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Gravitationswellen bieten Astronomen wohl die einzige Möglichkeit, um etwas über den Zustand des Universums unmittelbar nach dem Urknall zu erfahren. Trotz intensiver Suche hat man bis heute jedoch noch keine Gravitationswelle direkt messen können. Allerdings können Forscher aus diesen Nicht-Messungen einiges über die frühe Entwicklung des Universums und über kosmische Strings folgern.
Ein Forschungsprojekt der internationalen LIGO (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) Scientific Collaboration sowie der Virgo Collaboration hat jetzt neue Schlussfolgerungen über die frühe Entwicklung unseres Universums veröffentlicht - obwohl die Forscher eigentlich gar nichts gemessen haben. An der Untersuchung, die heute in der Zeitschrift Nature erscheint, waren auch Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) in Hannover und Potsdam sowie der Leibniz Universität Hannover beteiligt. Die jetzt veröffentlichte Arbeit basiert auf der Auswertung von Daten, die im Zweijahreszeitraum 2005 bis 2007 aufgezeichnet wurden. Sie liefert die bisher genaueste Einschränkung für die Stärke von Gravitationswellen, die beim Urknall entstanden sein könnten. Auf diese Weise konnten die Vorstellungen, wie das Universum in seinen frühesten Momenten aussah, erheblich eingegrenzt werden. Ähnlich wie bei der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung nimmt man an, dass der Urknall eine Flut von Gravitationswellen - winzige Verzerrungen der Raum-Zeit - verursacht hat, die noch immer das Universum ausfüllt und Informationen über die Zeit unmittelbar nach dem Urknall mit sich trägt. Diese frühen Gravitationswellen treten als eine stochastische Hintergrundstrahlung auf. Sie ist vergleichbar mit der Überlagerung von verschieden großen und aus unterschiedlichen Richtungen kommenden Wellen, die sich auf der Oberfläche eines Teiches überlagern. Die Amplitude dieses Hintergrundes steht in direktem Zusammenhang mit den Parametern, die das Verhalten des Universums während der ersten Minute nach dem Urknall bestimmt haben.
Die jüngsten Forschungsergebnisse schränken auch aktuelle Modelle von kosmischen Strings ein. Kosmische Strings sind Objekte, die nach der Theorie aus der Anfangszeit unseres Universums stammen und im Laufe der Expansion des Universums auf eine enorme Größe gestreckt wurden. Nach Ansicht mancher Kosmologen können diese Strings Schleifen bilden, die Gravitationswellen produzieren, wenn sie vibrieren, zerfallen und sich schließlich auflösen. Auch heute noch tragen Gravitationswellen Informationen über ihre heftige Entstehung mit sich - und über die Natur der Gravitation selbst. Diese Informationen können bisher mit keiner anderen astronomischen Methode als der Gravitationswellenforschung erschlossen werden. Die Existenz von Gravitationswellen wurde von Albert Einstein bereits 1916 im Rahmen seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt. Seit 2002 nehmen die Gravitationswellendetektoren LIGO und GEO600 Daten auf, 2007 hat sich auch Virgo der Suche angeschlossen. Die Autoren der neuen wissenschaftlichen Abhandlung berichten, dass der stochastische Gravitationswellen-Hintergrund noch nicht gefunden wurde. Trotzdem ermöglicht gerade dieses "Nichtmessen" einen Einblick in die Frühgeschichte des Universums und das Eingrenzen entsprechender Theorien. Die jetzt vorgestellte Untersuchung basiert auf Daten, die von den drei amerikanischen LIGO-Interferometern aufgenommen wurden: zwei LIGO-Detektoren mit Armlängen von zwei bzw. vier Kilometern stehen in Hanford im Bundesstaat Washington, ein weiterer mit einer Armlänge von vier Kilometern arbeitet in Livingston im Bundesstaat Louisiana. Jeder Detektor besteht aus einem L-förmigen Laserinterferometer, dessen Laserstrahl in zwei Teilstrahlen aufgespalten wird, die in den Armen des Interferometers hin und her laufen. Die beiden Strahlen dienen dazu Längenunterschiede zwischen den Armen präzise zu messen. Nach der allgemeinen Relativitätstheorie wird ein Arm des Interferometers von einer durchquerenden Gravitationswelle ein wenig gestreckt, während