Temperaturmessung in der Vergangenheit
von Stefan Deiters astronews.com
17. Oktober 2011
Wissenschaftlern ist es erstmals gelungen, die
Oberflächentemperatur auf dem jungen Mars direkt zu bestimmen. Danach war es auf
dem Planeten einst tatsächlich deutlich feuchter und wärmer als heute. Zu dem
Resultat gelangten die Forscher durch die Analyse eines vier Milliarden Jahre
alten Meteoriten, der von der Oberfläche des Mars stammt.
Der Marsmeteorit ALH84001 ist rund vier
Milliarden Jahre alt.
Bild: NASA / JSC / Stanford University |
Die Wissenschaftler vom California Institute of Technology
(Caltech) untersuchten Carbonat-Minerale in dem bekannten Mars-Meteoriten
ALH84001, den man 1984 in der Antarktis gefunden hat. Der Meteorit ist rund vier
Milliarden Jahre alt und wurde durch einen Meteoriteneinschlag auf dem Mars vor
etwa 16 Millionen Jahren ins All geschleudert. Er ging dann vor etwa 13.000
Jahren in der Antarktis nieder. Im Inneren des Meteoriten hat sich Gestein aus
der Entstehungszeit des Brockens erhalten. Dessen Analyse ergab nun, dass sich
die dort entdeckten Carbonat-Minerale bei einer Temperatur von etwa 18 Grad
Celsius gebildet haben müssen.
"Faszinierend ist, dass 18 Grad Celsius nicht wirklich warm oder kalt ist",
meint Geobiologe Woody Fischer, der an der Untersuchung beteiligt war. "Es ist
ein bemerkenswertes Ergebnis." Die Temperatur in der Frühzeit des Mars verrät
den Wissenschaftlern einiges über das damalige Klima auf dem roten Planeten -
beispielsweise auch, ob es dort einmal flüssiges Wasser gab. Raumsonden und
Rover haben dafür inzwischen zahlreiche Anhaltspunkte gefunden. Da die
durchschnittliche Temperatur auf dem Mars heute -63 Grad Celsius beträgt,
bedeutet dies aber, dass es auf dem Planeten einmal deutlich wärmer gewesen sein
muss. Dafür gab es jedoch bislang keine direkten Belege - bis jetzt. "Es wurden
viele Ideen über ein wärmeres und feuchteres Klima auf dem Mars entwickelt", so
Fischer. "Es gab allerdings bislang kaum Datenmaterial, dass diese Vermutungen
auch stützt."
Die jetzt in einem Beitrag für die Proceedings of the National Academy of
Science (PNAS) vorgestellte Untersuchung liefert zumindest den ersten - und
bislang einzigen - Datenpunkt. "Sie beweist, dass es in der frühen Geschichte
des Mars zumindest einen Ort auf dem Planeten gab, auf dem es mindestens für
einige Stunden oder Tage ein erdähnliches Klima gegeben hat", urteilt der
Geologe und Geochemiker John Eiler, der auch an der Studie beteiligt war. Der
von den Forschern analysiere Marsmeteorit hatte Ende der 1990er Jahr für
Schlagzeilen gesorgt, weil einige Wissenschaftler glaubten, darin Lebensspuren
entdeckt zu haben (astronews.com berichtete).
"Es war teuflisch schwierig herauszufinden, wie die Carbonate überhaupt
entstanden sind", so sich Eiler. Im Prinzip seien dafür mehrere Prozesse
vorstellbar, die sich in ganz unterschiedlichen Temperaturbereichen abspielen -
von über 700 Grad Celsius bis unter den Gefrierpunkt. Um hinter dieses Geheimnis
zu kommen, haben die Forscher daher versucht, die Temperatur, bei der die
Carbonate entstanden sind, unabhängig zu bestimmen und zwar durch ein
Isotopenthermometrie genanntes Verfahren. Dazu hat das Team den Anteil der
beiden seltenen Isotope Sauerstoff-18 und Kohlenstoff-13 gemessen.
Carbonate bestehen aus Kohlenstoff und Sauerstoff, so dass sich bei ihrer
Entstehung auch Verbindungen zwischen den beiden seltenen Isotopen bilden - und
zwar umso häufiger, je niedriger die Temperatur ist. Aus der Messung dieses
Anteils lässt sich also auf die Temperatur schließen, die bei der Entstehung der
Carbonate geherrscht haben muss. Als Ergebnis erhielten die Wissenschaftler 18
Grad Celsius - mit einem Fehler von plus/minus vier Grad.
Damit scheiden viele zuvor vorgeschlagene Prozesse für die Entstehung der
Carbonate aus. Zudem müssen sie angesichts dieser milden Temperaturen in
flüssigem Wasser entstanden sein. "Carbonat-Minerale bilden sich bei 18 Grad
Celsius nicht anders als in flüssigem Wasser", so Eiler. Der sich daraus
ergebende Entstehungsprozess spricht nach Ansicht der Wissenschaftler allerdings
nicht für wirklich lebensfreundliche Bedingungen an der Stelle, an der sich die
Carbonate bildeten. Das Wasser dürfte nämlich innerhalb weniger Stunden wieder
verdampft sein.
Die Ergebnisse würden jedoch zeigen, dass es an einer bestimmten Stelle auf
dem Mars zumindest für kurze Zeit einmal in gewisser Weise erdähnliche
Umweltbedingungen gegeben hat. Ob die Funde in ALH84001 allerdings repräsentativ
für den gesamten Planeten sind oder nur eine lokale Besonderheit darstellen,
lässt sich bislang nicht sagen.
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