Hyperschall sichtbar gemacht
Redaktion /
Pressemitteilung des DLR astronews.com
6. März 2009
Beim Wiedereintritt eines Raumfahrzeugs in die Erdatmosphäre
ist dessen Hülle extremen Temperaturen ausgesetzt. Welche Auswirkungen dies auf
die Aerodynamik hat, ist oft noch unbekannt. Strömungsforscher des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt haben die komplexen Vorgänge nun berechenbarer
gemacht. Sie machten Hyperschallströmungen in einem Windkanal sichtbar.
Ein Keilmodell wird im Hochenthalpiekanal
Göttingen mit einem Laserlichtschnitt
illuminiert.
Bild: DLR |
Welchen Einfluss die extremen Temperaturen beim Wiedereintritt von
Raumfahrzeugen auf deren Aerodynamik haben, ist auch nach Jahrzehnten der
Raumfahrt vielfach unbekannt. Strömungsforscher des Deutschen Zentrums für Luft-
und Raumfahrt (DLR) in Göttingen haben die komplexen Phänomene jetzt
berechenbarer gemacht: Hierzu machten sie in einem Göttinger Windkanal
Hyperschallströmung mit einem für die Luftfahrtforschung entwickelten optischen
Geschwindigkeitsfeldmessverfahren bei nie zuvor betrachteten Geschwindigkeiten
sichtbar.
Die Forscher bestimmten die Strömung an einem so genannten Keilmodell bei
2.250 Metern pro Sekunde - das entspricht der siebenfachen Schallgeschwindigkeit
oder 8.100 Kilometer pro Stunde. Vorher war die Messung von
Strömungsgeschwindigkeiten im Hyperschall nur sehr eingeschränkt und mit hohem
Aufwand möglich.
"Wir sind damit in einen Bereich vorgestoßen, in dem wir vorher nahezu blind
waren", sagt Dr. Klaus Hannemann vom DLR-Institut für Aerodynamik und
Strömungstechnik. Erstmals könnten jetzt Phänomene wie Wirbelbildung im
Hyperschall sichtbar gemacht und anhand genauer Werte untersucht werden. Zudem
könne die Effizienz großer Hyperschallwindkanäle, deren Betrieb zeitaufwändig
und teuer ist, deutlich gesteigert werden: "Wir bekommen mit dem Verfahren mehr
Informationen aus einem Versuch", so Hannemann. Die Experimente wurden im
Hochenthalpiekanal Göttingen durchgeführt, einer der wichtigsten europäischen
Großanlagen zur Erforschung des Hyperschalls und Wiedereintritts von
Raumfahrzeugen.
Die Göttinger Wissenschaftler verwendeten das berührungslose Messverfahren
Particle Image Velocimetry (PIV), das für die Luftfahrtforschung zum
Einsatz bei niedrigeren Geschwindigkeiten entwickelt wurde. Das Prinzip von PIV
beruht auf der Beobachtung kleiner Partikel, die einem strömenden Gas zugesetzt
werden. Die Partikel werden durch einen so genannten Laserlichtschnitt
kurzzeitig angestrahlt, und das von ihnen reflektierte Licht wird zu zwei kurz
aufeinander folgenden Zeitpunkten mit einer Kamera aufgenommen. Per Computer
werden die Teilbilder anschließend ausgewertet, um die Partikelverschiebung
zwischen den beiden Belichtungen zu bestimmen. Aus dem zurückgelegten Weg der
Partikel und der verstrichenen Zeit lässt sich die momentane Geschwindigkeit an
vielen Stellen der Strömung bestimmen.
Für Hochgeschwindigkeitsströmungen war die Messtechnik PIV bislang nicht
geeignet: Der Eintrag von Partikeln bereitet bei hohen Geschwindigkeiten große
Probleme. Die Forscher nutzten bei der Lösung des Problems das Arbeitsprinzip
des Göttinger Hochenthalpiekanals aus, in dem die Tests durchgeführt wurden: Für
die Erzeugung sehr hoher Geschwindigkeiten sind extrem hohe Temperaturen von
mehreren tausend Grad notwendig, bei denen ganz von allein winzige Partikel mit
einer Größe von ungefähr einem Mikrometer entstehen. "Die natürlich vorhandenen
Partikel liegen in einer für die Messung geeigneten Form, Dichte und Größe vor",
sagt Dr. Andreas Schröder, der die Tests zusammen mit Dr. Jan Martinez Schramm
durchführte.
Innerhalb des millionsten Teiles einer Sekunde wurde die Geschwindigkeit im
Strömungsfeld an mehr als 6.000 Orten gleichzeitig gemessen.
Computersimulationen bestätigten die Testergebnisse. Solche numerischen
Verfahren, die beim Entwurf von Raumfahrzeugen eingesetzt werden, können künftig
mit Hilfe der PIV-Messtechnik überprüft werden. Hierzu wird die Messmethode
demnächst bei noch höheren Geschwindigkeiten getestet werden. Dann, so
Hannemann, "lassen sich auch die Hochtemperatureffekte, die beim Wiedereintritt
an Raumfahrzeugen auftreten, besser verstehen".
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