Mit Spielkonsolen-Technik auf Wellenjagd
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
15. Dezember 2009
Bislang haben Forscher vergeblich auf die von Albert Einstein vorhergesagten
Gravitationswellen gelauscht. Astronomen der Universität Bonn haben jetzt
aber auf eine vielsprechende Quelle für diese Kräuselungen der Raumzeit
hingewiesen - Schwarze Löcher, die in Sternhaufen dicht umeinander kreisen.
Ihre Simulationen machten die Forscher mit Hilfe von Grafikprozessoren, die
ursprünglich für Spielkonsolen entwickelt worden waren.
Luftbild des "Laser Interferometer
Gravitational Wave Observatory" (LIGO) in Hanford,
USA. Mit der Anlagen sollen Gravitationswellen
aufgespürt werden. Die beiden Arme des
Interferometers verlaufen in einem rechten Winkel
zueinander und sind jeweils rund vier Kilometer
lang.
Foto: LIGO Scientific Collaboration (LSC) |
Nach Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie geben alle beschleunigten Massen Gravitationswellen ab, die die Raum-Zeit-Struktur verbiegen. Das Problem: Gravitationswellen konnten noch nie direkt nachgewiesen werden.
Wissenschaftler vom Argelander-Institut für Astronomie haben nun auf
eine vielleicht gut zu beobachtende Quelle von Gravitationswellen
hingewiesen: Schwarze Löcher, die in Sternhaufen dicht um einander kreisen. Die
Astronomen veröffentlichten die Resultate ihrer Untersuchung jetzt in
der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society.
Die Allgemeine Relativitätstheorie besagt, dass beschleunigte Massen in der Raumzeit Störungen erzeugen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit wellenartig ausbreiten: Gravitationswellen. Alle im Raum befindlichen Objekte werden bei dieser Wellenbewegung rhythmisch gestaucht und gestreckt. Um Einsteins Vorhersage experimentell nachzuweisen und weitere Einblicke ins All zu erhalten, installieren Astronomen derzeit ein weltweites Netzwerk aus Gravitationswellendetektoren.
Die "Kräuselungen" der Raumzeit zu finden, ist aber extrem schwierig. Denn wenn die Wellen von unvorstellbar weit entfernten energiereichen Quellen die Erde erreichen, sind sie
äußerst schwach. Ein ein Kilometer langes Objekt auf der Erde würde beispielsweise seine Länge nur um weniger als den Durchmesser eines Protons verändern.
Damit die Experimente überhaupt eine bessere Chance auf Erfolg haben, versuchen
Theoretiker mit Hilfe von Simulationen Quellen im All zu identifizieren, die als
Aussender von Gravitationswellen in Frage kommen. Ein Team um Professor Dr. Pavel Kroupa vom Argelander-Institut der Universität Bonn
glaubt nun, einige besonders aussichtsreiche Kandidaten gefunden zu haben. Für
ihre Berechnungen nutzten Dr. Sambaran Banerjee und Dr. Holger Baumgardt sogenannte
GPUs. Diese Graphical Processing Units sind ursprünglich für graphische
Darstellungen von Computerspielen entwickelt worden. Sie berechnen bestimmte
Aspekte mehrere Hundert mal schneller als normale Prozessoren und sind zudem viel kostengünstiger als herkömmliche Supercomputer.
Mit diesen leistungsfähigen Hilfsmitteln haben die Forscher die dynamischen Prozesse in Sternhaufen, die normalerweise Millionen Jahre dauern, am Computer durchlaufen lassen.
"Wir haben die Bewegung von jedem einzelnen Stern in einem Sternhaufen und die Gravitationskräfte aller Sterne in unsere Rechnung mit einbezogen", erläutert der Humboldt-Stipendiat
Banerjee.
Viel häufiger als angenommen, entwickelten sich in den Sternhaufen demnach irgendwann Doppelsterne aus zwei
Schwarzen Löchern. "Unsere Berechnungen zeigen, dass diese umeinander kreisenden
Schwarzen Löcher die dominierenden Quellen für Gravitationswellen sind", sagt Pavel Kroupa. Diese Erkenntnis werde
seiner Ansicht nach für die zukünftige Arbeit an den Detektoren sehr hilfreich sein.
In einem sehr jungen Sternhaufen ähneln sich die stellaren Objekte zunächst. Nach dynamischen Prozessen im Laufe von etwa 100 Millionen Jahren ergibt sich dann aber ein ganzes Spektrum exotischerer Objekte. Ein Stern verbrennt im Laufe seiner Entwicklung große Mengen Wasserstoff zu Helium. Wenn irgendwann der Brennstoff aufgebraucht ist, gibt es eine gewaltige Explosion – eine Supernova.
"Von der Masse des Sterns hängt die weitere Entwicklung ab", erläutert Heisenberg-Stipendiat Baumgardt. Aus weniger
massereichen Sternen – etwa wie die Sonne – entstehen sogenannte Weiße Zwerge. Sterne mit
der acht bis 20 Masse unserer Sonne entwickeln sich zu Neutronensternen. Nur die ganz
"schweren" Sterne werden zu Schwarzen Löchern.
Die massereichen Objekte in einem Sternhaufen wandern mit der Zeit ins
Zentrum, sammeln sich dort und interagieren miteinander. Die Wahrscheinlichkeit ist daher hoch, dass sich dort zwei
Schwarze Löcher finden und gegenseitig umkreisen. Die enorme Energiemenge, die bei diesem
"Tanz" verloren geht, wird dann in Form von extrem starken Gravitationswellen
frei – Wellen, die man hoffentlich bald auf der Erde wird nachweisen können.
Die Verwendung von Prozessoren, die ursprünglich für grafische Darstellungen
entwickelt wurden, hat sich in den vergangenen Jahren als günstige Alternative
zu speziell auf das jeweilige Problem zugeschnittene Hardware erwiesen. Diese in
Massenproduktion gefertigten Prozessoren sind erheblich billiger zu beschaffen
als teure Spezialanfertigungen und bieten - im Vergleich zu Standardprozessoren
- trotzdem noch eine deutlich bessere Leistung bei den komplexen Rechnungen der
Wissenschaftler.
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