Erfolgreiche Starts zweier Studentenraketen
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
23. Februar 2011
Mit zwei Forschungsraketen wurden gestern und heute wieder mehrere
Studentenexperimente bis an die Grenze zum Weltraum gebracht. Vom
Raumfahrtzentrum Esrange im nordschwedischen Kiruna aus starteten die
Raketen REXUS 9 und REXUS 10. Während der jeweils rund
fünfminütigen Flüge wurde auf ganz unterschiedlichen Gebieten geforscht.
Bei Bilderbuchwetter startet die
Forschungsrakete REXUS 10 am 23. Februar 2011.
Sie erreicht bei ihrem Flug eine maximale Höhe
von 82 Kilometern.
Bild: A. Lambert / ESA |
Am Mittwoch, 23. Februar 2011, startete um 11.00 Uhr die
Forschungsrakete REXUS 10 erfolgreich vom Raumfahrtzentrum
Esrange im nordschwedischen Kiruna. Auf ihrem rund fünfminütigen Flug
erreichte die Rakete des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
(DLR) und der schwedischen Raumfahrtagentur SNSB mit einer Höhe von 82
Kilometern die Grenze zwischen Atmosphäre und Weltall. Studentengruppen
aus Deutschland, Österreich und Schweden testeten auf REXUS 10
Technologien für den Weltraum und die Atmosphärenforschung oder
untersuchten das Verhalten von Metallteilchen unter Schwerelosigkeit.
Die Schwesterrakete REXUS 9 hatte bereits einen Tag vorher, am
22. Februar, abgehoben. Nach der Landung am Fallschirm wurden die
Experimente per Helikopter geborgen. Ihre Daten werden die
Nachwuchswissenschaftler in den kommenden Wochen auswerten.
Mit der Problematik des platzsparenden Transports von Bauelementen in
den Weltraum beschäftigt sich das Experiment FOCUS (First Orbital Curing
Experiment of University Students) von Studenten der Technischen
Universität München. So könnten in Zukunft mit ungehärtetem Kunstharz
getränkte Verbundfaserteile verwendet werden, die - anfangs gefaltet -
erst an Ort und Stelle zu voller Größe aufgespannt werden. Die Bauteile
erhalten ihre Stabilität anschließend durch Aushärtung des Kunstharzes
mit UV-Licht. Diesen Vorgang testet das FOCUS-Team erstmals unter
Weltraumbedingungen an einem kleinen Prototyp.
Das Experiment GAGa (Granular Anisotropic Gases) des Studententeams der
Universität Magdeburg untersucht grundlegende physikalische Prozesse zum
Stoßverhalten und zur Organisation von stabförmigen Teilchen in einem
Gas: Hunderte, ungefähr einen Zentimeter lange Drahtstücke werden in der
Schwerelosigkeit mittels schwingender Experimentkammerwände in Bewegung
versetzt. Kameras zeichnen ihre Bewegungsmuster bei unterschiedlichen
Frequenzen für die Auswertung auf. Als erstes Experiment mit Teilchen
dieser Art werden richtungsweisende Resultate erwartet, die im Labor auf
der Erde nicht erbracht werden können.
Ein selbst entworfenes und gebautes Lager für Motoren mit hoher Drehzahl
für einen Einsatz im Weltraum zu testen ist das Ziel des M-BEAM-Teams (Magnetic
Bearing for Brushless DC Motor) der Höheren Technischen Lehranstalt
Mössingerstraße im österreichischen Klagenfurt. Mit der vollständig
magnetisch gelagerten Motorenachse werden Reibungsverluste vermieden,
was zu Wartungsfreiheit und höherer Lebensdauer führen soll.
Mit dem SQUID-Experiment (Spinning Quad Ionospheric Deployer) testen
Studenten der KTH Stockholm das Aus- und wieder Einfahren eines
miniaturisierten Armsystems und dessen Tauglichkeit bei der Vermessung
elektrischer Felder. Dies geschieht auf einem von der Rakete
ausgesetzten Flugkörper mit eigenem Landesystem und ist ein Schritt zur
Entwicklung eines neuen raketen-basierten Messsystems für die
Ionosphärenforschung. Peilsender helfen, das Experiment nach der Landung
in der Weite Nordschwedens wiederzufinden.
