Der Bulge von Galaxien im Visier
von Stefan Deiters astronews.com
19. November 2009
In den Zentren von Spiralgalaxien findet sich in der Regel
ein Bereich mit einer hohen Konzentration von Sternen, der sogenannte Bulge. Wie
diese Komponente der Galaxien entsteht und sich entwickelt, ist den Astronomen
bislang noch nicht vollständig klar. Ein gezieltes Beobachtungsprogramm soll da
Abhilfe schaffen. Eine der dazu untersuchten Galaxien ist NGC 4710.

Hubbles Blick auf NGC 4710.
Bild: ESA / NASA [Großansicht] |
Wenn man sich für den Bulge von Spiralgalaxien interessiert, also
jenen Bereich im Zentrum der Galaxien, in der es eine besonders hohe
Konzentration von Sternen gibt, versucht man am besten Galaxien zu finden, bei
denen wir von der Erde aus direkt auf ihre Kante blicken. Dann nämlich lässt
sich diese Komponente, die fast alle Spiralgalaxien aufweisen, deutlich besser
von der Scheibe der Systeme unterscheiden. Ein Beispiel für eine solche Galaxie
ist NGC 4710. Das jetzt von NASA und ESA veröffentlichte Bild entstand mit
Hubbles Advanced Camera for Surveys im Januar 2006.
Auf der Aufnahme ist deutlich die helle, weißliche galaktische Scheibe zu
erkennen, die auch durch den Bulge der Galaxie verläuft. Beide Komponenten sind
von dunklen Staubschwaden umgeben. In der Mitte der Galaxie ist außerdem ein
geisterhaftes "X" zu erkennen, was sich aus der vertikalen Bewegung der Sterne
im balkenförmigen Zentralbereich der Galaxie erklären lässt. Ist es nur zu
sehen, wenn man Galaxien von der Seite beobachtet. Normalerweise kommt das
Phänomen bei Galaxien mit kleinem Bulge und weiten Spiralarmen häufiger vor. Bei
Galaxien wie NGC 4710, die enge Spiralarme und einen markanten Bulge hat, ist es
seltener.
NGC 4710 gehört zum Virgo-Galaxienhaufen und liegt im Sternbild Haar der
Berenike. Die Galaxie ist kein besonders helles Haufenmitglied, kann aber schon
mit einem mittleren Amateurteleskop als schwacher, länglicher Fleck beobachtet
werden. Sie wurde in den 1780er Jahren von William Herschel entdeckt, der sie
als "schwachen Nebel" beschrieb. Sie ist rund 60 Millionen Lichtjahre von der
Erde entfernt und wird als linsenförmige Galaxie vom Typ S0 klassifiziert.
Linsenförmige Galaxien weisen sowohl Merkmale von Spiralgalaxien als auch von
elliptischen Galaxien auf.
Das besondere Interesse der Astronomen galt bei ihren Beobachtungen dem
System aus Kugelsternhaufen um die Galaxie. Die Sternhaufen können den Forschern
nämlich einiges über die Entstehung des Bulges verraten. Dabei sind zwei
unterschiedliche Prozesse am Werk: So könnte der Bulge sehr schnell im frühen
Universum entstanden sein, noch bevor sich die Scheibe und die Spiralarme
ausgebildet haben oder aber er könnte sich sehr langsam aus Material der
galaktischen Scheibe gebildet haben.
Im Falle von NGC 4710 haben die Astronomen äußerst wenige Kugelsternhaufen
entdeckt, die sie mit dem Bulge in Verbindung bringen konnten. Sie folgern
daraus, dass sich bei NGC 4710 der Bulge eher langsam gebildet haben muss.
Kugelsternhaufen zählen in der Regel zu den ältesten Bestandteilen einer
Galaxie. Ihre Zahl und Verteilung kann den Wissenschaftlern daher einiges über
die Entstehungsgeschichte einer Galaxie verraten.
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