gleichzeitig der andere ein wenig gestaucht wird. Das Interferometer ist so konstruiert, dass Längenänderungen zwischen den beiden Armen von weniger als einem tausendstel des Durchmessers eines Atomkerns gemessen werden können. Aufgrund dieser außergewöhnlichen Genauigkeit können mit Hilfe der Instrumente jetzt einige Modelle zur Entwicklung des frühen Universums getestet werden, die davon ausgehen, dass ein stochastischer Gravitationswellen-Hintergrund produziert wurde. "Da wir noch keinen stochastischen Hintergrund beobachtet haben, können wir solche Modelle zum frühen Universum ausschließen, die einen relativ starken stochastischen Hintergrund voraussagen," erklärt Vuk Mandic von der Universität Minnesota. "Wir wissen jetzt etwas mehr über die Parameter, die das Universum im Alter von weniger als einer Minute beschreiben." Er fährt fort: "Wenn kosmische Strings oder Superstrings existieren, so müssen ihre Eigenschaften mit den Ergebnissen unserer Messungen übereinstimmen. Dies bedeutet, dass Eigenschaften, wie z.B. die Spannung der Strings, stärker eingegrenzt sind als zuvor. Das ist deshalb besonders interessant, da solche Strings auch als 'fundamentale Strings' in vielen Stringtheorien auftauchen. Unsere Messungen bieten also auch die Möglichkeit, Modelle der Stringtheorie zu testen; das ist heutzutage eine sehr seltene Gelegenheit. Und für solche maßgeblichen Resultate wurde LIGO entworfen." Ab 2014 wird mit Advanced LIGO den Wissenschaftlern ein noch deutlich empfindlicherer Detektor zur Verfügung stehen, von dessen Ergebnissen sich die Forscher noch weitere Einschränkungen ihrer Modelle erhoffen. David Reitze, Professor für Physik an der Universität Florida und Sprecher der LIGO Scientific Collaboration ist überzeugt: "Gravitationswellen sind der einzige Weg, das Universum im Moment seiner Entstehung zu beobachten; sie sind in dieser Hinsicht absolut einzigartig. Es gibt schlicht und ergreifend keine andere Art der Astronomie, die uns derartige Einblicke liefern kann. Deswegen ist dieses Resultat im Besonderen und die Gravitationswellenastronomie im Allgemeinen so aufregend!". Maria Alessandra Papa, leitende Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) und Leiterin der gesamten LSC Datenanalyse ergänzt: "Hunderte von Wissenschaftlern arbeiten intensiv daran, um grundlegende Ergebnisse wie dieses zu erzielen: Die technisch orientierten Wissenschaftler, die unsere Detektoren entwerfen, bauen und betreiben; die Teams, die die Daten für die Suche nach astrophysikalischen Quellen aufbereiten sowie die Daten-Analytiker, die empfindliche mathematische Verfahren entwickeln und anwenden, um die sehr schwachen und flüchtigen Signale in den Datenströmen zu finden." Das LIGO-Projekt wird von der amerikanischen National Science Foundation (NSF) finanziert. Es wurde entwickelt und wird betrieben vom California Institute of Technology (CalTech) und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit dem Ziel, Gravitationswellen direkt zu messen und die Beobachtung von Gravitationswellen als astronomische Methode zu entwickeln. Die Forschung wird von der LIGO Scientific Collaboration LSC durchgeführt, einer Gruppe von rund 700 Wissenschaftlern aus 12 verschiedenen Ländern. Zum Interferometer-Netzwerk der LIGO Scientific Collaboration gehören die US-amerikanischen LIGO-Interferometer und der deutsch-britische Gravitationswellendetektor GEO600. Er ist in der Nähe von Hannover angesiedelt und wird von Forschern des AEI sowie von den britischen Universitäten Glasgow, Cardiff und Birmingham betrieben. Die Virgo Collaboration hat das 3 km lange Virgo-Interferometer in der Nähe von Cascina, Italien, entworfen und gebaut. Zur Virgo Collaboration gehören 200 Wissenschaftler aus fünf europäischen Ländern, vor allem aus Frankreich und Italien. Unterstützt werden sie dabei vom niederländisch-französisch-italienischem European Gravitational Observatory Consortium. Die LIGO Scientific Collaboration und Virgo arbeiten zusammen, um gemeinsam die Daten der LIGO-, Virgo- und GEO600-Interferometer zu analysieren.
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