Radioatlas der Milchstraße
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
24. August 2011
Ein deutsch-chinesisches Projekt zur Untersuchung der polarisierten
Radiostrahlung in der Milchstraße konnte jetzt nach zehn Jahren
erfolgreich abgeschlossen werden. Der daraus resultierende Radioatlas
der Milchstraßenebene umfasst eine Fläche von über 2.000 Quadratgrad am
Himmel. Auch zwei neue Supernova-Überreste wurden im Rahmen des
Projektes aufgespürt.

G25.1-2.3 - einer der zwei neuen
Supernova-Überreste, die im Zuge der Kartierung
der Milchstraße bei 6 Zentimeter Wellenlänge mit
dem 25-m-Radioteleskop bei Urumqi entdeckt werden
konnten.
Bild: NAOC / MPIfR |
Prof. JinLin Han, Leiter der Forschergruppe zur Untersuchung von
kompakten Objekten und dem diffusen interstellaren Medium an den
National Astronomical Observatories der chinesischen Akademie der
Wissenschaften und Prof. Richard Wielebinski, emeritierter Direktor am
Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), hatten im Jahr
2001 ein gemeinsames Forschungsprojekt zur Untersuchung von
Magnetfeldern in unserer Milchstraße begonnen. Der daraus resultierende
Atlas der 6-cm-Radiostrahlung der Milchstraße mit dem
25-m-Urumqi-Radioteleskop des Xinjiang-Observatoriums hat eine
vergleichbare Winkelauflösung mit dem am 100-m-Radioteleskop Effelsberg
des MPIfR erstellten Atlas der Milchstraße bei 21 Zentimeter
Wellenlänge. Aus der Analyse zweier umfangreicher Himmelskartierungen
bei ähnlichen Winkelauflösungen erhoffen sich die Wissenschaftler ein
besseres Verständnis der Vorgänge im interstellaren Medium.
Im Rahmen der Vereinbarung zwischen der Max-Planck-Gesellschaft und der
chinesischen Akademie der Wissenschaften hat die Partnergruppe des MPIfR
am NAOC den Bau des 6-cm-Empfängers durch das MPIfR in Effelsberg
unterstützt und diesen Empfänger dann am 25-m-Radioteleskop in Urumqi
eingebaut. Mit zusätzlicher Unterstützung durch die Mannschaft des
Xinjiang-Observatorium wurden von der Partnergruppe Beobachtungen von
insgesamt über 4.500 Stunden mit diesem System durchgeführt.
Die so entstandene Radiokarte umfasst das nördlichen Teil unserer
Milchstraße in einem Bereich zwischen 10 Grad und 230 Grad in
galaktischer Länge und zwischen -5 Grad und +5 Grad in galaktischer
Breite. Das gemessene Feld umfasst insgesamt 2.200 Quadratgrad. Mit 5
Ghz (entsprechend 6 Zentimeter Wellenlänge) ist es die höchste Frequenz,
bei der jemals eine umfangreiche Kartierung der polarisierten
Radiostrahlung mit erdgebundenen Instrumenten durchgeführt wurde.
Das interstellare Medium unserer Milchstraße, bestehend aus
Magnetfeldern, Elektronen, atomarem Gas und anderen Komponenten, hat
einen zunehmenden Einfluss auf Polarisationsmessungen bei immer
niedrigeren Frequenzen. Daher erfassen die Messungen der Polarisation
bei 6 Zentimetern Wellenlänge auch Magnetfelder in wesentlich größerem
Abstand als bei Messungen mit größerer Wellenlänge und damit niedrigerer
Frequenz.
Die Partnergruppe hat sich bei ihren Untersuchungen vor allem auf die
Eigenschaften von Bereichen ausgedehnter diffuser Strahlung
konzentriert, aber auch ausgedehnte Objekte in ihrer Struktur
beobachtet, die von größeren Radioteleskopen nicht mehr erfasst werden
können. Dazu gehören dichte ionisierte Wolken, die sogenannten
HII-Regionen, und Supernova-Überreste, die nach der Explosion von
Sternen zurückbleiben. Eine Handvoll eigentümlicher Klumpen mit sehr
starkem regulärem Magnetfeld, sogenannte Faraday-Screens, konnten
ebenfalls aufgespürt werden.
Die Radiodaten bei 6 Zentimeter Wellenlänge tragen maßgeblich zur
Bestimmung der Spektren galaktischer Radioquellen bei. Bei der Analyse
der Radiodaten konnte die Partnergruppe zwei irrtümlich als
Supernova-Überreste identifizierte Objekte als thermische Radioquellen
klassifizieren, aber auch nachweisen, dass es sich bei zwei sehr
schwachen Radioquellen um Supernova-Überreste handelt, die am Himmel
etwa eine Ausdehnung von einem Grad haben. Es sind die ersten Quellen
dieser Art, die mit einem chinesischen Radioteleskop entdeckt werden
konnten. Bisher sind lediglich 270 Supernova-Überreste in unserer
Milchstraße bekannt.
"Im Zuge unserer Arbeit an diesem Projekt konnten insgesamt fünf
Doktorarbeiten in unserer Forschungsgruppe fertiggestellt werden", so
JinLin Han, der Leiter der Partnergruppe in Peking. "Unsere
Zusammenarbeit hat die Entwicklung der Radioastronomie in China deutlich
verstärkt. Damit ist das Ziel der Partnergruppe in exzellenter Weise
erreicht worden." Die Resultate des Forschungsprojekts umfassen 24
wissenschaftliche Publikationen seit 2002. "Durch gegenseitige Besuche
in den beteiligten Instituten wurde eine ganze Reihe von persönlichen
Kontakten etabliert", blickt Prof. Wielebinski zurück. "Wir haben von
deutscher Seite aus eine gute Kooperation mit unseren chinesischen
Kollegen aufgebaut. Was mit der Partnergruppe gestartet wurde, wird auch
weiterhin auf persönlicher Basis fortgesetzt."
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