Ein einsamer stellarer Gigant
von Stefan Deiters astronews.com
25. Mai 2011
Dank des Very Large Telescope der europäischen
Südsternwarte ESO sind Astronomen auf einen ungewöhnlichen stellaren Giganten
aufmerksam geworden: Der Riesenstern in der Großen Magellanschen Wolke ist
nämlich nicht, wie andere massereiche Sonnen, Teil eines Sternhaufens. Jetzt
rätseln die Wissenschaftler, wie dieser Gigant entstanden sein könnte.
Ein Blick in den Tarantelnebel mit dem Stern
VFTS 682 und dem Sternhaufen R136.
Bild: ESO / M.-R. Cioni / VISTA
Magellanic Cloud survey / Cambridge Astronomical
Survey Unit [Großansicht] |
Der stellare Riese trägt den recht unspektakulären Namen VFTS 682,
wobei die Abkürzung "VFTS" auf eine VLT-FLAMES Tarantula Survey
genannte Himmelsdurchmusterung hinweist, in deren Rahmen die riesige Sonne
entdeckt wurde. Der Stern befindet sich in der Großen Magellanschen Wolke, einer
kleinen Satellitengalaxie der Milchstraße. Durch Analyse seines Lichts mit Hilfe
des Instruments FLAMES am Very Large Telescope der ESO auf dem Gipfel
des chilenischen Paranal, konnten die Astronomen die Masse von VFTS 682 auf die
rund 150-fache Masse unserer Sonne bestimmen. Solche Riesensterne findet man
sonst nur in den Zentren von Sternhaufen, VFTS 682 hingegen scheint ein
Einzelgänger zu sein.
"Wir waren sehr überrascht, als wir so einen massereichen Stern ganz alleine
vorfanden und nicht als Mitglied eines Sternhaufens", erzählt Joachim
Bestenlehner, der am Armagh Observatory in Nordirland studiert und
Hauptautor eines Fachartikels über die Untersuchungen ist, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheint. "Sein Ursprung ist uns
ein Rätsel."
Als der Stern erstmals bei einer Durchmusterung der hellsten Sterne des
Tarantelnebels entdeckt wurde, hielt man ihn zunächst für einen relativ gewöhnlichen
jungen und hellen Stern. Der Nebel ist Teil der Großen Magellanschen Wolke und
ein gewaltiges Sternentstehungsgebiet - das aktivste in der gesamten Lokalen
Gruppe, unserem Heimat-Galaxienhaufen. Erst im Rahmen der neuen Studie stellte
man dann fest, dass ein beträchtlicher Teil der Strahlung des Sterns auf dem Weg zur
Erde von Staubwolken verschluckt wird und er somit deutlich heller sein muss als
angenommen. VFTS 682 dürfte sogar zu den hellsten unter allen bekannten Sternen
zählen.
Da Licht in roten und infraroten Wellenlängenbereichen den Staub durchdringen
kann, das Licht kürzerer Wellenlängen, wie blaues oder grünes Licht, aber vom
Staub stark gestreut wird, erscheint uns der Stern
rötlich. Ohne den störenden Staub würde er hell und bläulich-weiß strahlen.
Seine Oberflächentemperatur liegt nach Ansicht der Astronomen bei rund 50.000
Grad Celsius. Zum Vergleich: Die Oberfläche der Sonne ist gerade einmal 5.500 Grad Celsius
heiß.
Sterne wie VFTS 682 haben trotz ihrer enormen Masse kein langes Leben: Sie verbrennen
ihren nuklearen Brennstoff mit hoher Geschwindigkeit und könnten am Ende nicht
nur als Supernova explodieren, sondern dabei eventuell sogar einen langen
Gammastrahlen-Blitz oder Gamma-ray Burst aussenden. Ähnliche stellare Riesen
finden sich in relativer Nähe zu VFTS 682, nämlich im bekannten Sternhaufen RMC 136 (oder auch R136).
"Unsere neuen Untersuchungen zeigen, dass VFTS 682 ein nahezu identischer
Zwilling zu einem der Supersterne im Zentrum von R136 ist", erklärt Paco Najarro
vom Centro de Astrobiología im spanischen Madrid, der auch zum Team gehört.
Könnte es also sein, dass VFTS 682 auch dort entstanden ist und dann aus dem
Haufen geschleudert wurde? Astronomen wissen zwar, dass so etwas passieren kann, doch
in der Regel nur mit sehr viel masseärmeren Sonnen.
Wenn er aber nicht aus dem Haufen hinauskatapultiert wurde, könnte er dann alleine
entstanden sein? "Es erscheint sehr viel leichter, die größten und
hellsten Sterne in sehr reichen Sternhaufen entstehen zu lassen", gibt Jorick
Vink, ein weiteres Teammitglied vom Armagh Observatory zu bedenken. "Eine
Entstehung in Isolation könnte zwar möglich sein, doch ist diese nur relativ
schwer zu verstehen. Das macht VFTS 682 zu einem sehr faszinierenden Objekt."
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