Wärmehaushalt von Astronauten im Visier
Redaktion
/ Pressemitteilungen des DLR astronews.com
15. Oktober 2009
Heute startet, rechtzeitig zum Beginn der 300-Jahr-Feierlichkeiten der
Berliner Charité, auf der Internationalen Raumstation ISS das Experiment
ThermoLab. Mit ihm wollen Wissenschaftler der Universitätsklinik
Veränderungen des Wärmehaushalts und des Kreislaufs beim Menschen in
Schwerelosigkeit erforschen. Dabei kommt ein neuartiger Sensor zum Einsatz,
an dessen Entwicklung auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) beteiligt war.

Der neue Kommandant der Internationalen
Raumstation ISS, Frank De Winne, wird am
Experiment "Thermolab" teilnehmen.
Foto: ESA |
Wenn Astronauten in die Schwerelosigkeit eintreten, fließen Teile
ihrer Körperflüssigkeiten, wie Blut und Lymphe, sehr schnell von der
unteren in die obere Körperhälfte. Damit verknüpft sind auch
Veränderungen im Wärmehaushalt. Um diese Veränderungen präzise zu
erfassen und ihnen dann zu begegnen, ist die Messung der
Körperkerntemperatur wichtig. Hierunter versteht man die Temperatur der
lebenswichtigen inneren Organe.
In Kliniken und Arztpraxen wurde sie bisher mittels einer Sonde im Körper
gemessen. Dieses Verfahren kann jedoch bei Astronauten nicht angewendet werden.
Beim Experiment ThermoLab verwenden die Wissenschaftler daher ein neues,
nicht-invasives Messverfahren mit dem Doppelsensor. Er erfasst den Wärmefluss am
Kopf und auf dem Brustbein. Die Wärmeflussmengen werden dann über spezielle
mathematische Verfahren in Körperkerntemperaturen umgerechnet und sollen
gemeinsam mit Herz-Kreislauf-Daten zur Beurteilung des Erschöpfungszustandes
dienen. Hierdurch können bei Menschen in besonderen Arbeitssituationen -
beispielsweise Astronauten bei einem Außenbordeinsatz - Gefährdungen frühzeitig
erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Auch auf der Erde
soll das Verfahren, etwa bei Feuerwehreinsätzen, bei Operationen oder der
Überwachung von Säuglingen im Brutkasten, verwendet werden.
Bereits im Februar 2009 wurde das Messgerät mit einem Progress-Versorgungsschiff
zur Raumstation gebracht, um hier die längerfristigen Veränderungen der
Körperkerntemperatur in Schwerelosigkeit zu erforschen. ThermoLab wird
mit weiteren Experimenten der amerikanischen Weltraumbehörde NASA zur
körperlichen Fitness kombiniert, um damit die Regulation des
Herz-Kreislauf-Systems und des Wärmehaushalts genauer zu untersuchen. Die
Versuchsreihe ist auf mehrere Jahre angelegt.
Entwickelt und getestet wurde der Sensor von einer Arbeitsgruppe um Prof.
Gunga und Dr. Werner an der Charité Berlin in Kooperation mit den Draegerwerken
Lübeck. Die Wissenschaftler haben das Verfahren bereits in den Jahren 2007 und
2008 in der kurzzeitigen Schwerelosigkeit von Parabelflügen auf seine
Genauigkeit überprüft. Die erhobenen Messwerte waren sehr präzise und stimmten
mit den durch herkömmliche Verfahren erhaltenen Werten genau überein. Die DLR
Raumfahrt-Agentur hat das Projekt mit Geldern des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördert. Die Kosten für Entwicklung und Bau
des Sensors sowie die Vorbereitung für die Weltraumnutzung belaufen sich auf
rund 400.000 Euro.
Mit dem Experiment ThermoLab soll die Reihe der erfolgreichen
Weltraumexperimente der Berliner Wissenschaftler weitergeführt werden, die von
der ersten Spacelab-Mission 1983 über die deutschen Spacelab-Missionen
D-1 und D-2, die deutsch-russischen MIR-Missionen in den Jahren 1992 und 1997
schließlich bis zur Internationalen Raumstation ISS reichen. Die
Forschungsarbeiten decken dabei ein weites Spektrum von der Molekularbiologie
über die Forschung zu Muskel- und Knochenabbau und zum Gleichgewichtssystem bis
hin zur ganzheitlichen Betrachtung des menschlichen Körpers ab.
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