Umweltsatellit beobachtet Venusatmosphäre
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
17. Juli 2009
Der europäische Umweltsatellit Envisat geht fremd: Mithilfe des
Atmosphäreninstrumentes SCIAMACHY untersuchten Wissenschaftler jetzt die
Atmosphäre unseres Nachbarplaneten Venus. Sie erhoffen sich davon wichtige
Erkenntnisse darüber, wie man in Spektraldaten von extrasolaren Planeten
Anzeichen für potentiell lebensfreundliche Bedingungen finden kann.

Der 2002 gestartete europäische Umweltsatellit
Envisat, auf dem SCIAMACHY (Scanning Imaging
Absorption Spectrometer for Atmospheric
CHartographY) als eines der Hauptinstrumente im
Einsatz ist.
Bild: DLR |
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und des
SRON Netherlands Institute for Space Research haben für das
Atmosphäreninstrument SCIAMACHY (SCanning Imaging Absorption SpectroMeter
for Atmospheric CHartographY) auf dem europäischen Umweltsatelliten
Envisat ein neues Einsatzgebiet gefunden. Im März und Juni 2009 blickte das
Spektrometer, initiiert vom DLR-Institut für Methodik der Fernerkundung und
SRON, fort von seinem üblichen Ziel Erde in Richtung unseres inneren
Nachbarplaneten Venus und untersuchte seine Strahlung in Wellenlängen des
sichtbaren Lichts und des nahen Infrarots.
"Die Durchführung dieser Beobachtungen war eine große Herausforderung, da
SCIAMACHY eigentlich nicht für derartige Messungen vorgesehen war", sagt Dr.
Manfred Gottwald, am DLR-Institut für Methodik der Fernerkundung für den Betrieb
von SCIAMACHY verantwortlich. "Wir waren überrascht, wie ausgezeichnet dennoch
alles funktionierte", ergänzt sein Institutskollege Dr. Sander Slijkhuis,
Experte für die Kalibrierung des Instruments.
Die Venusbeobachtungen von SCIAMACHY besitzen zweifachen Nutzen. Sie
unterstützen einerseits "Vor-Ort"-Messungen der Raumsonde Venus Express
der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Venus Express umkreist
unseren Nachbarplaneten seit 2006 und untersucht mit den Spektrometern SPICAV
und VIRTIS die dichte Venusatmosphäre mit hoher Genauigkeit. SCIAMACHY auf
Envisat und Venus Express beobachten die Venus unter
unterschiedlichen Beobachtungsgeometrien und Beleuchtungsverhältnissen, sodass
sich ihre Ergebnisse gut ergänzen.
Darüber hinaus sind SCIAMACHYs Venusbeobachtungen ein weiterer Test dafür,
wie sich ein erdähnlicher Planet spektral darstellt, wenn man ihn aus großer
Entfernung betrachtet. Seit Mitte der 90er-Jahre die ersten extrasolaren
Planeten - also Planeten, die andere Sterne als die Sonne umkreisen - entdeckt
wurden, ist die Suche nach erdähnlichen Begleitern von sonnenähnlichen Sternen,
das heisst die Suche nach einer "zweiten Erde", eine der großen
Herausforderungen der Astronomie.
Gegenwärtig sind die meisten der gefundenen so genannten Exoplaneten jedoch
riesige Gasplaneten, ähnlich dem Jupiter. Mit dem Weltraumteleskop CoRoT
(Convection, Rotation and Planetary Transits), an dem auch das DLR
beteiligt ist, gelang es 2008 erstmals, einen möglicherweise erdähnlichen
Exoplaneten aufzuspüren (astronews.com berichtete). Doch in naher Zukunft
könnten mithilfe verbesserter Teleskope auch kleine, erdähnliche Körper in
Reichweite kommen. Aufgrund ihrer enormen Entfernung werden sie jedoch immer
punktförmig erscheinen.
Die Spektralanalyse des von ihnen gestreuten Lichts des Zentralsterns und der
thermisch emittierten Strahlung könnte Aussagen darüber erlauben, ob sie
geeignet sind, Leben zu beherbergen. Deshalb sind Beobachtungen der bekannten
Planeten unseres Sonnensystems ein vorzügliches Experimentierfeld, um
Erfahrungen hinsichtlich der Interpretation spektraler Signaturen terrestrischer
Körper zu sammeln.
Mit den Beobachtungen an der heißen, lebensfeindlichen Venus, die von einer
dichten Kohlendioxidatmosphäre umgeben ist, können in unserer unmittelbaren
kosmischen Nachbarschaft hervorragende Vergleichsdaten für die Analyse der
Atmosphären von Exoplaneten gewonnen werden. "Als Planetenforscher sind wir
natürlich über diese zusätzlichen Messungen, die von einer Mission stammen, die
eigentlich der Erdbeobachtung gewidmet ist, hoch erfreut", erklärt Prof. Tilman
Spohn, Direktor des DLR-Instituts für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Er
fügt hinzu: "Es ist ausgezeichnet, dass diese Daten vom SCIAMACHY-Team wieder
aufgegriffen wurden, sie sind uns eine Hilfe bei der Einschätzung der Daten, die
unsere Experimente auf den Planetenmissionen liefern."
"Wir sind sehr beeindruckt von den SCIAMACHY-Beobachtungen", freut sich auch
Prof. Heike Rauer vom DLR-Institut für Planetenforschung, Projektleiterin für
die DLR-Beteiligung bei der Suche nach Exoplaneten mit CoRoT. Sie
ergänzt: "Die neuen Ergebnisse illustrieren ausgezeichnet, welche Signaturen der
Atmosphäre man erwarten würde, sollten wir einen Venus-ähnlichen Exoplaneten
entdecken."
Mit zukünftigen Satelliten kann dann bei solchen Planeten nach Anzeichen für
eine Biosphäre, dem Lebensraum von Organismen, gesucht werden. Bei der Suche
nach so genannten "Biomarkern", also Bestandteilen in der Atmosphäre und auf der
Oberfläche von Planeten, die durch den Stoffwechsel von Lebewesen entstehen,
arbeiten die Wissenschaftler des DLR-Instituts für Methodik der Fernerkundung in
Oberpfaffenhofen mit Forschern des DLR-Instituts für Planetenforschung in
Berlin-Adlershof seit längerem zusammen.
Des weiteren ist beabsichtigt, die SCIAMACHY-Messungen im Rahmen der
Helmholtz-Allianz "Planetenentwicklung und Leben" zu verwenden. In einem
internationalen Forschungsverbund widmet man sich hier unter anderem der Frage,
welche Bedingungen auf einem Planeten herrschen müssen, damit sich Leben
entwickeln kann. Hier bieten die Daten einen realistischen Hintergrund zur
Modellierung des Strahlungstransports in Atmosphären erdähnlicher Planeten.
Weitere Messungen von Spektren zu verschiedenen Venusphasen werden mit SCIAMACHY
geplant. Darüber hinaus laufen Studien, wie die anderen hellen Planeten unseres
Sonnensystems Mars, Jupiter und Saturn ebenfalls als extraterrestrische
Untersuchungsobjekte genutzt werden können.
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