Forscher entwickeln perfekten Siliziumspiegel
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
31. Mai 2010
Wissenschaftler haben eine neue Methode entwickelt, die einen
Siliziumkristall zum perfekten Spiegel macht: Sie ätzten in seine Oberfläche
ein speziell strukturiertes Nano-Gitter. Eine derartige Oberflächenstruktur
reflektiert das Laserlicht vollständig - ein Effekt, der bislang nur durch
Bedampfen mit einem spiegelnden Schichtsystem erzielt werden konnte. Die
neue Methode gilt als äußerst vielversprechend für Hochpräzisionsmessungen
in der Gravitationswellenforschung.
Eingravierte Oberflächen-Nanostruktur des
Siliziumspiegels.
Bild: idw / IAP / FSU |
Für hoch präzise Experimente insbesondere in der Quantenoptik und
Gravitationswellenforschung werden optische Spiegel benötigt, die Licht
möglichst effizient reflektieren. Um die erforderliche hohe
Reflektivität zu erreichen, wird gegenwärtig ein geschliffener Kristall
oder poliertes Quarzglas mit mehreren Schichten optisch
unterschiedlicher Materialien bedampft. Der Nachteil dieser Methode: Das
Beschichtungsmaterial weist eine besonders starke Brownsche Bewegung
(Wärmebewegung der Teilchen in der Beschichtung) auf. Daher wird bei
einer Messung dem eigentlichen Signal ein thermisches
Hintergrundrauschen überlagert, das die Messgenauigkeit einschränkt.
Mit dem Ziel, das störende Rauschen auszuschalten, haben Daniel
Friedrich und Frank Brückner in den Arbeitsgruppen von Prof. Roman
Schnabel (Institut für Gravitationsphysik, Leibniz Universität Hannover
und Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Hannover) und Prof.
Andreas Tünnermann (Institut für Angewandte Physik,
Friedrich-Schiller-Universität Jena und Fraunhofer-Institut für
Angewandte Optik und Feinmechanik, Jena), eine neue Methode angewendet:
In die Oberfläche eines Siliziumkristalls haben sie ein Nano-Gitter
eingraviert. Diese Gitterstruktur fungiert für Licht einer bestimmten
Wellenlänge, in diesem Fall Infrarotstrahlung bei 1550 nm, als
resonanter Wellenleiter: Senkrecht einfallendes Licht wird durch die
Gittergeometrie in mehrere Teilstrahlen gebeugt, die sich anschließend
überlagern ("Interferenz").
Bei dieser besonderen Oberflächenstruktur tritt konstruktive Interferenz
jedoch nur in Rückwärtsrichtung auf. Lichtstrahlen, die in anderen
Richtungen verlaufen, löschen sich gegenseitig aus. Summa summarum führt
dies praktisch zu einer perfekten Reflexion. "Das ist ein ganz ähnlicher
Effekt, wie er von bestimmten Schmetterlingsarten bekannt ist. So
schillern die Flügel der Morpho-Schmetterlinge deshalb so glänzend blau,
weil ihre Flügeloberfläche ebenfalls mit einer periodischen
Nano-Struktur versehen ist, die bestimmte Farben des einfallenden Lichts
selektiv reflektiert", erklärt Brückner.
Die im Experiment erreichte Reflektivität beträgt exakt 99,8 Prozent,
aber bis zu 100 Prozent sind theoretisch möglich. Glatt poliert würde
ein Siliziumkristall die Infrarotstrahlung unter senkrechtem Einfall nur
bis zu 30 Prozent reflektieren. Damit ersetzt das Nano-Gitter die
Beschichtung mit Materialien unterschiedlicher Brechungsindizes. "Mit
dem Verzicht auf die optischen Beschichtungen sollte auch das durch das
Coating bedingte thermische Rauschen verschwinden. Bei Messprozessen am
Quantenlimit zählt dieses Rauschen zu den wichtigsten Störquellen und
setzt die Empfindlichkeit der Messung deutlich herab", so Daniel
Friedrich. "Von der als Spiegel wirkenden Nano-Gitterstruktur auf
Kristalloberflächen erwarten wir eine ganz neue Qualität bei
Hochpräzisionsmessungen in verschiedenen Bereichen."
Die Arbeit wurde inzwischen in der Fachzeitschrift Physical Review
Letters und ist im Rahmen des durch die Deutsche
Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs TR7
"Gravitationswellenastronomie" entstanden. Die neuartige Technik der
Oberflächenbearbeitung lässt sich prinzipiell auch auf andere in der
Optik verwendete Kristalle übertragen, und funktioniert bei
entsprechender Wahl der Strukturgrößen auch mit sichtbarem Licht. Die
Wissenschaftler hatte zunächst Silizium und infrarotes Laserlicht der
Wellenlänge 1550 Nanometer gewählt, da diese Parameter gute Kandidaten
für zukünftige Interferometer in den erdgebundenen
Gravitationswellendetektoren sind.
Ein Großteil der Technologien, die heute weltweit in
Gravitationswellendetektoren eingesetzt werden, sind am
Gravitationswellendetektor GEO600 in Ruthe bei Hannover entwickelt
worden. Die Herstellung des nano-strukturierten Siliziumspiegels
erfolgte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, sein Design und
seine Charakterisierung in enger Zusammenarbeit mit den hannoverschen
Arbeitsgruppen, die an GEO600 arbeiten. Der Erfolg dieser Kooperation
belegt erneut die Rolle von GEO600 als einzigartigem Think Tank der
internationalen Gravitationswellenforschung.
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