Das Geheimnis der ersten Supernova
von Stefan Deiters astronews.com
25. Oktober 2011
Im Jahr 185 nach Christus beobachteten chinesische
Astronomen das Erscheinen eines neuen Sterns am nächtlichen Himmel, der acht
Monate lang zu sehen war. Später wurde diese erste dokumentierte
Supernova mit dem Überrest RCW 86 in Verbindung gebracht, doch was damals
genau geschah, blieb rätselhaft. Jetzt lieferten die Teleskope Spitzer und WISE
entscheidende neue Hinweise.
Ein moderner Blick auf RCW 86, den Überrest
der ersten dokumentierten Supernova. Für die
Aufnahme wurden Röntgen- und Infrarotdaten
kombiniert.
Bild: NASA /ESA / JPL-Caltech / UCLA /
CXC / SAO [Großansicht] |
"Dieser Supernova-Überrest ist in sehr kurzer Zeit sehr groß
geworden", fast Astronom Brian J. Williams von der North Carolina State
University in Raleigh die Besonderheit von RCW 86 zusammen. "Er ist zwei- bis
dreimal größer als wir es von einem Supernova-Überrest erwarten würden, der vor
rund 2.000 Jahren explodiert ist. Jetzt ist es uns endlich gelungen, die Ursache
dafür herauszufinden." Die Untersuchung der Wissenschaftler wurde jetzt online
in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal veröffentlicht.
Die rätselhafte Supernova wurde im Jahr 185 nach Christus von chinesischen
Astronomen als "Gaststern" am nächtlichen Himmel beschrieben, der insgesamt acht
Monate lang zu sehen war. In den 1960er Jahren brachten Wissenschaftler dann das
damalige Ereignis mit einer Supernova-Explosion in Verbindung, der ersten, die
dokumentiert wurde. Später ermittelte man dann RCW 86 in einer Entfernung von etwa
8.000 Lichtjahren als Überrest dieses Ereignisses (astronews.com berichtete).
Die Untersuchung dieser Überreste gab den Astronomen allerdings ein neues
Rätsel auf: Die vom Ort der Explosion des Sterns weggeschleuderten Trümmerteile
bildeten eine Hülle aus Material rund um den Ort der Supernova, die deutlich
größer war als man vermutet hatte. Könnte man den Himmel im Infraroten
beobachten, würde der Supernova-Überrest dort größer erscheinen als der
Vollmond. Neue Beobachtungen des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer und des
Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) liefern jetzt, zusammen mit
früheren Beobachtungen des NASA-Röntgenteleskops Chandra und des
europäischen Weltraumteleskops XMM-Newton eine Erklärung dafür, was
damals gesehen sein muss.
Die Auswertung der Daten ergab, dass es sich bei der damaligen Explosion um
eine Supernova vom Typ Ia handelte. Dazu sind zwei Komponenten
erforderlich: Ein sonnenähnlicher Stern, der am Ende seines nuklearen Lebens zu
einem Weißen Zwerg wird und ein naher Begleiter, von dem der Sternenrest ständig
Material abzieht. Irgendwann hat sich dann so viel
Material auf dem Weißen Zwerg angesammelt, dass es zu einer Explosion kommt. "Ein
Weißer Zwerg ist wie noch rauchende Asche", vergleicht Williams. "Wenn man da
wieder Benzin draufschüttet, explodiert alles."
Doch dies allein erklärt die Besonderheit von RCW 86 noch nicht: Die
Beobachtungen haben aber auch gezeigt, dass um einen Weißen Zwerg, bevor es zur
eigentlichen Supernova-Explosion kommt, ein Bereich entstehen kann, in dem sich
praktisch kein Material befindet. Dieser "Hohlraum" dürfte für die ungewöhnlich große Ausdehnung des Überrestes
verantwortlich sein, da das durch die Explosion ins All geschleuderte Material nicht durch
Gas oder Staub in der Umgebung abgebremst wurde. Die Forscher hatten mit Spitzer und WISE die
Temperatur des Staubs in dem Überrest gemessen und daraus auf die Gasmenge in
der Region geschlossen. Dabei stellte sich heraus, dass es die meiste Zeit hier
nur eine sehr geringe Gasdichte gegeben haben kann.
Ursprünglich hatten die Astronomen einen anderen Supernova-Typ für die mit
RCW 86 verbundene Explosion verantwortlich gemacht, nämlich die Explosion eines
sehr massereichen Sterns. Es war bekannt, dass dabei ein "Hohlraum" wie bei RCW
86 entstehen kann. Allerdings sprachen Röntgenbeobachtungen des Überrests eher für eine
Supernova-Explosion vom Typ Ia. Von diesen wusste man bislang nicht, dass es auch
hier zur Entstehung solcher materialarmen Regionen um den Stern kommen kann.
"Die moderne Astronomie hat somit ein zwei Jahrtausende altes kosmisches
Rätsel gelöst und uns dafür ein neues beschert", so Bill Danchi, der
Programmwissenschaftler für Spitzer und WISE am NASA-Hauptquartier in
Washington. "Dank der Beobachtungen in ganz unterschiedlichen Wellenlängenbereichen
können wir jetzt erst die faszinierende Physik würdigen, die hinter diesem Todeskampf
des Sterns steckt. Trotzdem sind wir noch immer genauso begeistert vom Kosmos
wie die Astronomen der Antike."
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