Kältere Winter in Europa?
Redaktion
/ Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
15. April 2010
Trotz der globalen Klimaerwärmung war der Winter in diesem Jahr besonders
kalt. Und dies könnte, so ergab eine jetzt veröffentlichte Studie, auch in
den kommenden Jahren in Großbritannien und Mitteleuropa so sein. Schuld
daran ist die geringe Aktivität unserer Sonne. Der Theorie von der globalen
Erderwärmung widerspricht dies nicht - eher ist sogar das Gegenteil der
Fall.

Ein Anblick, an den wir uns möglicherweise
gewöhnen müssen: Große Teile Großbritanniens und
Mitteleuropas waren im vergangenen Winter von
Schnee bedeckt, wie diese Satellitenaufnahme vom
7. Januar 2010 zeigt.
Bild: NASA |
Trotz des Trends der globalen Erwärmung werden die Menschen in
Großbritannien und Mitteleuropa in den nächsten Jahren möglicherweise
häufiger kalte Winter erleben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von
Wissenschaftlern der Universität von Reading, des Rutherford
Appleton Laboratory im britischen Oxfordshire und vom
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. Die
Forscher fanden einen Zusammenhang zwischen geringer Sonnenaktivität und
ungewöhnlich niedrigen Wintertemperaturen in dieser Region.
Ursache dafür könnte sein, dass in Zeiten niedriger Sonnenaktivität die milden
Winde vom Atlantik im Winter Europa nicht erreichen. Einem vom Menschen
erzeugten Klimawandel, der die Temperaturen auf der Erde im Mittel ansteigen
lässt, widersprechen diese Ergebnisse nicht. Die Forscher berichten über ihre
Untersuchung in der heutigen Ausgabe der Environmental Research Letters.
Die Sonne strahlt nicht immer gleich hell: In einem etwa elfjährigen Zyklus
wechseln sich Phasen hoher Aktivität, in denen unser Zentralgestirn besonders
viel Strahlung und Teilchen zur Erde sendet, mit vergleichsweise ruhigen Phasen
ab. Sichtbares Zeichen dieses Zyklus sind die dunklen Sonnenflecken, die man zum
Teil sogar mit bloßem Auge erkennen kann. Gibt es viele dieser Flecken, ist die
Sonne magnetisch besonders aktiv und strahlt somit sehr hell.
Dass sich der Sonnenzyklus auch auf die Temperaturen auf der Erde auswirkt, ist
seit Längerem bekannt. So fallen besonders kalte Phasen der Erdgeschichte - etwa
das sogenannte Maunder-Minimum am Ende des 17. Jahrhunderts - mit Phasen
schwacher Sonnenaktivität zusammen. In ihrer neuen Studie haben die deutschen
und britischen Wissenschaftler nun britische Wetteraufzeichnungen, die bis 1659
zurückreichen, mit der Sonnenaktivität im selben Zeitraum verglichen und
statistisch ausgewertet. Als Maß für die Sonnenaktivität diente die Stärke des
solaren Magnetfeldes, das bis zur Erde reicht und dort kleine Schwankungen im
irdischen Magnetfeld auslöst. Da ausreichend verlässliche Messdaten zum
Magnetfeld der Sonne erst seit etwa 1900 vorliegen, rekonstruierten die Forscher
ältere Werte mithilfe von Computersimulationen.
"Die Stärke des Magnetfeldes ist ein besseres Maß für die Aktivität der Sonne
als etwa die Anzahl der Sonnenflecken", sagt Sami K. Solanki, Direktor am
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Denn zwei Aktivitätsminima, bei
denen so gut wie keine Sonnenflecken das Tagesgestirn überziehen, können mit
sehr unterschiedlichen Magnetfeldstärken verbunden sein. So ist die Sonne
derzeit deutlich weniger aktiv als in den 90 Jahren zuvor.
Der statistische Vergleich der magnetischen "Fieberkurve" der Sonne mit der
Wetterdatenbank spricht eine deutliche Sprache: Nach Jahrzehnten hoher
Sonnenaktivität und vergleichsweise milden Wintern sind harte Winter in Europa
wieder häufiger geworden. Bei geringer Sonnenaktivität liegt die
durchschnittliche Wintertemperatur in Großbritannien etwa ein halbes Grad
niedriger als sonst. Die Ergebnisse der Forscher beziehen sich dabei nur auf die
Winter in England und Mitteleuropa.
Grund für diese sehr regionale Auswirkung der niedrigen Sonnenaktivität könnten
Veränderungen der Winde in der Troposphäre, der untersten Atmosphärenschicht,
sein. Heizt sich die darüber gelegene Stratosphäre nur schwach auf, reißen die
milden Starkwinde vom Atlantik in der Troposphäre ab, vermuten die
Wissenschaftler. Stattdessen sind Großbritannien und Mitteleuropa dann dem
Einfluss kalter Winde aus dem Nordosten ausgesetzt. Der genaue Wirkmechanismus
ist allerdings noch unklar.
"Der Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und kalten Wintern in Europa war erst
erkennbar, nachdem wir den überlagerten Trend der globalen Erwärmung heraus
gerechnet hatten", erklärt Solanki. Die Studie widerspricht somit nicht der
Theorie einer globalen Erwärmung, die auf den Einfluss des Menschen zurückgeht.
Ganz im Gegenteil: Vieles deutet darauf hin, dass die Sonne für diesen Effekt
nur zu einem kleineren Teil verantwortlich ist. Ob auch der nächste Winter in
Großbritannien und Mitteleuropa ein klirrend kalter wird, können die
Wissenschaftler nicht vorhersagen. Ihre Ergebnisse sind statistischer Natur und
deuten lediglich auf den Trend hin, dass in Zeiten niedriger Sonnenaktivität
ungewöhnlich kalte Winter häufiger auftreten. Doch auch 1685, mitten im Maunder-Minimum,
belegen die britischen Wetteraufzeichnungen den wärmsten Winter seit 350 Jahren.
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