Riesige Galaxie - kleiner als gedacht
von Stefan Deiters astronews.com
22. Mai 2009
Mithilfe des Very Large Telescope der ESO haben
Astronomen den Durchmesser der Riesengalaxie Messier 87 bestimmt und dabei eine
Überraschung erlebt: Der Halo der Galaxie erstreckt sich deutlich weniger weit
ins All als angenommen. Jetzt rätseln die Wissenschaftler über den Grund für
diesen abgeschnittenen Halo. Außerdem scheint sich M87 auf Kollisionskurs mit
einer anderen Riesengalaxie zu befinden.
Position der
untersuchten Planetarischen Nebel im Außenbereich
der Riesengalaxie M87 und im intergalaktischen
Raum im Zentrum des Virgo-Galaxienhaufens.
Bild: ESO / Digitized Sky Survey 2
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"Das ist ein unerwartetes Ergebnis", fasst Ortwin Gerhard, einer
der beteiligten Forscher vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
in Garching bei München die Ergebnisse der Untersuchung zusammen, die in Kürze
in einem Fachartikel in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheinen
wird. "Nummerische Modelle von Messier 87 (M87) sagen nämlich voraus, dass der
Halo viele Male größer sein sollte als unsere Beobachtungen ergeben haben.
Irgendetwas muss den Halo abgeschnitten haben."
Das Astronomenteam nutzte für die Untersuchungen den FLAMES-Spektrographen
am Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO auf dem
Gipfel des chilenischen Paranal. Sie beobachteten den rund 50 Millionen
Lichtjahre entfernten Virgo-Galaxienhaufen, den uns am nächsten gelegenen Galaxienhaufen.
Der Haufen besteht aus Hunderten von Galaxien, gilt aber als relativ jung und
nicht sonderlich dicht mit Galaxien besetzt.
Das besondere Interesse des Forscherteams galt der elliptischen Riesengalaxie
M87. In deren Halo und im intergalaktischen Raum zwischen den Galaxien des
Haufens beobachteten sie Planetarische
Nebel, also die farbenprächtigen Endphasen im Leben eines Sterns. FLAMES kann in
einem Bereich am Himmel, der etwa der Größe des Vollmondes entspricht, während
einer Beobachtung die Spektren von gleich mehreren Objekten aufnehmen.
Planetarische Nebel lassen sich auch in relativ großer Entfernung leicht
entdecken, da sie einige sehr prominente Emissionslinien in ihrem Spektrum
zeigen. Mit Hilfe dieser Spektren aber können die Astronomen auch die
Radialgeschwindigkeit der Planetarischen Nebel recht genau bestimmen. So
erhalten die Forscher Informationen über die Bewegung von Sternen in den äußeren
und nur sehr spärlich mit Sternen besetzten Bereichen von Galaxien. In diesen
Regionen sind solche Daten sonst kaum zu ermitteln.
Zudem gelten Planetarische Nebel, die nur eine sehr kurze Lebensdauer von
einigen zehntausend Jahren haben, auch als Indikatoren einer bestimmten
Sternengeneration und verraten etwas über die Gegebenheiten in den äußeren
Bereichen einer Galaxie. So schätzt man, dass zu jeder Zeit unter jeweils 8.000
Millionen sonnenähnlichen Sternen einer gerade als Planetarischer Nebel zu
beobachten ist.
Die jetzt vorgestellten Analysen der Planetarischen Nebel im Virgo-Galaxienhaufen
stellen eine beachtliche Beobachtungsleistung dar: Das Licht, das uns von einem
dieser Nebel auf der Erde erreicht, ist in etwa vergleichbar mit dem einer 30
Watt-Glühbirne in einer Entfernung von etwa sechs Millionen Kilometern - also
rund dem 15-fachen Abstand der Erde vom Mond. Außerdem waren die Planetarischen
Nebel über einen recht großen Bereich verstreut. "Das war wie eine Suche nach
der Nadel im Heuhaufen, allerdings im Dunkeln", vergleicht Teammitglied Magda
Arnaboldi von der ESO. "Aber FLAMES war das beste Instrument für diese Aufgabe."
Warum aber der Halo von M87 so plötzlich aufzuhören scheint und die Galaxie
mit einem Durchmesser von einer Millionen Lichtjahre so deutlich kleiner ist als
erwartet, ist den Astronomen noch ein Rätsel. Als Ursache könnten sie sich
beispielsweise einen Kollaps von Dunkelmaterie in der Nähe im Galaxienhaufen
vorstellen oder aber eine enge Begegnung mit der Nachbargalaxie Messier 84 vor
langer Zeit. "Zur Zeit können wir noch kein Szenario ausschließen oder
bestätigen", so Arnaboldi. "Wir brauchen noch Daten von viel mehr Planetarischen
Nebeln um Messier 87."
Eines allerdings können die Astronomen mit Sicherheit sagen: Messier 87 und
die benachbarte Galaxie Messier 86 bewegen sich aufeinander zu. "Wir sehen hier
vielleicht die Phase kurz bevor sich die Galaxien erstmals sehr nahe kommen", so
Gerhard. "Der Virgo-Galaxienhaufen ist immer noch ein sehr dynamischer Ort. In
den kommenden Milliarden Jahren werden noch viele Dinge passieren, die das
Aussehen der Haufengalaxien prägen werden."
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