Flüssige Salzlösungen auf dem Mars?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
23. Juli 2010
Könnte es auf dem Mars Salzlösungen geben, die auch bei sehr tiefen Temperaturen
noch flüssig bleiben und die vielleicht sogar die Rolle übernehmen, die reines
Wasser auf der Erde spielt? Erste vielversprechende Ergebnisse entsprechender
Untersuchungen, die durch Resultate des NASA-Marslander Phoenix
angeregt wurden, stellten Wissenschaftler nun auf der Konferenz COSPAR in Bremen
vor.
Auf dem Bild ist ausgedehntes Kieserit, ein
hydratisiertes Magnesium-Sulfat-Salz, zu sehen.
Hydratisiert bedeutet, dass Wassermoleküle in die
Kristallstruktur eingebaut sind. Kieserit bildet
die hellen Flächen an den Hängen im westlichen
Candor Chasma, einer der größten Schluchten in
den Valles Marineris auf dem Mars. Die Valles
Marineris erstrecken sich über 4.000 Kilometer
von Westen nach Osten entlang des Mars-Äquators.
Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum) [Großansicht] |
Gibt es auf dem Mars Salzlösungen, die auch bei extrem tiefen
Temperaturen noch flüssig bleiben, so genannte Cryobrines? Theoretisch
ja, zeigen Forschungsergebnisse des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR). Mit Experimenten und Modellrechnungen wurde gezeigt,
dass die Bedingungen dafür insbesondere im Nordsommer in höheren
Breitengraden des Mars gegeben sind. Vorgestellt wurden diese ersten
Erkenntnisse jetzt von Prof. Dr. Diedrich Möhlmann vom DLR-Institut für
Planetenforschung auf dem weltgrößten Kongress für
Weltraumwissenschaften COSPAR (Committee on Space Research) in Bremen.
"Unsere Forschung wurde durch die Erkenntnisse der Mars-Mission Phoenix
der NASA angestoßen", erläutert Möhlmann. "2009 zeigten die Wissenschaftler mit
Abbildungen von Salzlösungströpfchen an der Phoenix-Sonde, dass
Cryobrines auf dem Mars existieren können. Da flüssiges Wasser auf der
Marsoberfläche nicht vorhanden ist, könnten die Cryobrines als flüssiges Medium
eine Möglichkeit sein, dort lebensunterstützend zu wirken."
Möhlmann und sein Team haben jetzt herausgefunden, dass die Verflüssigung der
Cryobrines offenbar im Sommer in höheren Breiten der Nordhalbkugel des Mars,
also im Nordsommer, bei einigen Salzen ganztägig möglich ist. In mittleren
Breiten tritt das Phänomen nur noch über mehrere Stunden morgens und abends auf.
Das liegt daran, dass die Salze für die Verflüssigung atmosphärischen
Wasserdampf aufnehmen - dies nennt man Deliqueszenz - und in der Atmosphäre im
Nordsommer ein hoher Grad an Feuchtigkeit herrscht, der weiter südlich abnimmt.
Deliqueszenz kann zumindest zeitweilig im Tages- und Jahresablauf flüssige
Salzlösungen auch weit unterhalb von null Grad Celsius verursachen. Da die
durchschnittliche Temperatur auf dem Mars in der Nacht bei minus 80 Grad Celsius
liegt, ist diese Tatsache besonders wichtig. Die flüssigen Lösungen könnten
Fließprozesse, so genannte rheologische Prozesse, auf der Marsoberfläche
übernehmen. Im Rahmen von eventuellen biologischen Prozessen könnten dies auch
lebenserhaltende Transporte von Nahrung und Abfall sein.
All dies sind Eigenschaften, die sonst nur dem Wasser zugeschrieben werden.
Die Frage, ob dies reicht, Leben möglich zu machen, untersuchen im nächsten
Schritt Mikrobiologen der Technischen Universität Berlin zusammen mit Kollegen
des DLR-Instituts für Planetenforschung. Wenn Leben auch in diesen zeitweilig
flüssigen Salzlösungen möglich wäre, müsste die Definition für Habitabilität
erweitert werden: "Pures" Wasser wäre damit nicht mehr die alleinige
Voraussetzung für die Entstehung von Leben.
Das Forscherteam von DLR und TU Berlin experimentiert zu diesen biologischen
Fragestellungen gemeinsam im Rahmen von "Planetary Evolution and Life", einer
Allianz der Helmholtz-Gemeinschaft. "Wir stehen noch am Anfang, aber unsere
ersten Ergebnisse sind überraschend ermutigend", erklärt Möhlmann und ergänzt:
"Wir testen derzeit mit unterschiedlichen Mikroorganismen, ob und wie sie in den
Salzlösungen überleben. Unter irdischen Bedingungen, also mit einem Gefrierpunkt
von null Grad Celsius, ist das schon erforscht worden, aber nicht bei
Temperaturen unter null."
Die Konferenz COSPAR findet vom 18. bis 25. Juli 2010 - nach
Veranstaltungsorten wie Houston, Paris und Montreal - in diesem Jahr in Bremen
statt. Alle zwei Jahre treffen sich hier Raumfahrtexperten aus der ganzen Welt
und präsentieren ihre Forschungsergebnisse. Das DLR ist sowohl als Aussteller
als auch mit zahlreichen Vorträgen präsent.
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