Sind die Naturgesetze ortsabhängig?
von
Rainer Kayser
9.
September 2010
Die Naturgesetze sind möglicherweise nicht überall im Universum gleich.
Darauf deuten Messungen eines britisch-australischen Forscherteams hin.
Demnach ist die sogenannte Feinstrukturkonstante - eine physikalische Größe, die die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung angibt - in weit entfernten Gebieten am nördlichen Himmel etwas kleiner, in weit entfernten Gebieten am südlichen Himmel dagegen etwas größer als in unserer Region des Kosmos.
Forscher glauben mit Hilfe des Very Large
Telescope bei fernen Quasaren eine etwas größere
Feinstrukturkonstante gemessen zu haben.
Bild: ESO / Y.Beletsky |
"Dieser Befund war eine riesige Überraschung für uns", gesteht John Webb von der
University of New South Wales in Australien, einer der beteiligten Astronomen. Webb war vor einem Jahrzehnt erstmals auf Hinweise gestoßen, dass die Feinstrukturkonstante nicht konstant ist.
Seine Beobachtungen mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii hatten damals gezeigt, dass die Feinstrukturkonstante vor 12 Milliarden Jahren möglicherweise etwas kleiner war als heute.
Dieses Ergebnis wollten Webb und seine Kollegen nun mit Beobachtungen in einer anderen Himmelsregion überprüfen. Doch die Messungen mit dem
Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile, die die Forscher nun vorab im Internet präsentieren, lieferten ein genau entgegengesetztes Ergebnis: Die bei fernen Quasaren gemessene Feinstrukturkonstante ist nicht kleiner, sondern geringfügig größer als der irdische Laborwert. Webb und seine Kollegen ziehen daraus den Schluss, dass die Feinstrukturkonstante sich nicht zeitlich ändert, wie aufgrund der ersten Messungen vor zehn Jahren vermutet, sondern räumlich variiert.
"Die Symmetrie in der Stärke der Variation der Feinstrukturkonstanten zwischen den Quasaren an der nördlichen und der südlichen Hemisphäre ist überraschend", so die Wissenschaftler.
Die Feinstrukturkonstante ist eine einheitenlose Kombination aus der elektrischen Ladung, der Lichtgeschwindigkeit, der elektrischen Feldkonstanten und dem Planckschen Wirkungsquantum. Änderungen der Feinstrukturkonstanten bedeuten also, dass sich mindestens eine dieser Naturkonstanten ändern muss und somit die physikalischen Naturgesetze nicht überall im Kosmos dieselben sind.
"Unser Ergebnis deutet also auf eine Verletzung des Einsteinschen Äquivalenzprinzips hin", so Webb und seine Kollegen,
"und liefert damit einen Hinweis darauf, dass das Universum unendlich oder zumindest sehr groß ist und das von uns überschaubare
'Hubble-Volumen' nur ein kleiner Teil davon, mit vergleichsweise geringen Änderungen der physikalischen Konstanten ist."
Weitere unabhängige Beobachtungen seien nötig, um diesen an den Grundpfeilern der Standardphysik rüttelnden Befund zu überprüfen.
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