Spuren von fließendem Wasser?
von Stefan Deiters astronews.com
5. August 2011
Schon seit Längerem fragen sich Astronomen, ob es auf der
Marsoberfläche noch heute flüssiges Wasser gibt. Jetzt entdeckten sie auf
Aufnahmen der NASA-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter die wohl besten
Indizien dafür. Ganz klar ist den Forschern allerdings noch nicht, was auf den
neuen Bildern zu sehen ist - Wasser ist es nämlich nicht.

Potentielle Wasserspuren am Hang des
Newton-Kraters auf dem Mars. Auf dem Bild wurden
die Farben verstärkt und die Daten so projiziert,
dass ein dreidimensionaler Eindruck entsteht. Die
zugrunde liegende Aufnahme des Mars
Reconnaissance Orbiters stammt vom 30. Mai 2011. Bild:
NASA / JPL-Caltech / Univ. of Arizona [Großansicht] |
"Das NASA-Programm zur Erforschung des Mars bringt uns immer
näher an die Beantwortung der Frage, ob es auf dem Roten Planeten Leben in
irgendeiner Form geben könnte", lobte NASA-Administrator
Charles Bolden pflichtgemäß die Arbeit seiner Organisation. "Zugleich
machen die Ergebnisse noch einmal deutlich, dass der Mars ein wichtiges
zukünftiges Ziel für eine bemannte Erforschung ist." Anlass für die
Stellungnahme Boldens und einen medienwirksam angekündigten Auftritt einer Reihe
von NASA-Wissenschaftlern war die Entdeckung von dunklen, fingerähnlichen
Strukturen, die man auf Bildern der NASA-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter
(MRO) an einigen steilen Hängen in mittleren Breiten auf der Südhalbkugel des
Mars entdeckt hatte. Diese Strukturen werden im Sommer größer, gehen im Winter
zurück und erscheinen dann im darauffolgenden Frühling erneut.
"Die beste Erklärung für diese Beobachtungen ist bislang der Fluss von
Salzwasser", erläutert Alfred McEwen von der University of Arizona, der
verantwortliche Wissenschaftler des Kamerasystems HiRISE (High Resolution
Imaging Science Experiment) an Bord des MRO. Obwohl einiges an den
Strukturen noch rätselhaft erscheint, würde die Salzwasser-Erklärung besser
passen als alle andere Hypothesen. An den Stellen, an denen die Strukturen auf
dem Marsboden beobachtet wurden, wird es im Sommer so warm, dass Wasser mit
einem Salzgehalt, der etwa dem der irdischen Ozeane entspricht, hier flüssig
vorkommen könnte. Reines Wasser wäre hingegen noch gefroren.
"Diese dunklen Linien unterscheiden sich von anderen Strukturen, die an
verschiedenen Hängen auf dem Mars beobachtet wurden", erklärt Richard Zurek,
Projektwissenschaftler für den MRO am Jet Propulsion Laboratory der
NASA. "Wiederholte Beobachtungen haben gezeigt, dass sie sich in der warmen
Jahreszeit immer weiter bergab ausdehnen." Die Strukturen auf den Bildern sind
etwa einen halben bis fünf Meter breit und erreichen eine Länge von einigen 100
Metern. An einigen Stellen haben die Wissenschaftler über 1.000 individuelle
potentielle Fließspuren entdeckt.
Vom Frühling bis zu Beginn des Herbstes werden die Spuren dunkler und länger.
Aus ihrer Lage, dem Aussehen und den Helligkeitsänderungen schließen die
Forscher, dass sie durch ein verdampfendes Material entstanden sein müssen. Da
es an den Stellen aber zu warm für Kohlendioxid-Frost und oft auch zu kalt für
reines Wasser ist, bleibt als beste Alternative Salzwasser, das einen
niedrigeren Gefrierpunkt hat. Direkt beobachtet hat man dieses allerdings nicht.
Auch Untersuchungen mit dem Spektrometer an Bord von MRO ergaben keine Hinweise
auf Wasser. Es könnte also schnell verdunstet sein oder sich dicht unter der
Oberfläche befinden.
"Die Spuren sind nicht deswegen dunkel, weil sie nass sind", unterstreicht
McEwen. "Sie sind aus irgendeinem anderen Grund dunkel." So könnte fließendes
Salzwasser beispielsweise die Anordnung der Sandkörner auf dem Boden oder die
Beschaffenheit der Oberfläche so verändert haben, dass sie nun dunkler
erscheint. Wieso die Spuren allerdings später wieder heller werden, ist deutlich
schwieriger zu erklären: "Das ist uns noch ein Rätsel, doch sollte es mit
weiteren Beobachtungen und Laborexperimenten zu lösen sein", hofft McEwen.
Für die Wissenschaftler stellt dieser Fund den bislang besten Hinweis darauf
dar, dass es noch heute auf der Oberfläche des Mars flüssiges Wasser gibt.
Gefrorenes Wasser hatte man zuvor schon an zahlreichen Orten entdeckt. Auf
früheren Bildern waren auch bereits Fließspuren zu sehen, die auf die Bewegung
von Wasser zurückzuführen sein könnten. Bei manchen hatte es sogar Hinweise
gegeben, dass es sich dabei um Spuren handelt, die vor nicht allzu langer Zeit
entstanden sein müssen.
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