Blick auf die Scheibe um ein Schwarzes Loch
von Stefan Deiters astronews.com
4. November 2011
Mithilfe des Gravitationslinseneffekts und des
Weltraumteleskops Hubble ist es Astronomen gelungen, die Scheibe aus
Gas und Staub um ein entferntes supermassereiches Schwarzes Loch direkt zu
beobachten. Sie konnten mit einem neuen Verfahren nicht nur die Größe der
Scheibe bestimmen, sondern auch die Temperaturverteilung darin messen.
![HE 1104-1805](../../../bilder/2011/1111-008.jpg)
Zwei Bilder des untersuchten Quasars HE
1104-1805 und die Galaxie [WKK93] G im
Vordergrund (erkennbar als schwach leuchtende
Struktur um die beiden Quasarbilder), die für den
Gravitationslinseneffekt verantwortlich ist.
Bild: NASA, ESA und J.A. Muñoz
(Universität von Valencia) [Großansicht] |
Das Weltraumteleskop Hubble zählt zu den
leistungsfähigsten Teleskopen der Welt, doch ohne "extragalaktische Hilfe" wären
auch mit Hubble die jetzt von einem internationalen Astronomenteam
vorgestellten Beobachtungen nicht möglich gewesen. Unter Ausnutzung des
Gravitationslinseneffekts ist es den Wissenschaftlern nämlich gelungen, die
helle Scheibe aus Gas und Staub direkt zu beobachten, die um ein entferntes
supermassereiches Schwarzes Loch kreist, das sich im Zentrum eines Quasars
befindet. In dieser sogenannten Akkretionsscheibe sammelt sich das Material
bevor es schließlich in dem Schwarzen Loch verschwindet. Den Astronomen gelang
es die Ausdehnung der Scheibe zu bestimmen und auch die Farbe - und damit die
Temperatur - in verschiedenen Bereichen der Scheibe zu messen.
Quasare gehören mit zu den hellsten Objekten im Universum und können daher
auch noch über enorme Entfernungen gesehen werden. Ihre große Helligkeit
verdanken die Objekte aber einem im Grunde genommen unsichtbaren Phänomen,
nämlich einem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum. Dieses ist äußerst
aktiv, verschlingt also gerade große Mengen an Material, das sich zuvor in einer
Scheibe um die Schwerkraftfalle sammelt. Dabei heizt sich das Material so stark
auf, dass es eine sehr intensive Strahlung aussendet. Die Scheibe wird dabei so
hell, dass sie die umgebende Galaxie vollkommen überstrahlt und oft nichts
weiter als ein heller Punkt zu sehen ist. Deswegen bekamen diese Objekte auch
den Namen "quasistellare Objekte", kurz Quasare.
"Die Akkretionsscheibe eines Quasars hat typischerweise eine Größe von
einigen Lichttagen, also einen Durchmesser von etwa 100 Milliarden Kilometern",
erklärt Jose Muñoz von der Universität in Valencia, der die Untersuchung
leitete. "Aber sie sind halt auch Milliarden von Lichtjahren entfernt und
deswegen von der Erde aus betrachtet so winzig, dass es wohl nie ein Teleskop
geben dürfte, das leistungsfähig genug ist, um ihre Struktur direkt sehen zu
können." Deswegen musste man sich bei Angaben zu Größe und Struktur von Quasaren
bislang auch hauptsächlich auf theoretische Modelle verlassen.
Für ihre Untersuchung bediente sich das Team nun eines neuen Verfahrens: Es
hat Sterne in einer anderen Galaxie genutzt, um - wie mit einer Lupe - bestimmte
Strukturen der Scheibe zu vergrößern und genauer zu untersuchen. Das Verfahren
beruht auf dem schon bekannten Gravitationslinseneffekt: Das Licht eines
entfernten Objektes wird durch ein massereiches Objekt auf der Sichtlinie
zwischen uns und dem entfernten Objekt abgelenkt, so dass oft mehrere und auch
vergrößerte Bilder des entfernten Objekts entstehen.
Die Astronomen hatten zuvor eine Reihe von entfernten Quasaren beobachtet,
deren Licht auf dem Weg zu uns zufällig eine nahegelegenere Galaxie
passiert. Diese lenkt das Licht durch ihre Masse so ab, dass jeweils mehrere
Bilder der Quasare entstehen. Beim Vergleich dieser Bilder fielen den
Wissenschaftlern winzige Farbunterschiede zwischen den Bildern und auch
Farbänderungen im Verlauf der Beobachtungen auf. Ein Teil dieser Farbänderungen
erklärt sich durch Staub in den als Linsen dienenden Galaxien und verrät somit
etwas über das Material in den Systemen.
Bei einem der untersuchten Quasare aber gab es eindeutige Hinweise darauf,
dass Sterne in der Linsengalaxie exakt den Weg des Lichts vom fernen Quasar zu
uns durchlaufen. Genauso wie die gesamte Galaxie das Licht des Quasars abgelenkt
und verstärkt hat, haben auch die Sterne in der Linsengalaxie nun das Licht aus
verschiedenen Teilen der Akkrektionsscheibe um das zentrale Schwarze Loch des
Quasars abgelenkt und verstärkt als sie durch die Sichtlinie zum Quasar
gewandert sind.
Durch die Aufzeichnung der beobachteten Farbvariationen konnte das Team ein
Farbprofil der Akkretionsscheibe erstellen. Das ist ein entscheidender Hinweis
auf die Struktur der Scheibe, da man erwartet, dass die Temperatur mit
geringerer Entfernung zum Schwarzen Loch zunimmt. Die Strahlung der Scheibe
sollte sich damit immer weiter in den blauen Bereich des Spektrums verschieben.
So ließ sich auch der Durchmesser der Scheibe aus heißem Material rund um das
Schwarze Loch bestimmen sowie die Temperatur in verschiedenen Entfernungen vom
Zentrum.
Die Forscher stellten auf diese Weise fest, dass die Scheiben einen
Durchmesser zwischen vier und elf Lichttagen haben muss (entsprechend etwa 100
bis 300 Milliarden Kilometer). Dies ist zwar noch ein relativ ungenauer Wert,
doch angesichts der Größe des vermessenen Objektes und der Entfernung ein
beachtliches Ergebnis. Das Team hofft zudem, in Zukunft mit diesem Verfahren
noch genauere Messungen machen zu können.
"Unsere Resultate sind deswegen von Bedeutung, da sie zeigen, dass wir nun in
der Lage sind, Beobachtungsdaten über die Struktur dieser Systeme zu bekommen
und uns nicht mehr allein auf die Theorie verlassen müssen", so Muñoz. "Die
physikalischen Eigenschaften von Quasaren sind noch nicht besonders gut
verstanden. Diese neuen Beobachtungsmöglichkeiten öffnen daher ein neues Fenster
zum besseren Verständnis der Natur dieser Objekte."
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