Winzige Partikel im Visier
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) astronews.com
16. April 2009
Ausweichmanöver der ISS, Kollision von zwei Satelliten im Erdorbit - das
sind nur zwei Beispiele für die Gefahren, die Weltraummüll schon heute für
die Raumfahrt darstellt. Doch während sich größere Partikel noch relativ gut
per Radar überwachen lassen, fehlen für kleinere, kaum weniger gefährliche
Teilchen belastbare Daten. Hier soll nun ein Detektor helfen, der derzeit
gerade bei der PTB in Braunschweig entwickelt wird.
Die Erde wird von großen Mengen Weltraumschrott
umrundet. Bild:
ESA |
Vor wenigen Wochen mussten drei ISS-Astronauten wegen der Gefahr einer
Kollision der Raumstation mit einem ausrangierten Raketenteil in eine
Notfallkapsel flüchten. Kurz vorher waren zwei Satelliten kollidiert und hatten
ungeheure Mengen neuen Schrotts erzeugt. Das Müllproblem im All wird also immer
drängender. Immerhin sind inzwischen rund 4.600 Raketen gestartet und unzählige
Satelliten ins All befördert worden.
Ob es nun komplette, funktionsunfähige Satelliten oder mikrometergroße
Treibstoffreste sind - die Mischung der unterschiedlichsten Materialien wird,
sofern sie in größerer Höhe kreist, teilweise Zehntausende von Jahren im All
bleiben. Inzwischen suchen weltweit Forscher mit Hochdruck nach neuen Methoden,
um die Schrottmengen zu erfassen und die Gefahren durch die durchweg sehr
schnellen Teilchen abzuschätzen.
In einem Kooperationsprojekt der Firma etamax space GmbH, Braunschweig, mit
der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), mehreren Instituten der TU
Braunschweig sowie weiteren Partnern wird ein zweistufiger Detektor namens AIDA
(Advanced Impact Detector Assembly)entwickelt, der in der Lage sein
wird, die kinetische Energie und die Geschwindigkeit von kleinen
Weltraumteilchen genau zu messen. Die bisherigen Forschungs- und
Entwicklungsarbeiten wurden finanziell gefördert durch die europäische
Weltraumagentur ESA, das deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und das
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Nachdem die prinzipielle
Leistungsfähigkeit des Energiedetektors erwiesen ist, liegt der Schwerpunkt der
aktuellen Arbeiten nun darin, ihn zu einem weltraumtauglichen Messgerät
weiterzuentwickeln.
Wie gefährlich der Weltraummüll ist, möchten nicht nur die Betreiber von
Satelliten (also zum Beispiel NASA oder ESA) und die Besatzung der ISS
herausfinden, sondern auch die Versicherungen. Klar ist, dass schon Teilchen mit
einem Durchmesser von nur einem tausendstel Millimeter eine Gefahr darstellen
können; im Falle einer Kollision beträgt ihre Relativgeschwindigkeit immerhin 10
km/s oder noch mehr. Und ein ein Zentimeter großes Stück kann einen Satelliten
oder die Raumstation ISS schwer beschädigen und deren Mission beenden, wie
kürzlich der Chef des European Space Operation Centre (ESOC), Gaele
Winters, der Presse erklärte.
Grund genug für ihn, darauf zu pochen, dass sich die Europäer selbst um die
Weltraumüberwachung kümmern müssten. Denn bisher sind sie weitgehend von den USA
abhängig. Beim spektakulären Zusammenprall der beiden Satelliten im Februar
musste die ESA sich erst Daten aus den USA kommen lassen, um die Gefahren durch
die Trümmerteile einigermaßen abschätzen zu können. Während sich Objekte von
mehr etwa zehn Zentimetern Größe noch per Radarverfahren einzeln verfolgen
lassen, basiert die Gefahrenabschätzung infolge von Einschlägen kleinerer
Müllobjekte auf Modellrechnungen.
Die für diese Modelle benötigten Daten über statistische Häufigkeiten und
Verteilungen von kleinen Objekten in der Erdumgebung beruhen häufig nicht auf
echten Messungen im All. "In der Regel werden zurückgeholte Bauteile - wie zum
Beispiel alte Sonnensegel des Hubble Space Telescope - untersucht. Man
schließt aus den akkumulierten Schäden auf die Energie und Größe, mit der die
zahlreichen, kleinsten Weltraumteilchen eingeschlagen sind", erläutert Michael
Kobusch von der PTB. "Und sofern tatsächlich schon Detektoren im All unterwegs
sind, haben sie große Schwächen. Außerdem gibt es noch viel zu wenige von ihnen,
so dass nur punktuelle Messdaten zur Verfügung stehen."
Das von ESA unterstützte Ziel der Projektpartner: Sobald die Entwicklung der
leistungsfähigeren Detektoren abgeschlossen ist, sollen sie auf möglichst vielen
Satelliten umherfliegen und so mit einem vertretbaren finanziellen Aufwand
ununterbrochen möglichst aussagekräftige Messdaten liefern.
Gute Daten liefert der neue Energiedetektor für mikrometergroße Teilchen, das
ist bereits nachgewiesen. Er ist ein kalorimetrischer Sensor, das heißt, er
misst die Wärme, die durch den Einschlag eines schnellen Teilchens entsteht.
Hauchdünne Stückchen Goldfolie, nur wenige Mikrometer dick, erwärmen sich,
sobald sie von einem Hochgeschwindigkeitsteilchen getroffen werden. Ein darunter
liegendes Temperatursensor-Array, hergestellt am IPHT in Jena, wandelt die
Erwärmung des Goldplättchens in eine elektrische Spannung um.
Die Goldplättchen sind in kleinen Flächen von jeweils nur 3,6 mal 3,6
Millimeter nebeneinandergesetzt und bilden ein sehr leistungsfähiges
Sensor-Array. "Das Besondere daran ist, dass es modular aufgebaut ist und dass
der Energie-Messbereich sich durch die Wahl der Absorberfoliendicke leicht an
die jeweiligen Anforderungen einer Mission anpassen lässt", erklärt Daniel
Hagedorn, der zweite an dem Projekt beteiligte PTB-Wissenschaftler.
Bei Testmessungen am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg wurden
Hochgeschwindigkeitseinschläge mit beschleunigten Eisenstaub-Partikeln
durchgeführt. Es zeigte sich, dass das neuartige kalorimetrische Messverfahren
sehr leistungsfähig ist. Der dabei erstmals bestimmte Wirkungsgrad der
Konversion von kinetischer Energie des einschlagenden Partikels in vom Absorber
aufgenommene Wärmeenergie beträgt ungefähr 40 Prozent.
Aufgabe der Arbeitsgruppe um Daniel Hagedorn ist es nun, die für die
Realisierung eines weltraumtauglichen Prototypen notwendigen Energie-Konverterfolien
mit einer Präzision von wenigen Mikrometern zur fertigen und den Projektpartnern
zur Integration zur Verfügung zu stellen. Voraussichtlich im Jahr 2010 wird der
Energiedetektor fertig sein.
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