Neuer Entfernungsrekord für Galaxienhaufen
von Stefan Deiters astronews.com
23. Oktober 2009
Zusammen mit anderen Teleskopen hat das NASA-Röntgenteleskops
Chandra nun den entferntesten Galaxienhaufen aufgespürt, der bislang
entdeckt wurde. Die Ansammlung von Galaxien ist 10,2 Milliarden Lichtjahre von
der Erde entfernt - rund eine Milliarde Lichtjahre weiter als der bisherige
Rekordhalter. Die Astronomen erhoffen sich von dem Fund neue Hinweise auf die
Entwicklung des Universums vor zehn Milliarden Jahren.
Der Galaxienhaufen JKCS041. In dem Bild sind
Chandra-Daten mit Material des Very Large
Telescope und des Digitized Sky Survey
kombiniert.
Bild: NASA / CXC / INAF / S.Andreon et al
(Röntgen) / DSS; ESO/VLT [Großansicht] |
Galaxienhaufen, die weiter entfernt sind als die jetzt entdeckte
Ansammlung von Galaxien mit der Bezeichnung JKCS041, sollte es nach Ansicht der
Astronomen nicht geben können. Das macht den neu entdeckten Haufen so
interessant, weil sein Studium einiges über den Zustand des Universums in dieser
Epoche verraten sollte. "Dieses Objekt befindet sich nahe am Entfernungslimit,
das wir für Galaxienhaufen erwarten", erklärt Stefano Andreon vom Istituto Nazionale di Astrofisica in Milan. "Wir glauben nicht,
dass sich durch Gravitation schneller solche Haufen zusammenfinden können."
Galaxienhaufen werden meist erst im optischen oder infraroten Bereich
des Lichtes entdeckt, wo sie sich dadurch verraten, dass ihre Galaxien
von rötlichen, alten Sternen dominiert werden. So war es auch im Fall
von JKCS041: Dieser Haufen fiel den Wissenschaftlern erstmals in Daten
des United Kingdom Infrared Telescope (UKIRT) auf. Die
Entfernung des Haufens wurde dann mit Hilfe einer Reihe weiterer
Teleskope bestimmt. Der letzte und entscheidende Hinweis kam dann aber
vom Röntgenteleskop Chandra. Die Daten bestätigten, dass es
sich wirklich um einen Galaxienhaufen handelte. Chandra
registrierte nämlich die ausgedehnte Röntgenstrahlung, die auf das heiße
Gas der Galaxien zwischen den Haufen zurückgeht.
Ohne die Chandra-Daten hätte theoretisch immer noch die
Möglichkeit bestanden, dass es sich um eine zufällige Ansammlung
mehrerer Galaxiengruppen entlang der Sichtlinie oder ein Filament aus
Galaxien handelt. Die Masse und Temperatur des heißen Gases, das
Chandra beobachtet hat, spricht aber nun eindeutig gegen diese
Möglichkeit und dafür, dass es sich tatsächlich um den entferntesten
bislang bekannten Galaxienhaufen handelt.
"Diese Entdeckung ist wirklich spannend. Sie wäre vergleichbar mit
dem Fund eines Tyrannosaurus Rex-Fossils, das deutlich älter ist als
bislang bekannte", vergleicht Ben Maughan von der University of
Bristol. "Ein Fossil passt vielleicht gerade zu ihrer Theorie über
Dinosaurier, wenn man aber mehrere findet, muss man vielleicht die
Ansichten über die Entwicklung der Dinosaurier überdenken. Das gleiche
gilt für Galaxienhaufen und unser Verständnis der Kosmologie."
Der bisherige Rekordhalter unter den Galaxienhaufen war XMMXCS
J2215.9-1738, der 2006 vom europäischen Röntgenteleskop XMM-Newton
entdeckt wurde. Er ist 9,2 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt.
"Was unsere Entdeckung so faszinierend macht, ist, dass wir aus weiteren
detaillierten Beobachtungen jetzt jede Menge lernen werden", so Andreon.
Unter anderem interessiert die Wissenschaftler die Frage, welche
Elemente in einem so jungen Haufen schon entstanden sind und ob er immer
noch wächst. Ihre Beobachtungen veröffentlichen die Astronomen in einer
kommenden Ausgabe der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics.
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