Schwarzes Loch hilft bei Galaxiengeburt
von Stefan Deiters astronews.com
1. Dezember 2009
Was war zuerst da: die supermassereichen Schwarzen Löcher in
den Zentren oder die sie umgebenden Galaxien? Für dieses kosmische "Henne und
Ei"-Problem gibt es jetzt durch Beobachtungen am Very Large Telescope
der ESO eine neue Lösung. Die Astronomen entdeckten nämlich ein Schwarzes Loch,
das offenbar gerade dabei ist, eine Wirtsgalaxie entstehen zu lassen.

Der Jet des Quasars könnte die
Sternentstehung in einer Gaswolke angeregt haben
(künstlerische Darstellung).
Bild: ESO/L. Calçada |
"Die 'Henne und Ei'-Frage, ob zuerst die Galaxie oder das Schwarze
Loch existiert hat, ist heute eine der am meisten diskutierten Fragen der
Astrophysik", erläutert David Elbaz vom französischen Service
d’Astrophysique am CEA Saclay, der die Untersuchung leitete.
"Unsere Daten deuten darauf hin, dass supermassereiche Schwarze Löcher die
Entstehung von Sternen anregen können und sich somit praktisch ihre eigenen
Wirtsgalaxien bauen. Dies könnte auch erklären, warum Galaxien mit mehr Sternen
größere Schwarze Löcher haben."
Zu dem Ergebnis gelangten die Forscher durch Beobachtung des fünf Milliarden
Lichtjahre entfernten Quasars HE0450-2958. Bei Quasaren handelt es sich um meist
weit entfernte, aktive Kerne von Galaxien, die so hell sind, dass sie die sie
umgebende Galaxie überstrahlen. Während man aber bei allen anderen
Quasaren die jeweilige Wirtsgalaxie inzwischen entdecken konnte, gelang dies bei
HE0450-2958 nicht (astronews.com berichtete).
Bislang hatte man vermutet, dass die Wirtsgalaxie des Quasars sich hinter
großen Mengen aus Staub versteckt. Die Astronomen nutzten daher am Very
Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile ein
Instrument, das im infraroten Bereich des Lichts beobachtet. "Eine Beobachtung
in diesen Wellenlängenbereichen sollte es uns erlauben, den Staub aufzuspüren,
hinter dem sich die Wirtsgalaxie versteckt", erklärt Knud Jahnke vom
Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, der die Beobachtungen am VLT
leitete. "Allerdings haben wir gar nichts gefunden. Stattdessen entdeckten wir,
dass in einer anderen Galaxie in der Nähe, die auf den ersten Blick nichts mit
dem Quasar zu tun hat, mit einer hohen Rate neue Sterne entstehen."
Aus den Daten ergab sich bald ein ganz neues Bild auf das ferne System: Um
das Schwarze Loch herum befinden sich keinerlei Sterne. Dafür gibt es in einer
Galaxie in der Nähe extrem viele junge, helle Sterne und es bilden sich neue
Sonnen mit einer Rate von 350 Sonnenmassen pro Jahr - das ist eine Hundert Mal
höhere Rate als im lokalen Universum.
Es gibt, wie frühere Beobachtungen zeigten, sogar eine Verbindung zwischen
dem Schwarzen Loch und der Galaxie: Der Quasar schießt mit einem Jet aus
hochenergetischen Partikeln und Gas auf die Nachbargalaxie. Es könnte also
sein, dass der Quasar auf diese Weise die Entstehung von Sternen anregt und die
Galaxie ohne ihn gar nicht entstanden wäre. Nach diesem Modell würden Galaxien
aus Gaswolken entstehen, die von dem Jet eines Quasars getroffen werden.
"Die beiden Objekte werden in Zukunft verschmelzen", ist Elbaz überzeugt.
Schon jetzt beträgt die Entfernung zwischen beiden Systemen nur 22.000
Lichtjahre. "Noch ist der Quasar 'nackt', doch wird sich das ändern, wenn er mit
der Galaxie verschmolzen ist. Dann wird er sich auch in einer Wirtsgalaxie befinden
-
wie alle anderen Quasare."
Das Modell, nach dem Galaxienentstehung durch die Jets von Schwarzen Löchern
angeregt wird, könnte auch erklären helfen, warum die Masse von Schwarzen
Löchern größer ist, wenn sie sich in Galaxien befinden, die mehr Sterne
enthalten. Als nächsten Schritt wollen die Astronomen nun versuchen, ähnliche
Objekte aufzuspüren. Eine neue Generation von Teleskopen, die im nächsten
Jahrzehnt zur Verfügung stehen wird, sollte es zudem bald erlauben, noch deutlich mehr
über die Verbindung von Schwarzen Löchern und der Entstehung von Galaxien im
frühen Universum zu erfahren.
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