Bereits einen Tag zuvor, am 22. Februar 2011, war die Forschungsrakete
REXUS 9 mit Experimenten aus Deutschland, Italien und Irland
gestartet und hatte eine maximale Höhe von 80,6 Kilometern erreicht.
Während des Wiedereintritts in die Erdatmosphäre sind Raumfahrzeuge
extremer Hitze ausgesetzt. Während dieser Phase testete eine
Studentengruppe der Universität Stuttgart REMOS (REcession Monitoring
System), ein System zur Messung der elektrischen Eigenschaften und damit
der Dickeänderung eines Hitzeschildmaterials, die durch das Abbrennen
beim Wiedereintritt entsteht. Solche Daten sind wichtig, um beim Design
neuer, wieder verwendbarer Raumfahrzeuge Kosten zu senken und die
Sicherheit zu erhöhen.
Das Experiment EXPLORE (EXperiment for Liquid On-Orbit Refuelling),
ebenfalls von Studenten der Universität Stuttgart, beschäftigt sich mit
der Betankung von Raumfahrzeugen im Orbit: Unter den Bedingungen der
Schwerelosigkeit sind spezielle Vorkehrungen notwendig, um leere Tanks
effizient mit flüssigem Treibstoff wiederzubefüllen. So muss
beispielsweise die Bildung von Gaseinschlüssen im flüssigen Treibstoff
unterbunden und ein Verdampfen des Treibstoffs in Folge von Unterdruck
verhindert werden. Gegenmaßnahmen wurden auf REXUS 9 in
mehreren kurzen Betankungsvorgängen getestet.
Die kontrollierte Zuleitung und Ableitung von Treibstoff aus Tanks wird
auch mit dem Experiment SPONGE (Sounding Rocket Propellant Orientation
Micro-Gravity Experiment) von einem italienischen Studententeam der
Universität Padua erforscht: Ein zylinderförmiger Schwamm mit
regelmäßigen Lamellen sorgt dafür, dass das Treibstofffluss gezielt
kontrolliert werden kann. Mit den Resultaten des Fluges werden
Computersimulationen überprüft.
Das TELESCOBE-Team vom Dublin Institute of Technology hat einen
Teleskoparm aus Kohlefasermaterial getestet, der in 80 Kilometern Höhe
seitlich aus der Rakete ausgefahren wurde und einen Sensor in 1,60 Meter
Entfernung von der Rakete positionierte. Dadurch sollte die Messung
elektrischer und magnetischer Felder ohne störenden Einfluss von der
Rakete selbst möglich gemacht werden. Vor dem Wiedereintritt in die
dichtere Erdatmosphäre wurde der Teleskoparm ausgeworfen.
Das Deutsch-Schwedische Programm REXUS/BEXUS
(Raketen-/Ballon-Experimente für Universitäts-Studenten) ermöglicht
Studenten, eigene praktische Erfahrungen bei der Vorbereitung und
Durchführung von Raumfahrtprojekten zu gewinnen. Ihre Vorschläge für
Experimente können jährlich im Herbst eingereicht werden. Jeweils die
Hälfte der Raketen- und Ballon-Nutzlasten stehen Studenten deutscher
Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische
Raumfahrtagentur SNSB hat den schwedischen Anteil für Studenten der
übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorganisation ESA
geöffnet.
Die deutschen REXUS-Projekte werden vom DLR-Institut für
Raumfahrtsysteme in Bremen geleitet. Die Flugkampagnen werden von
EuroLaunch, einem Joint Venture der Mobilen Raketenbasis des DLR (MoRaBa)
und dem Esrange Space Center des schwedischen
Raumfahrtunternehmens SSC (Swedish Space Corporation), durchgeführt. Die
programmatische Leitung und Ausschreibung erfolgt durch das
DLR-Raumfahrtmanagement in Bonn.
|