Test für neues Raumfahrzeug
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
7. Mai 2010
Der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre gilt als einer der kritischsten
Momente in der Raumfahrt. Um den Flug ins All und zurück zur Erde sicherer,
billiger und flexibler zu machen, entwickelt das DLR mit SHEFEX II ein
experimentelles Raumfahrzeug, das neuartige Technologien wie ein
scharfkantiges Design und eine aktive Kühlung des Hitzeschildes verwendet.
Ein Modell wurde jetzt erstmals in einem Windkanal in Göttingen getestet.
SHEFEX II soll mit mehr als 12.000
Kilometern pro Stunde wieder in die Erdatmosphäre
eintauchen.
Bild: DLR |
Anfang 2011 soll SHEFEX II (Sharp Edge Flight Experiment,
scharfkantiger Flugversuch) vom australischen Testgelände Woomera aus
starten. SHEFEX II ist ein in mehrfacher Hinsicht einzigartiges
Raumfahrzeug. In Anknüpfung an den erfolgreichen SHEFEX-I-Flug und im
Unterschied zu bisherigen Raumfahrzeugen ist die Außenhaut nicht
gerundet, sondern scharfkantig. Außerdem soll mit SHEFEX II erstmals
eine aktive Kühlung des Hitzeschildes in der Raumfahrt getestet werden.
Zudem ist es das einzige allein von Deutschland finanzierte und
durchgeführte Projekt eines Raumfahrzeugs, das automatisch gesteuert zur
Erde zurückkehren kann.
Die Forscher am Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
simulieren den Wiedereintritt des Raumfahrzeuges an einem Modell, um die
Computerberechnungen vor dem Flug zu überprüfen. Die Windkanalversuche
werden im Hochenthalpiekanal Göttingen durchgeführt, einer der
wichtigsten europäischen Großanlagen zur Erforschung des Hyperschalls
und Wiedereintritts von Raumfahrzeugen. In dem 62 Meter langen Windkanal
verdichtet zunächst ein Kolben ein Treibgas wie in einer riesigen
Luftpumpe. Nach dem Platzen einer Stahlmembran komprimiert und heizt
eine starke Stoßwelle ein Testgas, bevor es in einer Windkanaldüse auf
die zehnfache Schallgeschwindigkeit beschleunigt wird. Das entspricht
mehr als 12.000 Kilometern pro Stunde. Dann strömt das Gas um das
SHEFEX-II-Modell.
"Dieses Szenario simuliert den Wiedereintritt des Raumfahrzeuges in die
Erdatmosphäre in einer Höhe von etwa 35 Kilometern. Hierbei entstehen in
der Testanlage Temperaturen von fast 5.000 Grad Celsius - so heiß wie
die Oberfläche der Sonne", sagt Dr. Klaus Hannemann, Leiter der
Abteilung Raumfahrzeuge im DLR-Institut für Aerodynamik und
Strömungstechnik in Göttingen.
Die scharfkantige Form von SHEFEX verspricht zwei wesentliche Vorteile.
Zum einen könnte der Hitzeschild dadurch einfacher und sicherer werden.
"Ein Space Shuttle hat über 25.000 unterschiedlich geformte
Kacheln. Durch die einfache Form der SHEFEX-Kacheln lassen sich die
Wartungskosten des Thermalschutzsystems senken und ein einfacher
Austausch im Weltall wäre denkbar", so Hannemann.
Außerdem resultiert die facettierte Form in verbesserten aerodynamischen
Eigenschaften. "Die Kapsel erreicht fast die aerodynamischen
Eigenschaften eines Space Shuttles, ist aber kleiner und benötigt keine
Flügel", so Projektleiter Hendrik Weihs vom DLR-Institut für Bauweisen-
und Konstruktionsforschung Stuttgart. Zusammen mit der aktiven Kühlung
ergeben sich damit für die europäische Raumfahrt völlig neue
Möglichkeiten: "Wir könnten einen Landeplatz in Deutschland nutzen, wo
die Kapsel punktgenau herunterkommt", erklärt Weihs.
Bei der aktiven Kühlung des Hitzeschildes strömt ein Gas durch Poren in
den Kacheln nach außen. "Das austretende Gas bildet eine Art kühlende
Schutzschicht um die Oberfläche, sodass das atmosphärische Gas nicht an
das Raumfahrzeug herankommt", erklärt Weihs. Die Effusionskühlung
genannte Technologie wird bereits zur Abkühlung von Brennkammern von
Raketen verwendet. "Deutschland nimmt eine Vorreiterrolle ein, was
fortschrittliche Rückkehrsysteme betrifft", erklärt Weihs das nationale
SHEFEX-Programm. Er hofft, dass das Programm irgendwann in ein
europäisches – möglicherweise bemanntes - Raumfahrtsystem mündet.
Die Idee des SHEFEX-Programmes ist es, möglichst kostengünstig
Wiedereintrittstechnologie im Flugexperiment zu testen. Dazu wird die
Testkapsel auf die Spitze einer preiswerten Höhenforschungsrakete
gesetzt. Der Vorgänger, SHEFEX I, war 2005 von Nord-Schweden aus
gestartet (astronews.com berichtete). Beim 12,7 Meter hohen SHEFEX II
ist die Rakete ein größeres brasilianisches Modell, um eine höhere
Geschwindigkeit zu erreichen. Zudem verfügt SHEFEX II im Gegensatz zu
seinem Vorgänger über kleine Stummelflügel, sogenannte Canards, mit
denen das Gefährt gesteuert werden kann.
Der Start vom australischen Woomera soll SHEFEX II in eine Höhe von 200
Kilometern bringen. Für die Forscher beginnt der interessanteste Teil
beim Abstieg und Wiedereintritt in die Erdatmosphäre in 100 bis 20
Kilometer Höhe. Anschließend soll die Kapsel per Fallschirm in der
Wüste landen.
Die aerodynamische Auslegung, die rechnerische Vorhersage des
Strömungsverhaltens und die Tests im Plasmawindkanal erfolgen am
DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig, Köln
und Göttingen. Der Standort Köln ist für die Instrumentierung der
Nutzlast verantwortlich. Das SHEFEX-II-Experiment selbst hat das
DLR-Institut für Bauweisen- und Konstruktionsforschung in Stuttgart
entwickelt, hergestellt und integriert. Die Bereitstellung der Rakete
sowie die Durchführung des Starts erfolgt durch die Mobile Raketenbasis
(Moraba) des DLR aus Oberpfaffenhofen. Das neue DLR-Raumfahrtinstitut in
Bremen ist mit einem Navigationsexperiment beteiligt.
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