90 Prozent der Galaxien werden übersehen
von Stefan Deiters astronews.com
25. März 2010
Schon länger war Astronomen klar, dass bei bestimmten
Durchmusterungen des entfernten Universums ein Teil der Galaxien unentdeckt
bleibt. Mithilfe des Very Large Telescope konnten sie diesen Anteil
nun auf bis zu 90 Prozent abschätzen. Gleichzeitig spürten sie einige der
lichtschwächsten Galaxien im frühen Universum auf.

Der Bereich am Himmel, den das Astronomenteam
analysiert hat. Die Region ist identisch mit dem
GOODS-South-Feld, einer gut untersuchten Region
am Südhimmel.
Bild: ESO
/ M. Hayes
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Um herauszufinden, wie viele Sterne in weit entfernten Galaxien
entstehen, beobachten Astronomen häufig in einem Wellenlängenbereich, der einem
bestimmten Licht entspricht, das von Wasserstoff ausgesandt wird, der
sogenannten Lymann-alpha-Linie. Allerdings hatten sie schon seit längerem den
Verdacht, dass sie dabei viele Galaxien im jungen Universum übersehen. Bei einer
neuen Durchmusterung mit Hilfe des Very Large Telescopes (VLT) der
europäischen Südsternwarte ESO konnten die Wissenschaftler nun zeigen, dass
tatsächlich genau dies passiert: Dem größten Teil des Lymann-alpha-Lichtes
gelingt es nämlich gar nicht, "seine" Galaxie zu verlassen. So tauchen 90
Prozent der Galaxien in solchen Lymann-alpha-Durchmusterungen gar nicht auf.
"Astronomen war schon länger bewusst, dass sie einen gewissen Teil der
Galaxien bei Lymann-alpha-Durchmusterungen übersehen", erläutert Matthew Hayes
von der Genfer Sternwarte, der auch Hauptautor eines Artikels über die
Ergebnisse ist, der in der Fachzeitschrift Nature erscheint. "Jetzt
können wir dies aber erstmals messen. Der Anteil der übersehenen Galaxien ist
beachtlich."
Um diesen Anteil abschätzen zu können, beobachteten Hayes und seine Kollegen
mit einem VLT-Teleskop einen bestimmten Himmelsbereich im Lymann-alpha-Licht -
ganz so, wie dies bei Standard-Lymann-alpha-Durchmusterungen gemacht wird. Mit
einem anderen VLT-Teleskop beobachteten sie dann den selben Himmelsbereich in
einer anderen von Wasserstoff ausgesandten Wellenlänge, bekannt als H-alpha.
Dabei konzentrierten sie sich besonders auf Galaxien, die etwa zehn Milliarden
Lichtjahre von der Erde entfernt sind. Der anvisierte Bereich entspricht der gut
untersuchten Region der GOODS-South-Durchmusterung.
"Es ist das erste Mal, dass wir einen Bereich am Himmel so tief im Licht von
Wasserstoff in zwei spezifischen Wellenlängen beobachtet haben", erläutert
Teammitglied Göran Östlin von der Universität in Stockholm. "Und dies erwies
sich als entscheidend." Durch die gründliche Beobachtung kamen nämlich auch
einige der lichtschwächsten Galaxien in dieser frühen Phase des Universums zum
Vorschein.
Die Astronomen konnten so ermitteln, dass die traditionellen im Lymann-alpha-Licht
durchgeführten Durchmusterungen nur einen Bruchteil des gesamten ausgestrahlten
Lichtes erfassen, da ein Großteil der Lymann-alpha-Photonen von interstellaren
Wolken aus Gas und Staub verschluckt wird. Dieser Effekt ist für Lymann-alpha-Licht
wesentlich ausgeprägter als für H-alpha-Licht. Die Wissenschaftler schätzten,
dass so bis zu 90 Prozent der Galaxien unentdeckt bleiben. "Wenn man zehn
Galaxien sieht, könnten in Wirklichkeit 100 dort sein", so Hayes.
Beobachtungen in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen führen immer dazu,
dass man nur einen Teil des Universums zu Gesicht bekommt. Die jetzt
vorgestellten Ergebnisse sollten nach Ansicht der beteiligten Astronomen eine
Warnung für Kosmologen sein, die bei der Untersuchung des jungen Universum
verstärkt auf Beobachtungen im Lymann-Alpha-Bereich setzen. "Jetzt, wo wir
wissen, wie viel Licht wir übersehen, können wir anfangen, uns ein sehr viel
besseres Bild des Weltalls zu machen und genauer zu ermitteln, wie schnell
Sterne in verschiedenen Entwicklungsphasen des Universums entstanden sind",
erklärt Teammitglied Miguel Mas-Hesse vom spanischen Centro de Astrobiologia
(CSIC-INTA).
Entscheidend für den Erfolg der Untersuchung war die leistungsfähige Kamera
HAWK-I, die erstmals 2007 eingesetzt wurde. Ein vergleichbares Instrument findet
sich bislang nur an deutlich kleineren Teleskopen. Nur die Kombination aus VLT
und HAWK-I ist daher derzeit in der Lage so lichtschwache Galaxien in dieser
Entfernung sicher aufspüren zu können.
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