mondoberfläche als 3D-Modell. Das entspricht mehr als dem Doppelten der
Fläche Russlands.
Zwei Wochen Rechenzeit auf einem Verbund aus 40 Computern waren
notwendig, um die aufwendigen Berechnungen durchzuführen. Die dazu
erforderlichen Computerprogramme wurden zuvor am DLR-Institut für
Planentenforschung entwickelt und bereits auf andere Planeten-Bilddaten,
zum Beispiel für die MarsExpress-Mission, erfolgreich
angewendet. Das Ergebnis, das so genannte GLD 100 (Global Lunar
Digital Terrain Model), liefert im Abstand von 100 Metern auf der
Mondoberfläche jeweils eine Höhenangabe. "In den letzten Jahren hat sich
die Planetenforschung vorrangig mit anderen Planeten, zum Beispiel dem
Mars, beschäftigt. Der Mond stand dabei eher im Hintergrund", erläutert
Scholten.
Das Team um DLR-Planetenforscher Prof. Dr. Jürgen Oberst vermisst den
Mond deshalb gleich mehrfach. Neben den Kameraaufnahmen werden auch
Werte eines Laser-Instruments (LOLA, Lunar Orbiter Laser Altimeter),
das die Höhe der Mondoberfläche mit einem Laserstrahl misst, mit dem
GLD100-Höhenmodell verglichen. Beide Methoden ergänzen sich dabei: Das
Laser-Instrument liefert sehr genaue Höhenprofile, deckt aber nur einen
Teil der Mondoberfläche ab. Besonders in Äquatornähe gibt es noch Lücken
von einigen Kilometern. Die Kameras an Bord des LRO-Orbiters gleichen
diesen Nachteil aus, weil sie große Flächen lückenlos aufnehmen können.
"Unser Höhenmodell wird Planetenforschern helfen, Fragen nachzugehen,
für die eine genaue und vollständige Kenntnis der Topographie des Mondes
wichtig ist", sagt Scholten.
Wissenschaftler wollen mit diesen Daten unter anderem untersuchen, ob es
auch in den mittleren Breiten des Mondes tiefe Krater gibt, in deren
permanentem Schatten zum Beispiel Wassereis vorkommen könnte - so wie in
der Nähe der Pole. Das Höhenmodell stellt die unterschiedlichsten
Oberflächenformen wie Berger, Krater oder Rillen deutlich dar. Die
farbkodierte Ansicht zeigt die dritte Dimension – die Höhe – in Farben
von blau (rund -9100 Meter) bis Rot/Weiß (rund 10.760 Meter).
Während die Vorderseite des Mondes mit ihren flachen Maren und den
Apollo-Landestellen vor allem in blau und grün erscheint, zeigt sich die
bisher nur wenig erforschte, von der Erde nicht sichtbare Mondrückseite
mit ihren Hochländern in rot. Hier liegen sowohl der niedrigste als auch
der höchste Punkt auf dem Mond. "Man sieht in dieser Darstellung sehr
gut, wie riesig und tief das South-Pole-Aitken-Becken ist", erläutert
Planetenforscher Ulrich Köhler vom DLR. Das Becken mit einem Durchmesser
von etwa 2.500 Kilometern, das bisher größte bekannte Einschlagsbecken
in unserem Sonnensystem, ist etwa 13 Kilometer tief - "und ist
vielleicht ein Fenster in die Vergangenheit des Mondes, denn es könnte
bis auf den ursprünglichen Mantel des Mondes reichen", sagt Köhler.
Mit den Daten des Höhenmodells können die Wissenschaftler auch nahe
Überflüge über den Mond simulieren. Die "Rundflüge" um die Landestellen
von Apollo 15 und 17 zeigen dabei deutlich, dass die
Astronauten dicht an mehreren tausend Meter hohen Bergrücken landeten,
um von dort aus den Mond zu erkunden. "Mit diesen Daten legen wir eine
wichtige Grundlage für zukünftige Mondmissionen – seien sie bemannt oder
unbemannt", betont Mondforscher Ulrich Köhler. "Die 3D-Mondkarten
ermöglichen eine bessere Einschätzung von zukünftigen Landeplätzen."
Insgesamt sieben Instrumente fliegen an Bord der NASA-Sonde mit. Die
beteiligten deutschen Mitglieder im LRO-Team werden über das DLR
Raumfahrt-Management gefördert. Mit jeder neuen Umrundung des Mondes und
jeder weiteren Aufnahme der Mondoberfläche verfeinern die
Planetenforscher von nun an ihr bisheriges 3D-Modell des Erdtrabanten.
"Jeden Monat decken wir den Mond einmal komplett mit der Kamera ab",
erläutert Frank Scholten. "Diese Daten werden kontinuierlich in unser
Modell eingerechnet, so dass wir immer mehr Details sichtbar machen
können."
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