Supernova schleudert Stern aus Milchstraße
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Erlangen-Nürnberg astronews.com
4. März 2009
Astronomen haben einen Stern entdeckt, der gerade dabei ist,
unsere Milchstraße mit hoher Geschwindigkeit zu verlassen. Er wurde jedoch
nicht, wie andere dieser Schnellläufer-Sterne, von einem supermassereichen
Schwarzen Loch aus der Galaxie gekickt, sondern ist vermutlich der Überrest
eines Doppelsternsystems, dessen einer Partner zu einer Supernova wurde.
Der junge Stern, jetzt im galaktischen Halo,
wurde vom äußeren Rand der galaktischen Scheibe
geschleudert und nicht, wie man erwartet hatte,
aus dem galaktischen Zentrum (schematische
Aussenansicht der Milchstraße).
Bild: MPA und ESO / idw |
Der gewaltigen Anziehungskraft einer Galaxis kann ein Stern normalerweise
nicht entkommen. Um so überraschender war 2005 die Entdeckung von gleich drei
sogenannten Hyperschnellläufern. Nur das extrem massereiche Schwarze Loch im
Zentrum der Milchstraße schien den Fachleuten als Energielieferant in Frage zu
kommen. Schwarze Löcher können nämlich nicht nur Materie unwiderruflich an sich
binden, sondern auch stark von sich weg schleudern.
Nun hat eine Gruppe von Astronomen unter Leitung von Prof. Dr. Ulrich Heber,
Dr. Norbert Przybilla (beide Universität Erlangen-Nürnberg, Astronomisches
Institut) und Dr. Fernanda Nieva (Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching)
am Rand der Milchstraße ein Objekt entdeckt, für das diese Annahme nicht
zutrifft. Der Stern, der unaufhaltsam auf den intergalaktischen Raum zusteuert,
ist stattdessen der verbliebene Partner eines Doppelsternsystems, das durch eine
Explosion zerrissen wurde. Der Stern war dem Forscherteam bei der Analyse von
Daten des 2,2-Meter Teleskops der Europäischen Südsternwarte (ESO) aufgefallen.
HD 271791 ist elfmal so schwer wie die Sonne und rast mit 2,2 Millionen
Kilometer pro Stunde durchs All. Das reiht ihn unter die Hyperschnellläufer ein.
Aber dieser Stern ist anders als seine superschnellen Kameraden. Die Berechnung
seiner Flugbahn zeigte, dass das vier Millionen Sonnenmassen schwere Schwarze
Loch im Zentrum der Milchstraße nicht sein Ausgangsort gewesen sein kann. "Ganz
im Gegenteil", erläutert Heber, "der Stern muss aus den äußeren Regionen der
galaktischen Scheibe stammen, wo es überhaupt keine massereichen Schwarzen
Löcher gibt."
Genauere Hinweise auf den Ursprung ergaben sich durch Einsatz einer neuen
Analysetechnik, welche die chemischen Elemente auf der Oberfläche des Sterns
präzise bestimmt. Die Zusammensetzung weicht von der normaler Sterne ab. Im
Übermaß kommen Elemente vor, die in Supernovae erzeugt werden, wie etwa
Silizium. Die Oberfläche des Sterns wurde also durch Material verunreinigt, das
eine Supernova-Explosion in seiner Nähe ausgeschleudert hat.
Das Wissenschaftlerteam folgert, dass HD 271791 ursprünglich einen noch
massereicheren Begleiter hatte, der schon nach wenigen Millionen Jahren seines
nuklearen Lebens explodierte. Sein Partner wurde dabei ins Weltall hinaus
katapultiert und flog mit Umlaufgeschwindigkeit geradeaus weiter. Ein derartiger
Vorgang wäre ähnlich leistungsfähig wie eine Schwarze-Loch-Schleuder.
Bisher hatten Experten ein solches Szenario für die Entstehung von
Hyperschnellläufern jedoch ausgeschlossen. Die Umlaufbahn muss nämlich für eine
so extrem hohe Geschwindigkeit sehr eng sein. Der ursprüngliche Begleiter dürfte
also nur wenige Sonnenradien groß sein, bevor er explodierte. Die Forscher
vermuten deswegen, dass es sich in diesem Fall bei dem Paar um eine besondere
Art von Doppelsternsystem handelte, das in der letzten Phase vor der Explosion
sogar ein gemeinsame äußere Hülle besessen hat.
Sie vermuten, dass HD 271791 ursprünglich um einen Stern von mindestens
55-facher Sonnenmasse kreiste. Unmittelbar vor dem Kollaps dieses Sterns betrug
die Umlaufperiode nur noch einen Tag. Die Explosion, bei der es sich eventuell
sogar um eine besonders energiereiche Hypernova gehandelt hat, ließ den
schwereren Partner des Doppelsternsystems zu einem Schwarzen Loch schrumpfen und
setzte den anderen frei, dessen vorige Umlaufgeschwindigkeit nun genügte, um die
Galaxis zu verlassen.
Im Herbst 2005 hatten Heber und seine Mitarbeiter bereits die Entdeckung
eines anderen superschnellen Sterns bekanntgegeben. Damals blieb unklar, ob das
Himmelsobjekt aus dem Zentrum der Milchstraße oder - was ebenfalls überraschend
gewesen wäre - aus der Großen Magellanschen Wolke, unserer Nachbargalaxie,
stammte (astronews.com berichtete).
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