Massenmessung verrät Entwicklungsgeschichte
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
10. Oktober 2011
Mit einem neuen Verfahren ist es Astronomen gelungen, die
Masse einer fast neun Milliarden Lichtjahre entfernten aktiven Galaxie direkt zu
bestimmen. Solche Messungen erlauben es, die gemeinsame Entwicklung von Galaxien
und ihrer Schwarzen Löcher genauer zu rekonstruieren, als es bislang möglich
war. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Entwicklung der Galaxien wohl relativ
gemächlich verlaufen ist.

Die Farben in
diesem Bild der Galaxie J090543.56+043347.3
zeigen an, ob und wie schnell sich das Gas in dem
betreffenden Bereich der Galaxie auf uns zu oder
von uns weg bewegt. Aus diesen Informationen
haben die Forscher die dynamische Masse der
Galaxie rekonstruiert.
Bild: K. J. Inskip / MPIA [Großansicht]

Die Galaxie J090543.56+043347.3
ist auf dieser Aufnahme des Sloan Digital Sky Survey
nicht mehr als ein Lichtpunkt.
Bild: Sloan Digital Sky Survey |
Eine der spannendsten astronomischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ist
die Erkenntnis, dass die meisten Galaxien in ihren Zentralregionen gigantische
Schwarze Löcher enthalten und dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der
Masse eines solchen Schwarzen Lochs und der Masse der zugehörigen Galaxie gibt (astronews.com
berichtete wiederholt). Wenn Astronomen immer weiter entfernte Objekte im Kosmos
beobachten, dann blicken sie damit automatisch weiter und weiter in die
Vergangenheit. Und wer unterschiedlich weit entfernte Galaxien untersucht, kann
direkt nachmessen, ob sich der Zusammenhang zwischen der Masse einer Galaxie und
der Masse ihres zentralen Schwarzen Lochs mit der Zeit verändert hat.
Für Galaxien in mehr als fünf Milliarden Lichtjahre Entfernung haben
derartige Untersuchungen allerdings mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die
Massenmessung am Schwarzen Loch ist dabei vergleichsweise einfach möglich:
Typischerweise betrachtet man so genannte aktive Galaxien, bei denen sich die
Masse des Schwarzen Loches mit gut etablierten Methoden abschätzen lässt. Die
Herausforderung ist die Bestimmung der Masse der Galaxie als Ganzes. Bei so
großen Entfernungen liefern die herkömmlichen Methoden zur Massenbestimmung nur
noch sehr unsichere Ergebnisse – wenn überhaupt.
Nun hat ein Team von Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie unter
der Leitung von Dr. Katherine Inskip erstmals gleichzeitig die Masse sowohl
einer Galaxie als auch ihres zentralen Schwarzen Lochs direkt bestimmt - mit
einer neu entwickelten Methode, die sich auch auf andere ferne Galaxien anwenden
lässt. Astronomen kennen die Galaxie unter der Bezeichnung J090543.56+043347.3,
die auch ihre Position am Himmel verrät. Sie ist 8,8 Milliarden Lichtjahre von
der Erde entfernt.
Den Astronomen gelang es jetzt, direkt die so genannte dynamische Masse
dieser aktiven Galaxie zu messen. Dabei geht es um folgendes: Sterne und
Gaswolken einer Galaxie umkreisen langsam das galaktische Zentrum; unsere Sonne
beispielsweise vollendet in etwa alle 250 Millionen Jahre einen solchen Umlauf
um das Zentrum der Milchstraße. Die Umlaufgeschwindigkeiten der Sterne und
Wolken hängen direkt von ihrem Abstand vom Zentrum und davon ab, wie die Masse
innerhalb der Galaxie verteilt ist. Wer diese Umlaufgeschwindigkeiten messen
kann, kann daraus auch die Gesamtmasse der Galaxie bestimmen.
Allerdings ist solch eine Massenbestimmung ungleich leichter gesagt als
getan. Um ihre Messung durchzuführen und ein zuverlässiges Ergebnis für die
dynamische Masse von J090543.56+043347.3 zu erhalten, mussten die Astronomen bei
Beobachtung und Datenanalyse beachtlichen Aufwand treiben. Kombiniert mit dem
Massenwert für das Schwarze Loch, den die Forscher aus denselben Daten ableiten
konnten, zeigt sich: Der Zusammenhang der beiden Massen ist bei dieser weit
entfernten Galaxie der gleiche wie in unserer unmittelbaren galaktischen
Nachbarschaft. Offenbar hat sich zwischen damals und heute nicht allzu viel
getan.
Zumindest bis zu dieser Entfernung, also neun Milliarden Jahre in der
Vergangenheit, ist der Zusammenhang zwischen Galaxien und Schwarzen Löchern der
gleiche wie für heutige Galaxien. Inskip und ihre Kollegen sind eifrig dabei,
ihre neue Methode auf eine Stichprobe von 15 weiteren Galaxien anzuwenden.
Bestätigen diese das Ergebnis, dann hätten die meisten Galaxien in den
vergangenen 9 Milliarden Jahren - also für mehr als die Hälfte kosmischer
Geschichte überhaupt - ein eher beschauliches Leben geführt und sich nur sehr
allmählich und in begrenztem Umfang verändert.
Die Daten für die Untersuchung wurden mit dem Instrument SINFONI am Very
Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO gewonnen. SINFONI
ist ein räumlich auflösender Spektrograf, mit dem sich für jeden einzelnen
Bildpunkt ein Spektrum aufnehmen lässt. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift
Astrophysical Journal veröffentlicht.
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