Astronomen spekulieren über Dunkle Sternhaufen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
20. Oktober 2011
Bonner Astronomen spekulieren über eine neue Klasse von
Himmelskörpern - über Dunkle Sternhaufen. Sie sollen aus vielen umeinander
kreisenden Schwarzen Löchern und einigen Sternen bestehen. Bislang sind die
Gebilde reine Hypothese, doch könnten sie, wenn es sie denn gibt, zu neuen
Einsichten in Supernovae-Explosionen, Gravitationswellen sowie in die Dynamik
und Entwicklung von Sternhaufen führen.
Das Zentrum des kompakten Sternhaufens im Nebel NGC 3603.
Könnten unter bestimmten Voraussetzungen aus
solchen Sternhaufen schließlich Dunkle
Sternhaufen entstehen?
Bild: NASA, ESA und Wolfgang
Brandner (MPIA), Boyke Rochau (MPIA) und Andrea
Stolte (Universität Köln) |
Sterne entwickeln sich aus Gaswolken, die sich durch ihre Schwerkraft
so stark zusammenziehen, dass schließlich in ihrem Inneren nukleare
Fusionsprozesse einsetzen. Nur selten aber sind Sterne Einzelgänger, sondern
treten meist in Gruppen auf. In solchen Sternhaufen entstehen unzählige Sonnen
auf einmal. Wie sie sich aber im einzelnen entwickeln, hängt entscheidend von
ihrer Masse ab: "War die Masse der Sterne groß genug, bleiben extrem dichte
Neutronensterne und Schwarze Löcher übrig", erklärt Prof. Dr. Pavel Kroupa vom
Argelander Institut für Astronomie der Universität Bonn.
Diese Schwarzen Löcher sind praktisch nicht zu sehen. Nur wenn eine Gaswolke
oder ein Stern von ihrer extremen Gravitation in seiner Bahn beschleunigt wird,
können Astronomen die Existenz von Schwarzen Löchern nachweisen. "Unter
bestimmten Bedingungen entwickeln sich besonders viele Schwarze Löcher in einem
Sternhaufen", erläutert Dr. Sambaran Banerjee vom Tata Institute of
Fundamental Research im indischen Mumbai, der derzeit als
Alexander-von-Humboldt-Stipendiat in Bonn arbeitet. "Wir schlagen vor, dann von
einem 'Dunklen Sternhaufen' zu sprechen, der aus umeinander kreisenden Schwarzen
Löchern und einigen Sternen besteht."
Auf diese hypothetischen Objekte stießen die Bonner Astronomen als sie dabei
waren, die physikalischen Eigenschaften sterbender Sternhaufen zu erforschen.
Die auf Hochleistungscomputern durchgeführten Rechnungen ergaben überraschend,
dass sich solche "Dunkle Sternhaufen" bilden müssen. "Die Sterne führen in den
Haufen chaotische Tänze auf", fasst Kroupa das Ergebnis der Simulationen
zusammen. "Sie ziehen sich aufgrund der Schwerkraft gegenseitig an und wechseln
deshalb laufend die Bahn." Die Gravitation hält den Sternhaufen zunächst
zusammen, doch nach und nach gelingt es immer mehr masseärmeren Sternen zu
entkommen. "Die durch Supernovae entstandenen schwereren Schwarzen Löcher und
Neutronensterne reichern sich aber immer mehr an - der Sternhaufen wird deutlich
dunkler, weil diese Komponenten kein Licht aussenden." Daraus entwickeln sich
dann "Dunkle Sternhaufen".
Bei den Supernovae-Explosionen kann es jedoch passieren, dass die daraus
resultierenden Schwarzen Löcher stark beschleunigt und aus dem noch jungen
Sternhaufen herausgeschleudert werden. "Dieser Kick kann mit mehreren 100
Kilometern pro Sekunde erfolgen", so Banerjee. Damit gehen aber die Schwarzen
Löcher verloren und es kann sich kein "Dunkler Sternhaufen" entwickeln. "Je
näher der Sternhaufen am Zentrum der Milchstraße liegt, desto größer ist die
umgebende Gravitation", erläutert Kroupa. Dann können die masseärmeren Sterne im
Verlauf des Bestehens des Haufens schneller entkommen, als sich die Schwarzen
Löcher gegenseitig herausschießen können. "Unsere Berechnungen zeigen, dass
'Dunkle Sternhaufen' nur innerhalb eines Abstandes von ungefähr 15.000
Lichtjahren vom Zentrum der Milchstraße vorkommen können", so Banerjee. In
größerer Entfernung gelingt es den masseärmeren Sternen nicht schnell genug zu
entkommen und die dunkle Phase kann nicht erreicht werden kann.
"Bisher gab es keine Möglichkeit nachzuprüfen, ob die Schwarzen Löcher und
Neutronensterne überhaupt in den Sternhaufen bleiben", ergänzt Kroupa. "Anhand
der 'Dunklen Sternhaufen', die wir aufgrund unserer Berechnungen vorschlagen,
ist dies nun aber möglich." Einen "Dunklen Sternhaufen" erkenne man daran, dass
sich die noch verbleibenden Sterne in ihm deutlich schneller bewegen, als sie es
dürften. "Die Sterne scheinen von einer unsichtbaren Kraft oder Masse
zusammengehalten zu werden", so Banerjee. Diese Kraft sei die zusätzliche
Gravitation der im Sternhaufen vorhandenen Schwarzen Löcher und Neutronensterne.
"Astronomen können nun gezielt nach 'Dunklen Sternhaufen' suchen“, schlägt
Kroupa vor. "Wenn sie tatsächlich gefunden werden, dann ist eine neue exotische
Klasse von Himmelskörpern entdeckt." Die dann gewonnenen Erkenntnisse würden
auch das Verständnis für die Physik der Supernovae-Explosionen vervollkommnen.
"Außerdem müssten die Sternhaufen dann die Quelle von Gravitationswellen sein,
die Albert Einstein anhand seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt
hat."
Ihre Untersuchung veröffentlichen Banerjee und Kroupa jetzt in der
Fachzeitschrift The Astrophysical Journal Letters.
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