Blick auf den Wasserstoff der Milchstraße
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
26. Oktober 2010
Radioastronomen der Universität Bonn haben das vom Südhimmel aus
sichtbare Wasserstoffgas in der Milchstraße kartiert und damit die Daten
ihrer Studie aus dem Jahr 2005 präzisiert. Die damalige Kartierung hat
inzwischen hunderte wissenschaftlicher Publikationen von Physikern auf
der ganzen Welt nach sich gezogen. Bei den jetzt vorgelegten Messungen
hoffen die Forscher auf einen ähnlichen Ertrag.
Die Verteilung
des Wasserstoffgases der Milchstraße beobachtet
mit dem 64-Meter-Parkes-Teleskop in Australien.
Blau markiert Regionen mit den geringsten
Wasserstoffmengen, weiß solche mit den höchsten.
Bild:
AIfA, Universität Bonn [Vergrößerte
Gesamtansicht] |
Wasserstoff ist das häufigste Element im All. Es entstand direkt nach
dem Urknall und bestimmt die Entwicklung des gesamten sichtbaren
Universums. Für das menschliche Auge ist das häufigste Element im
Weltraum unsichtbar. Wasserstoff leuchtet jedoch kräftig im
Radiobereich, bei einer Wellenlänge von 21 Zentimetern. Diese berühmte
"21-Zentimeter-Linie" lässt sich auf der Erde mit großen Parabolantennen
auffangen.
Genau das haben die Bonner Radioastronomen zusammen mit australischen
Kollegen gemacht: Vom Radioteleskop in Parkes in Australien aus haben sie für
den gesamten Südhimmel die 21-Zentimeter-Linienemission unserer Milchstraße
vermessen. Die Datenverarbeitung fand dann unter Bonner Federführung statt. Die
Fachzeitschrift Astronomy and Astrophysics , in der die Forscher jetzt
über ihre Arbeit berichten, schmückt den Titel ihrer November-Ausgabe mit einem
Bild der Bonner Durchmusterung.
Und das nicht ohne Grund: Schon die gerade veröffentlichten ersten Ergebnisse
des Galacitc All Sky Survey (GASS) versprechen reichen Ertrag. So
erlaubt die Wasserstofflinie Rückschlüsse auf Temperatur und Geschwindigkeit der
Gaswolken in der Milchstraße. Dabei hilft den Wissenschaftlern der so genannte
Doppler-Effekt. Er sorgt dafür, dass sich die Wellenlänge des Wasserstoffgases
bei Bewegung leicht verändert: Wenn sich das Gas von uns wegbewegt, nimmt die
Wellenlänge zu – die Wasserstofflinie liegt dann beispielsweise bei 21,5
Zentimetern. Im umgekehrten Fall nimmt die Wellenlänge ab.
Gleichzeitig ist die Wasserstofflinie ein gutes Thermometer: In heißem Gas
kommt es nämlich zu Turbulenzen – je heißer, desto stärker. Diese Verwirbelungen
sorgen dafür, dass sich Teile der Wasserstoff-Wolke auf uns zu, andere Teile
jedoch gleichzeitig von uns weg bewegen. Durch den Doppler-Effekt "verschmiert"
die 21-Zentimeter-Linie daher: Sie verwandelt sich in eine Art Dreieck, das an
seiner Basis umso breiter wird, je heißer die entsprechende Wolke ist.
Die Wissenschaftler sind bei ihren Analysen bereits auf einige interessante
Fakten gestoßen. So ist unsere Heimatgalaxie mit ihren mehreren hundert
Milliarden Sternen in eine Scheibe aus Gas eingebettet. "Diese Scheibe hat einen
Durchmesser von 200.000 Lichtjahren", erklärt Dr. Peter Kalberla vom Argelander-Institut
für Astronomie. "Sie ist damit erheblich größer als die für das Auge sichtbare
Milchstraße." Sie scheint sich zudem weiter zu vergrößern. Die Scheibe ist
nämlich ihrerseits von gasförmiger Materie umgeben, die von den Anfängen des
Universums stammt. Die Milchstraße verleibt sich diese Urmaterie nach und nach
ein. Am Rande unserer Heimatgalaxie scheint es zudem jede Menge dunkle Materie
zu geben, die Bewegung der Wasserstoffwolken beeinflusst.
Auch Astronomen, die sich nicht für die Milchstraße interessieren, werden von
den GASS-Daten stark profitieren: Denn die Signale, die uns von fernen Galaxien
nach einer Reise von Milliarden Jahren erreichen, werden durch das Gas der
Milchstraße stark geschwächt. Mit den Bonner Daten ist es nun möglich, aus der
Wasserstoffverteilung das Maß dieser Schwächung zu bestimmen. Damit lässt sich
dann das ursprüngliche Signal rekonstruieren.
Mit einem Antennendurchmesser von 64 Metern ist das australische Parkes-Radioteleskop
das größte seiner Art auf der Südhalbkugel. In Kürze werden die Wissenschaftler
ihre Messungen auf den Nordhimmel ausweiten. Dazu nutzen sie das Effelsberg-Teleskop,
das mit 100 Meter Durchmesser noch einmal deutlich größer ist. "Diese
21-Zentimeter-Durchmusterungen sind Meilensteine der radioastronomischen
Forschung", sagt Kalberla. "Noch niemals zuvor wurden die weltgrößten
Radioteleskope gemeinsam genutzt, um die Milchstraße und ihre Umgebung
vollständig zu erforschen."
Die so genannte "Effelsberg-Bonn HI-Durchmusterung" (EBHIS) wird 2011
abgeschlossen werden. Für die EBHIS Beobachtungen des Nordhimmels wird eine
neuartige "Radiokamera" eingesetzt. Sie enthält gleich sieben Empfänger und ein
in Bonn entwickeltes Spektrometer. "Damit werden wir noch schärfere Bilder
gewinnen können", ist sich Kalberla sicher.
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