Planetenwiegen mit Pulsaren
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
23. August 2010
Ein internationales Forschungsteam hat eine neue Methode entwickelt, um
Planeten im Sonnensystem zu wiegen und ihre Masse über die Auswertung der
Radiosignale von Pulsaren zu bestimmen. Mithilfe der Radiobeobachtungen von
insgesamt vier Pulsaren haben die Forscher die Masse der Planeten Merkur,
Venus, Mars, Jupiter und Saturn inklusive ihrer Monde und Ringsysteme
bestimmt - mit bemerkenswerter Genauigkeit.

Schematische Darstellung des Messverfahrens: die
Massen von Sonne und Planeten im Sonnensystem
beeinflussen die Ankunftszeit der Pulsarsignale
auf der Erde. Über die Korrektur der Zeitfehler
der Pulsarsignale lassen sich die Massen der
Planeten mit hoher Genauigkeit abschätzen.
Bild:
MPIfR / David Champion [Großansicht] |
Eine gängige Methode zur Bestimmung der Massen eines Planeten
erfolgt über die Bahnbestimmung seiner Monde oder von Raumsonden im
Vorbeiflug. Masse erzeugt Schwerkraft und die Anziehungskraft des
Planeten bestimmt wiederum die Bahn eines jeden Objekts, das sich um den
Planeten bewegt, in Größe und Umlaufzeit. Die jetzt vorgestellte neue
Methode zur Bestimmung von Planetenmassen basiert auf den Korrekturen,
die die Astronomen bei der Analyse der Signale von Pulsaren anbringen.
Pulsare sind Sterne geringen Durchmessers mit sehr hoher Dichte, die
sich extrem schnell um ihre eigene Achse drehen und dadurch periodische
Signale mit hoher Zeitgenauigkeit aussenden. Die genaue Ableitung von
Planetenmassen auf diese Weise könnte Daten liefern, die für künftige
Raumfahrtmissionen von Bedeutung sind. "Dadurch konnten zum ersten Mal
Planeten komplett gewogen werden - und zwar das jeweils gesamte System
inklusive aller Monde und Ringe", sagt David Champion vom
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, der Leiter des Forschungsteams.
"Außerdem tragen wir mit einer unabhängigen Methode dazu bei, vorhandene
Ergebnisse zu überprüfen und unterstützen damit die Arbeit der
Planetenforscher."
Die Erde dreht sich um die Sonne. Diese Bewegung beeinflusst den genauen
Zeitpunkt, an dem die Signale von Pulsaren auf der Erde eintreffen. Um
diesen Effekt zu korrigieren, berechnen die Astronomen den Zeitpunkt, an
dem die Pulse das Massenzentrum des Sonnensystems, das sogenannte
Baryzentrum oder Rotationszentrum für alle Planeten, erreichen. Da die
Stellung der Planeten zueinander sich mit der Zeit ändert, erfolgt auch
eine Bewegung des Baryzentrums relativ zur Sonne. Zur Bestimmung der
genauen Position des Baryzentrums arbeiten die Astronomen mit Tabellen
der Planetenpositionen am Himmel (den sogenannten Ephemeriden) sowie mit
den bereits gemessenen Werten für die Massen der Planeten.
Solange die Ergebnisse vom korrekten Wert abweichen und auch die
Position des Baryzentrums nicht korrekt bestimmt ist, tritt ein
reguläres sich wiederholendes Muster in den Zeitfehlern bei den
Ankunftsdaten der Pulsarsignale auf. "Wir sehen zum Beispiel, wenn die
Massenbestimmung für Jupiter und seine Monde falsch ist, ein Muster in
den Zeitfehlern der Pulsarsignale, das sich über jeweils 12 Jahre
wiederholt, das ist die Zeit eines Umlaufs von Jupiter um die Sonne",
sagt Dick Manchester vom australischen Forschungsinstitut CASS (CSIRO
Astronomy and Space Science). "Sobald der Wert für die Jupitermasse
korrigiert wird, verschwinden die zeitlichen Abweichungen."
Das ist genau der Rückkopplungsprozess, den die Astronomen zur
Bestimmung der Planetenmassen genutzt haben. Beobachtungsdaten von
insgesamt vier Pulsaren sind dazu verwendet worden, die Massen der
Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn jeweils inklusive ihrer
Monde und Ringsysteme zu bestimmen. Die meisten dieser Beobachtungen
wurden mit dem Parkes-64-Meter--Radioteleskop in Australien
durchgeführt, hinzu kamen Beobachtungen mit dem
Effelsberg-100-Meter-Teleskop sowie dem Arecibo-305-Meter-Teleskop in
Puerto Rico. Die daraus erhaltenen Werte stimmen mit den
Massenbestimmungen durch Raumsonden überein, wobei der Wert für das
Jupiter-System (Jupiter selbst und sämtliche Monde) von 9,547921 x 10-4
Sonnenmassen deutlich genauer ist als das Resultat vom Vorbeiflug der
Pioneer- und Voyager-Raumsonden. Das Resultat ist
etwas weniger genau als das von der Raumsonde Galileo, stimmt aber damit
innerhalb der Fehlergrenzen überein.
Die neue Messmethode ist bis auf 200 Billiarden (2 x 1017)
Tonnen genau - das sind gerade mal 0,03 Promille der Erdmasse oder ein
Zehnmillionstel der Masse von Jupiter. Kurzfristig wird die
Massenbestimmung mit Hilfe von Raumsonden die genauesten Resultate für
einzelne Planeten liefern, aber die Pulsarmethode ist unverzichtbar für
Planeten, die noch nicht von Raumsonden besucht worden sind sowie für
die Bestimmung der kombinierten Massen von Planeten und ihren Monden.
Die Wiederholung der Messungen ermöglicht eine nochmalige Verbesserung
der Genauigkeit. Durch die Beobachtung von insgesamt 20 Pulsaren über
einen Zeitraum von sieben Jahren könnte man die Jupitermasse genauer
bestimmen als mit jeder Raumsonde. Das gleiche Ergebnis für Saturn würde
13 Jahre Beobachtungszeit erfordern.
"Wir Astronomen benötigen diese extrem genauen Zeitreihenmessungen von
Pulsaren für die Jagd nach Gravitationswellen, wie sie von Einsteins
Allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagt werden", stellt Michael
Kramer fest, der Leiter der Forschungsgruppe "Radioastronomische
Fundamentalphysik" am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. "Das
Aufspüren dieser Wellen hängt vom Nachweis winziger Änderungen im
zeitlichen Eintreffen der Pulsar-Signale ab. Dazu müssen wir alle
potentiellen Fehlerquellen ausschalten, inklusive der Spuren von
Planeten unseres Sonnensystems."
Die Ergebnisse werden in einem Artikel in der Fachzeitschrift
Astrophysical Journal beschrieben. Zum Team gehören Forscher aus
Australien, Deutschland, USA, Großbritannien und Kanada.
|