GEO600 und Virgo messen gemeinsam
Redaktion
/ Pressemitteilung des GEO600-Projektes astronews.com
8. August 2011
Wissenschaftler der beiden Gravitationswellen-Observatorien
GEO600 bei Hannover und Virgo in Italien haben mit einer gemeinsamen
Messkampagne begonnen, die bis September 2011 andauern wird. Dabei messen beide Observatorien erstmals gemeinsam in
höheren Frequenzbereichen. Gleichzeitig werden Technologien für die zweite
Generation der Gravitationswellendetektoren getestet.

Luftbild des
Gravitationswellen-Observatoriums Virgo bei Pisa.
Foto: EGO (Cascina/Pisa, Italien)
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Für Virgo ist es der letzte dieser sogenannten "Science Runs" vor dem Umbau
zu einem Gravitationswellen-Detektor der nächsten Generation, zu Advanced
Virgo. Trotz unterschiedlicher Armlängen von 600 Metern bei GEO600 und
3.000 Metern bei Virgo, haben beide Detektoren aufgrund innovativer
Detaillösungen im Bereich von 1kHz bis 6kHz inzwischen die gleiche
Empfindlichkeit. Sie könnte ausreichen, um Gravitationswellen von
Sternenexplosionen zu messen. Der direkte Nachweis der von Albert Einstein
vorausgesagten Gravitationswellen, also winzigen Verzerrungen der Raumzeit,
gehört zu den wichtigsten offenen Fragen der modernen Wissenschaft.
Sobald die direkte Beobachtung von Gravitationswellen gelingt, dürfte damit die
Ära der Gravitationswellenastronomie eingeläutet werden, durch die vollkommen
neue Einblicke in unser Universum möglich werden sollten. Man wird, so hoffen
die Wissenschaftler, beispielsweise zurück bis in die erste Billionstel Sekunde
des Universums sehen und viele Rätsel über die Entstehung des Universums lösen
können. Bisherigen Beobachtungsmethoden blieben diese Einsichten verwehrt.
"Vergleicht man die Empfindlichkeiten von GEO600 und Virgo, sieht man
sehr gut, dass beide Detektoren in einem Frequenzbereich ab etwa 600 kHz und
höher eine vergleichbare Messempfindlichkeit erreichen", erklärt Dr. Hartmut
Grote, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
(Albert-Einstein-Institut/AEI). "Für uns ist es deshalb sehr interessant, jetzt
in diesem Bereich mit Virgo zusammen nach möglichen Gravitationswellen
von Supernova-Explosionen oder Gammastrahlen-Ausbrüchen zu suchen."
Die Wissenschaftler vermuten, dass Gammastrahlen-Ausbrüche beispielsweise von
sich umkreisenden und miteinander verschmelzenden Neutronensternen oder
Schwarzen Löchern stammen könnten. Diese würden starke Gravitationswellen
aussenden und sind damit interessante bekannte Referenzen für die
Gravitationswellen-Suche. Die erwarteten Frequenzen hängen von der Masse der
Objekte ab und können sich bis in den kHz-Bereich erstrecken. Die Signalstärke
nimmt allerdings mit zunehmender Frequenz ab. Die Häufigkeit potentieller
Messungen hängt daher stark von der Empfindlichkeitskurve der beiden Detektoren
ab.
Virgo wird während des "Science Runs" auch nach Signalen des
Vela-Pulsars suchen, dem Überrest einer großen Supernova-Explosion. Er sendet
regelmäßige Pulse elektromagnetischer Strahlung aus - und zwar in
Frequenzbereichen von Gamma-Strahlung bis zu Radiowellen. Seine
Gravitationswellen-Frequenz liegt bei etwa 20Hz und könnte in diesem Science
Run nur von Virgo wahrgenommen werden.
Nach Abschluss des gemeinsamen "Science Runs" wird Virgo bis etwa
2014/2015 in die Umbauphase gehen. GEO600 wird in dieser Zeit als einziges
laser-interferometrisches Gravitationswellen-Observatorium weltweit die Stellung
halten – zusammen mit den italienischen Niedrigtemperatur- und
Resonanz-Detektoren. In dieser Zeit können Gravitationswellen von kosmischen
Ereignissen gemessen werden, die gleichzeitig von anderen Teleskopen,
beispielsweise Gammastrahlen- oder Röntgen-Satelliten, beobachtet werden.
GEO600 hat mit seinen im Vergleich zu Virgo und dem amerikanischen LIGO
deutlich kürzeren Armen den Einfallsreichtum der Wissenschaftler immer wieder
angespornt. Auf diese Art und Weise wurden Technologien entwickelt, die heute
auch in anderen Gravitationswellen-Observatorien eingesetzt werden und für eine
höhere Empfindlichkeiten und stabile Messungen sorgen. "Im Bereich hoher
Frequenzen sind wir besonders empfindlich", so Grote. "Wir haben dies unter
anderem mit einer um 50 Prozent höheren Laser-Leistung geschafft. Der
wesentliche Schritt ist aber der Einsatz von dem, was wir gequetschtes Licht
oder auch Squeezing nennen. Wir haben es im vergangenen Jahr in GEO600
eingebaut und testen es nun erstmals in einem offiziellen Science Run."
Viele der neuen Technologien für die Detektoren der nächsten Generation wurden
und werden in GEO600 entwickelt und getestet. Dazu gehören das sogenannte Signal
Recycling", eine Technologie zur Verstärkung des Gravitationswellensignals,
monolithische Aufhängungen (spezielle Glasfasern) der optischen Spiegel, die
thermisch bedingte Messungenauigkeiten stark reduzieren sowie elektrostatische
Aktuatoren, die die Spiegel der Laserinterferometer am optimalen Arbeitspunkt
halten und geringere Störungen verursachen als die bisher verwendeten
elektromagnetischen Aktuatoren.
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