Ferne Sonne zerreißt Gasriesen
von Stefan Deiters astronews.com
25. Februar 2010
Ein internationales Astronomenteam hat eine faszinierende
Entdeckung gemacht: Die ungewöhnliche Größe des Gasriesen WASP-12b lässt sich
offenbar auf den zerstörerischen Einfluss seines Zentralsterns zurückführen.
Vermutlich dürfte die ferne Welt nicht mehr lange existieren. Die Forscher
fanden zudem Hinweise auf eine Super-Erde in dem System.
So könnte das System WASP-12b im Sternbild
Fuhrmann aussehen.
Bild: ESA/C. Carreau / Kavli Foundation |
Durch ihre Entdeckung können die Astronomen nicht nur erklären,
was mit WASP-12b passiert, sondern sie bietet den Forschern auch eine einmalige
Gelegenheit, einen Planeten in der letzten Phase seiner Existenz zu beobachten.
"Das ist das erste Mal, dass man die fortschreitende Zerstörung und den
Todesmarsch eines Planeten verfolgen kann", sagt Douglas Lin, Professor an der
University of California in Santa Cruz und Gründungsdirektor des
Kavli Institute for Astronomy and Astrophysics an der Universität in
Peking, wo ein Großteil der Untersuchungen durchgeführt wurde. Lin ist auch
Mitautor eines Fachartikels über die Entdeckung, der heute in der
Wissenschaftszeitschrift Nature erscheint.
Das Forscherteam analysierte Beobachtungsdaten des Planeten, um
herauszufinden, wie die Anziehungskraft des Zentralsterns den Planeten
beeinflusst und ob sie zu seiner raschen Vernichtung führen wird. WASP-12b wurde
2008 entdeckt und gehört zu den eher ungewöhnlichen extrasolaren Planeten. Es
handelt sich um einen Gasriesen, der seine Sonne in einem Abstand von etwas mehr
als 1,6 Millionen Kilometern umrundet und dabei deutlich größer ist, als es die
Modelle der Wissenschaftler vorhersagen. Seine Masse ist etwa um die Hälfte
größer als die von Jupiter, gleichzeitig hat der Planet aber das sechsfache
Volumen von diesem. Die Temperaturen auf seiner Tagseite betragen um die 2.500
Grad Celsius.
Um diese Eigenschaften erklären zu können, muss es irgendeinen Mechanismus
geben, der für eine Ausdehnung des Planeten auf seine unerwartete Größe sorgt.
Bei der Suche konzentrierten sich die Wissenschaftler auf Gezeitenkräfte, die
ihrer Ansicht nach stark genug sind, um die Beobachtungen zu erklären. Die
Gezeitenkräfte zwischen Mond und Erde sorgen auf unserem Heimatplaneten dafür,
dass der Meeresspiegel zwei Mal am Tag ansteigt. Bei WASP-12b allerdings müssen
diese Gezeitenkräfte - wegen der großen Nähe zu seinem Zentralstern - deutlich
größer sein: Sie dürften dazu führen, dass der Planet eine eher längliche Form
hat und deswegen mehr einem Rugby-Ball gleicht.
Doch die Gezeitenkräfte haben noch einen zusätzlichen Effekt: Sie sorgen für
Reibung im Inneren des Planeten, wodurch Wärme erzeugt wird und der Planet sich
ausdehnt. Die Astronomen nennen diesen Prozess "Gezeitenheizung". "Es ist das
erste Mal, dass man einen direkten Beweis dafür hat, dass diese Gezeitenheizung
für das Aufblähen eines Planeten verantwortlich ist", so Lin.
Die Größe ist aber auch ausschlaggebend für das Schicksal des Planeten, da
durch die Anziehungskraft der Sonne Material so leichter weggerissen werden
kann. "WASP-12b verliert Masse und zwar sechs Milliarden Tonnen pro Sekunde",
erläutert Lin. "Bei dieser Rate wird der Planet in rund zehn Millionen Jahren
komplett vernichtet sein. Das mag sich wie eine lange Zeit anhören, doch für
Astronomen ist das gar nichts."
Das Material von WASP-12b stürzt nicht direkt in die ferne Sonne, sondern
sammelt sich zunächst in einer Scheibe um den Stern. Eine gründliche Analyse des
Orbits von WASP-12b hat ergeben, dass sich in dieser Scheibe eventuell ein
weiterer Planet mit deutlich niedrigerer Masse befinden könnte. Es dürfte sich
um einen Gesteinsplaneten handeln, der allerdings deutlich größer als die Erde
sein dürfte - eine sogenannte Super-Erde.
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