Faszinierende Vulkanregion entdeckt
von Stefan Deiters astronews.com
26. Juli 2011
Astronomen haben unter Verwendung von detaillierten
Aufnahmen der Sonde Lunar Reconnaissance Orbiter eine faszinierende
Vulkanregion auf der erdabgewandten Seite des Mondes identifiziert. Das Gebiet
war den Forschern erstmals 1998 aufgefallen und ist seitdem als Compton-Belkovich-Thorium-Anomalie
bekannt.

Die
Zentralregion der Compton-Belkovich-Thorium-Anomalie
erscheint auch im sichtbaren Bereich des Lichts
ungewöhnlich hell, wie dieses Bild des Lunar
Reconnaissance Orbiters zeigt.
Bild: NASA / GSFC / ASU / WUSTL / S.
Wiseman und B. Jolliff [Großansicht] |
Bei der jetzt entdeckten Region handelt es sich um ein Gebiet, das
durch Lavaeruptionen mit einer ungewöhnlichen Zusammensetzung entstanden ist.
Die Gegend, in der bereits 1998 mit Hilfe der Sonde Lunar Prospector
eine erhöhte Konzentration von radioaktivem Thorium nachgewiesen wurde, liegt
zwischen den alten Einschlagkratern Compton und Belkovich und wird seitdem als
Compton-Belkovich-Thorium-Anomalie bezeichnet. Im Zentrum dieser Region konnten
Astronomen nun auf Bildern der NASA-Sonde Lunar Reconnaissance Orbiter
eine Landschaft erkennen, die eindeutig von Vulkanismus geprägt wurde, wobei
dabei Magma mit einem sehr hohen Silikatgehalt an die Oberfläche gelangt sein
dürfte, was auf dem Mond ansonsten eher selten ist.
Die beteiligten Wissenschaftler gehen davon aus, dass schon die Entdeckung
dieser Region dazu führen dürfte, dass man die bisherigen Vorstellungen über den
Vulkanismus auf dem Erdtrabanten revidieren muss. "Die Hinweise auf diese sehr
ungewöhnliche Zusammensetzung an diesem Ort verbunden mit der Tatsache, dass es
sich offenbar um relativ jungen Vulkanismus handelt, sind vollkommen neue
Ergebnisse, die uns über die thermische und vulkanische Entwicklung des Mondes
neu nachdenken lassen", so Bradley Jolliff von der Washington University
in St. Louis. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in der
aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Geoscience.
Wegen der geringeren Größe des Mondes hat der Vulkanismus dort eine deutlich
andere Entwicklung genommen als auf der Erde. Nach der Entstehung des Mondes
dürfte sich das geschmolzene Magma innerhalb von nur 100 Millionen Jahren
abgekühlt haben, so dass eine feste Kruste entstanden ist, die sich noch heute
in den Hochländern des Mondes findet. Vor drei bis vier Milliarden Jahren kam es
dann zu einer Phase mit heftigen Vulkanausbrüchen, bei denen alte
Einschlagbassins mit basaltischer Lava geflutet wurden. Diese Lava enthält einen
hohen Anteil an Eisen und Magnesium. Fast ein Drittel der erdzugewandten Seite
ist von solchen dunklen Lavaflächen überzogen, die auch als Mondmeere bezeichnet
werden. Auf der erdabgewandten Seite gibt es hingegen kaum Mondmeere.
Außer basaltischem Vulkanismus hat man auf dem Mond aber auch vereinzelte
Vorkommen von Vulkanismus entdeckt, bei dem Lava mit einem hohen Anteil von
Silizium und Aluminium an die Oberfläche gelangte. Bislang hat man diese Form
des Vulkanismus, zusammen mit der deutlich häufigeren basaltischen Form, nur in
bestimmten Regionen mit einer charakteristischen geologischen Zusammensetzung
entdeckt. Das jetzt identifizierte Gebiet vulkanischen Ursprungs mit einem
Durchmesser von 25 bis 35 Kilometern liegt hingegen isoliert auf der
erdabgewandten Seite und rund 900 Kilometer vom nordöstlichen Ausläufer einer
solchen Region entfernt.
Um sich zu vergewissern, dass das entdeckte Gelände tatsächlich vulkanischen
Ursprungs ist, werteten die Wissenschaftler detaillierte Bilder der NASA-Sonde
Lunar Reconnaissance Orbiter aus und erstellten unter anderem
dreidimensionale Geländemodelle. Dabei stießen sie auf eindeutige Indizien
dafür, dass die Landschaft dort durch Vulkanismus geprägt worden ist. Mit einem
thermischen Radiometer an Bord der Sonde konnten sie zudem nachweisen, dass das
Gestein ein hohen Silikatanteil hat. "Das ist sehr ungewöhnlich", meint Jolliff,
da es auf dem Mond nur etwa ein halbes Dutzend anderer Strukturen geben würde,
die einen hohen Silikatanteil aufweisen.
Jolliff und sein Team wissen nicht, wie alt die von ihnen entdeckte
Vulkanregion ist, vermuten aber, dass sie deutlich jünger ist, als die meisten
anderen vulkanischen Strukturen. Eine eindeutige Altersbestimmung wäre nur durch
die Untersuchung von Gesteinsproben möglich. Doch deuten die wenigen
Einschlagkrater in dem Gebiet darauf hin, dass es wesentlich jünger ist als
andere vulkanische Geländeformationen.
Was die vulkanische Aktivität zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt in
der geologischen Entwicklung des Mondes ausgelöst haben könnte, ist den
Wissenschaftlern noch ein Rätsel. Sollte der Mond aber tatsächlich noch über
einen geschmolzenen äußeren Kern verfügen, ließe sich ein solcher Ausbruch auf
diesen zurückführen. Ob der äußere Kern des Mondes tatsächlich geschmolzen ist,
soll unter anderem die NASA-Mission GRAIL klären, deren Start noch in diesem
Jahr geplant ist. Ansonsten, so Jolliff, gilt es den Mond weiter zu untersuchen,
auch mit bemannten Missionen. Er sei schließlich ein nahegelegener und
geologisch äußerst interessanter Nachbar im All.
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