Radioblick auf den nördlichen Himmel
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
14. Oktober 2011
Seit 2009 führen Astronomen mit dem 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg
eine Durchmusterung des gesamten nördlichen Himmels durch. Sie
untersuchen dabei die 21-cm-Linienstrahlung des neutralen atomaren
Wasserstoffs der Milchstraße und ihrer Umgebung bis in eine Entfernung
von 750 Millionen Lichtjahren. Jetzt präsentierten sie erste Ergebnisse.
Karte eines ausgedehnten Bereichs um das
galaktische Antizentrum im Licht des atomaren
Wasserstoffs HI.
Bild: B. Winkel, EBHIS Team [Gesamtansicht] |
Seit Beginn des Jahres 2009 führt das 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg
unter Federführung des Argelander-Instituts für Astronomie eine
Durchmusterung des gesamten nördlichen Himmels durch. Wissenschaftler
des Argelander-Instituts für Astronomie der Universität Bonn und des
Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) untersuchen in dem von
der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten
Forschungsvorhaben die 21-cm-Linienstrahlung des neutralen atomaren
Wasserstoffs der Milchstraße und ihrer Umgebung bis in eine Entfernung
von 750 Millionen Lichtjahren. In der Fachzeitschrift Astronomy &
Astrophysics wurde nun eines der ersten wissenschaftlichen
Ergebnisse dieses "Effelsberg-Bonn HI Surveys" (EBHIS) als
"Highlight" veröffentlicht.
Mit dem 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg wird der gesamte nördliche
Himmel im Licht des häufigsten Elements des Universums, des atomaren
Wasserstoffs (HI), kartiert. Noch nie zuvor wurde ein solches Projekt
mit einem der größten Radioteleskope der Welt für den Nordhimmel
unternommen. Unter der Leitung von Jürgen Kerp führt ein Team von
Wissenschaftlern des Argelander-Instituts und des MPIfR dieses
einzigartige Projekt durch. Neben der lokalen Umgebung unserer Sonne
werden die gesamte Milchstraße sowie alle Galaxien bis zu einer
Entfernung von 750 Millionen Lichtjahren simultan erfasst.
Die riesige Sammelfläche des 100-Meter-Radioteleskops und ein spezieller
7-Horn-Empfänger bei 21 cm Wellenlänge machen dieses ambitionierte
Projekt überhaupt erst möglich. Der neue Effelsberg-Bonn HI-Survey
(EBHIS) reiht sich in eine lange Tradition von Himmelsdurchmusterungen
der Bonner Radioastronomen ein. Peter Kalberla vom Argelander-Institut
war 2005 federführend an der Realisierung der Leiden/Argentine/Bonn
(LAB) Durchmusterung beteiligt. Sie stellt heute eine der meistzitierten
Veröffentlichungen innerhalb der Radioastronomie dar. Gemeinsam mit dem
Bonner Team unterstützte er auch die australischen Kollegen bei ihrer
HI-Kartierung des gesamten südlichen Himmels mit dem
64-Meter-Parkes-Teleskop.
Der wissenschaftliche Nutzen solcher Himmelsdurchmusterungen liegt darin
begründet, dass hochenergetische Strahlung (wie etwa Röntgenlicht) von
sehr weit entfernten Galaxien das Gas der Milchstraße durchdringen muss,
bevor es von irdischen Teleskopen detektiert werden kann. Leider wird
diese Strahlung dabei stark abgeschwächt. Die Radiobeobachtungen
erlauben nun, diese Abschwächung exakt zu bestimmen und damit die
gemessenen Werte der hochenergetischen Strahlung zu korrigieren.
Benjamin Winkel vom MPIfR ist seit Beginn an dem Projekt beteiligt. Er
kombinierte mit dem Bonner Team und Philipp Richter von der Universität
Potsdam die neuen EBHIS-Daten mit denjenigen der Parkes-Himmelsdurchmusterung
(Galactic All-Sky Survey, GASS). Dabei untersuchte er im Detail einen "Galactic
Center Negative" (GCN) genannten Hochgeschwindigkeitswolken-Komplex .
"Die statistische Untersuchung der Wolken gibt Aufschluss über den
Ursprung und die physikalischen Eigenschaften von Komplex GCN",
erläutert er. "Unsere jetzt veröffentlichte Arbeit gibt Hinweise darauf,
dass das Gas auf die Scheibe der Milchstraße stürzt."
Die vielen kleinen Wolken lösen sich durch Wechselwirkungsprozesse
langsam auf; sie werden ionisiert. Das Wasserstoffatom trennt sich dabei
in ein Proton und ein Elektron auf und die Wolken sind mit dem
Radioteleskop nicht mehr direkt messbar. Es wird vermutet, dass bislang
nur die Spitze des Eisbergs von Komplex GCN beobachtet wird. Die
"Einverleibung" oder Akkretion von frischem Gas in die Milchstraße
spielt für die Astronomen eine zentrale Rolle, um die beobachtete
konstante Sternentstehungsrate in der Milchstraße erklären zu können.
"Die Untersuchung von Hochgeschwindigkeitswolken hat eine lange
Tradition an unserem Institut", erklärt Nadya Ben Bekhti vom Argelander-Institut.
"Es handelt sich dabei um riesige Strukturen aus kaltem Gas, die sich im
Halo unserer Milchstraße befinden." Die erheblich verbesserte
Empfindlichkeit und Auflösung der neuen Kartierungen (EBHIS und GASS)
gegenüber der älteren LAB-Kartierung zeigt nun erstmalig, dass zumindest
der Komplex GCN nicht, wie lange geglaubt, von wenigen großen diffusen
Objekten dominiert wird. Er besteht vielmehr aus Hunderten von winzigen
Wölkchen.
Für mehr als ein Jahrzehnt werden EBHIS und GASS als eine der
wesentlichen Ressourcen für die radioastronomische Forschung dienen.
Danach wird das Square Kilometer Array (SKA), das Radioteleskop
der Zukunft, ein völlig neues Kapitel der Radioastronomie aufschlagen.
Die heutigen Kartierungen werden aber auch dann noch unentbehrlich sein,
um die mit dem SKA gewonnenen Daten absolut zu eichen.
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