Neues vom Riesensturm auf Saturn
von Stefan Deiters astronews.com
7. Juli 2011
Seit Anfang Dezember 2010 beobachten Wissenschaftler mithilfe der Sonde Cassini einen gewaltigen Sturm auf der Nordhalbkugel des Saturn,
der sich inzwischen um den gesamten Planeten erstreckt und eine Fläche von rund
vier Milliarden Quadratkilometer überdeckt. Es ist das erste Mal, dass ein
so großes Sturmsystem auf dem Ringplaneten aus der Nähe untersucht werden kann.

Diese Aufnahme
der Sonde Cassini vom 25. Februar 2011 zeigt den
eindrucksvollen Sturm auf der Nordhalbkugel des
Ringplaneten.
Bild: NASA/JPL-Caltech/Space Science
Institute [Großansicht] |
Der Sturm ist etwa 500-mal größer als das Sturmsystem, das Cassini
über einige Monate in den Jahren 2009 und 2010 verfolgen konnte. In einem heute
in der Wissenschaftszeitschrift Nature erscheinenden Artikel beschreibt
ein internationales Forscherteam ihre Messungen mit dem Radio and Plasma Wave Science (RPWS)-Instrument sowie
die Auswertung von Bildern
des Sturmsystems, die zwischen Dezember 2010 und Februar 2011 gemacht worden
waren. Sie stellten so fest, dass es in diesem Sturmsystem
rund zehnmal häufiger zu Blitzentladungen kommt als in anderen Stürmen, die Cassini bislang beobachtet hat.
"Der Saturn ist nicht wie die Erde oder Jupiter, wo Stürme relativ häufig
sind", erläutert Andrew Ingersoll, ein Mitglied des Cassini Imaging Teams am
California Institute of Technology, der an der Untersuchung beteiligt war. "Auf
dem Saturn kann das Wettergeschehen über Jahre sehr ruhig sein und sich dann
ganz plötzlich ändern. Ich bin begeistert, dass dies gerade passiert ist, also
wir hingeschaut haben."
In seiner Hochzeit kam es in dem aktuellen Sturm zu mehr als zehn Blitzentladungen pro
Sekunde. Das RPWS hatte in dieser Zeit, trotz eines Auflösungsvermögens im
Millisekundenbereich, daher Probleme, die einzelnen Signale zu trennen. Von den
am 15. März 2011 registrierten Geräuschen - die Häufigkeit der Blitze war damals etwas
geringer -
erstellten die Forscher eine elf Sekunden lange Tondatei, die einen Zeitraum von 57
Sekunden Beobachtungen zusammenfasst [MP3-File
| wav-File | Quelle:
NASA/JPL-Caltech/University of Iowa].
Cassini hat bislang zehn Gewitterstürme auf dem Saturn entdeckt. Als die
Sonde den Ringplaneten erreichte, herrschte auf dessen Südhalbkugel Sommer, so
dass diese nicht durch den Schatten des Ringsystems verdunkelt wurde. Die Stürme
konzentrierten sich dabei in einer Region, die bald den Spitznamen "Storm Alley"
bekam. Seit August 2009 änderten sich jedoch die Beleuchtungsverhältnisse: Auf
der Nordhalbkugel des Planeten begann der Frühling.
"Das faszinierende an diesem Sturm ist, dass er beweist, wie die sich
ändernden Jahreszeiten und damit der veränderte Einfall des Sonnenlichts für eine Veränderung des
Wetters sorgen können", erläutert Georg Fischer von der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften in Graz, der Hauptautor des Nature-Artikels. "Ich
habe schon länger eine jahreszeitliche Abhängigkeit der Stürme vermutet und
für Ende 2010 einen Sturm in der nördlichen Hemisphäre vorhergesagt. Dass er
aber so riesig wird, hätte ich nicht gedacht." Der gewaltige Sturm befindet sich
bei etwa 35 Grad nördlicher Breite.
Die jetzt vorgestellten Ergebnisse sind die ersten Resultate der Kampagne
"Saturn Storm Watch". Dabei visiert Cassini in der Zeit zwischen geplanten
Beobachtungen bestimmte Regionen auf Saturn an, in denen die Wissenschaftler einen
Sturm für möglich halten. Am gleichen Tag, an dem das RPWS eine erste
Blitzentladung registrierte, konnten so die Kameras an Bord der Sonde auch ein
Bild einer kleinen, hellen Wolke machen. Fischer bat dann Amateurastromen um
Mithilfe, die in den folgenden Wochen eine Vielzahl von Bildern lieferten, auf
denen deutlich zu erkennen ist, wie der Sturm schnell immer weiter anwuchs, bis
er sich schließlich Ende Januar 2011 um den gesamten Planeten erstreckte.
Die jetzt vorgestellten Daten ergänzen Messungen, die Wissenschaftler mit dem
Spektrometer an Bord von Cassini und mit dem Very Large Telescope der ESO
gemacht hatten (astronews.com berichtete). Es ist der größte Sturm, der bislang
von einer Sonde im Saturnorbit verfolgt wurde. Das Weltraumteleskop Hubble
konnte 1990 einen ähnlich großen Sturm auf dem Ringplaneten beobachten.
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