Kernschein durchleuchtet Sterngeburt
Redaktion
/ Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
24. September 2010
Die Geburt von Sternen spielt sich tief im Innern von Gas- und
Staubwolken ab, aus denen keine sichtbare Strahlung nach außen dringt.
Jetzt haben Forscher entdeckt, dass in vielen solchen Wolken
Infrarotlicht an größeren Staubteilchen gestreut wird. Das dadurch
erzeugte und Kernschein getaufte Phänomen liefert Informationen über die
frühesten Phasen der Sternentstehung.

Die Molekülwolke CB 244 im Sternbild Kepheus,
rund 650 Lichtjahre von der Erde entfernt. Die
Strahlung der Milchstraße wird von den
Molekülwolken unterschiedlich gestreut: optisches
Licht vor allem von kleinen Staubteilchen in den
Außenbereichen, Licht aus dem mittleren Infrarot
an den größeren Staubteilchen im Wolkeninnern.
Letzteres ist der in dem Falschfarbenbild (unten)
dargestellte, neu entdeckte Kernschein.
Bild: MPIA |
Sterne entstehen, wenn besonders dichte Gebiete kosmischer Gas-
und Staubwolken unter der eigenen Schwerkraft kollabieren und sich dabei
soweit verdichten und aufheizen, dass Kernfusionsreaktionen einsetzen.
Auch unsere Sonne wurde auf diese Weise geboren, und die Kernfusion
sorgt für das stete Leuchten unseres Heimatsterns, von dem alles Leben
auf der Erde abhängt.
Die in der kollabierenden Wolke enthaltenen Staubteilchen wiederum sind
das Rohmaterial für die Geburt erdähnlicher Planeten um die neu
entstandenen Sterne. Die Staubteilchen besitzen einen Eismantel, der es
ihnen erlaubt, aneinander festzukleben. Wie und in welchem
Entwicklungsstadium das geschieht, ist ein wichtiges Puzzlesteinchen für
Modelle der Planetenentstehung. Die in dem Gas eingebetteten
Staubteilchen haben typischerweise Größen von etwa 0,1 Mikrometern. Sie
absorbieren kurzwellige Strahlung und senden langwellige als Wärme aus.
Was in den Frühstadien eines Wolkenkollapses im Detail passiert, wissen
die Astronomen nicht.
Jetzt hat ein internationales Team unter der Leitung von Laurent Pagani
vom Laboratoire d'Etude du Rayonnement et de la Matière en Astrophysique
(LERMA) des Observatoire de Paris und Jürgen Steinacker vom
Max-Planck-Institut für Astronomie ein neuartiges Phänomen entdeckt, das
viele Informationen über diese früheste Phase der Stern- und
Planetenentstehung verspricht: den Kernschein (englisch: coreshine ) der
Wolken.
Aufwendige Simulationen der Wechselwirkung von Strahlung und Materie
hatten gezeigt, dass es sich beim Kernschein um gestreutes Licht handeln
muss - um die unsere Milchstraße durchflutende sogenannte
Mittelinfrarotstrahlung, die von Material im Wolkeninnern absorbiert und
in alle Richtungen wieder ausgesendet wird. Allerdings können die in den
Wolken vermuteten Staubteilchen mit Abmessungen um 0,1 Mikrometer keine
Mittelinfrarotstrahlung streuen. Erst als die Forscher Simulationen mit rund
zehnmal größerer Teilchen vorgenommen hatten, konnten sie die
Beobachtungsdaten erklären.
Das neu entdeckte astronomische Phänomen - die Streuung von
Mittelinfrarotstrahlung durch größere Staubteilchen im Kern von
Molekülwolken - erlaubt es den Forschern nun, Rückschlüsse auf Größe und
Dichte der Staubteilchen, das Alter der Wolken, die räumliche Verteilung
des Gases sowie auf chemische Prozesse im Wolkeninnern zu ziehen. Die
Entdeckung beruht auf Beobachtungen mit dem NASA-Weltraumteleskop
Spitzer, das im Infraroten beobachtet. Für dieses langwellige Licht
sind die Wolken durchsichtig - Spitzer sieht gleichsam in sie
hinein.
Im Februar hatten Steinacker und Pagani mit Kollegen aus Grenoble und
Pasadena bei Untersuchungen der Molekülwolke L 183 im Sternbild Kopf der
Schlange(Serpens Caput), rund 360 Lichtjahre von uns entfernt,
unerwartete Infrarotstrahlung nachgewiesen, die aus den dichtesten
Regionen der Wolke zu stammen schien. Eine Veröffentlichung im
Fachmagazin Science beschreibt jetzt Nachfolgeuntersuchungen an
insgesamt 110 solcher Quellen, die mit Spitzer beobachtet
worden waren und zwischen 300 und 1.300 Lichtjahre von der Erde entfernt
liegen.
Die Untersuchungen belegen, dass es sich beim Kernschein um ein
weitverbreitetes astronomisches Phänomen handelt: Er ließ sich in rund
der Hälfte der untersuchten Wolken nachweisen und ist auch dort mit den
dichtesten Wolkenregionen verknüpft. Die Entdeckung des Kernscheins
motiviert viele neue Projekte - sowohl für das Weltraumteleskop
Spitzer als auch für das James Webb-Weltraumteleskop, das
im Jahr 2014 gestartet werden soll.
Schon jetzt lieferten diese Beobachtungen neue Einblicke in das Innere
der Geburtsstätten von Sternen: Das unerwartete Vorhandensein von
größeren Staubteilchen zeigt, dass diese Partikel bereits in der
Vorphase des Wolkenkollapses verklumpen und dadurch wachsen. Interessant
ist auch das Beispiel einer Region im südlichen Sternbild Segel des
Schiffs (Vela), in deren verschiedenen Wolken sich kein Kernschein
nachweisen ließ. Jürgen Steinacker und seine Kollegen vermuten, dass
Supernovae, von denen man weiß, dass sie in diesem Gebiet stattgefunden
haben, die größeren Staubteilchen zerstört haben könnten.
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