Galaktische Sternenschleuder entlarvt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
6. Februar 2009
Lange haben Astronomen darüber gerätselt, warum die
Sternendichte in den Zentren der massereichsten elliptischen Galaxien vergleichsweise
niedrig ist. Eine neue Analyse der Dichteprofile dieser Galaxien überführte nun
den Schuldigen: Paare supermassereicher Schwarzer Löcher, die nach
Galaxienverschmelzungen entstehen, katapultieren die Sterne aus den
Zentren hinaus.

Die beiden elliptischen Galaxien NGC 4621 und
NGC 4472 im Virgo-Galaxienhaufen sehen auf
großen Skalen sehr ähnlich aus (Bilder des
Sloan Digitial Sky Survey auf der rechten Seite).
Vergrößert man aber die Kerngebiete, so zeigt
sich, dass die Sterndichte im Zentrum von NGC
4472 sehr viel geringer ist als im Zentrum von
NGC 4621. In NGC 4472 wurden die Sterne durch die
Wechselwirkung mit einem sich umkreisenden Paar
Schwarzer Löcher herausgeschleudert.
Bild: NASA/AURA/STScI und WikiSky / SDSS
/ MPE [Großansicht] |
John Kormendy von der University of Texas in Austin und Ralf Bender vom
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und von der
Universitäts-Sternwarte München haben neue Hinweise darauf gefunden, dass sich
Galaxien und ihre zentralen massereichen Schwarzen Löcher in engem Wechselspiel
miteinander entwickeln.
Die neuen Beobachtungen stützen die These, dass sich bei der Verschmelzung
von Galaxien Paare Schwarzer Löcher bilden, die sehr effektiv Sterne aus den
Zentren von Galaxien hinauskatapultieren. Die Schwarzen Löcher nähern sich dabei
immer näher an und verschmelzen am Ende zu einem größeren Schwarzen Loch. Durch
diesen Prozess verringert sich die zentrale Sterndichte proportional zu der
Masse des Schwarzen Loches. Die neuen Resultate veröffentlichten die Astronomen
jetzt in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters.
Die Theorie, dass Paare Schwarzer Löcher Sterne aus den Zentren der Galaxien
hinausschleudern, war die favorisierte, aber bisher unbewiesene Erklärung einer
überraschenden Beobachtung, die mit dem Weltraumteleskop Hubble in den
1990er Jahren gemacht wurde. Mehrere Gruppen von Astronomen, darunter auch
Kormendy und Bender konnten zunächst zeigen, dass praktisch alle leuchtkräftigen
Galaxien massereiche Schwarze Löcher in ihren Zentren beherbergen.
Die größten Löcher, mit Massen bis über eine Milliarde Sonnenmassen, findet
man dabei in den so genannten elliptischen Galaxien. Da diese supermassereichen
Schwarzen Löcher Sterne besonders stark anziehen, könnte man erwarten, dass in
ihrer Umgebung die Sterndichte ausgesprochen hoch sein sollte. Tatsächlich wird
aber das Gegenteil beobachtet. Die massereichsten elliptischen Galaxien, die
wahrscheinlich aus einer Serie von Verschmelzungsprozessen entstanden sind,
zeigen überraschenderweise die geringsten Sterndichten.
Wie ist es möglich, dass aus kleineren Galaxien mit höheren zentralen
Sterndichten nach einem Verschmelzungsprozess eine elliptische Galaxie mit
geringerer Sterndichte entsteht, und das trotz des Vorhandenseins eines
supermassereichen Schwarzen Loches im Zentrum? Wohin sind die Sterne
verschwunden? Ein Erklärungsansatz zur Lösung dieses Rätsels bestand darin,
anzunehmen, dass sich im Laufe des Verschmelzungsprozesses zweier Galaxien ein
Paar Schwarzer Löcher bildet. Dies ist in der Tat praktisch zwangsläufig der
Fall, wenn beide Vorgängergalaxien Schwarze Löcher enthalten.
Ein Paar sich umkreisender Schwarzer Löcher wirkt aber wie eine Art
Rührmixer. Kommt ein Stern diesem Paar zu nahe, so kann er aus der Galaxie
hinausgekickt werden. Je massereicher die Schwarzen Löcher sind, desto größer
ist die Wucht dieses Effektes und desto mehr Sterne sollten aus der Umgebung der
Schwarzen Löcher hinwegkatapultiert werden. Der Prozess ist physikalisch der
gleiche wie bei der "fly-by" Methode, die man benutzt, um Satelliten durch einen
Vorbeiflug an einem Planeten zu beschleunigen. Aber ist diese Theorie
zutreffend? Bisher hatte keine Beobachtung dies zwingend bewiesen.
Dies ändert sich jetzt durch die neue Entdeckung von Kormendy und Bender.
Zusammen mit David Fisher und Mark Cornell publizierten sie vor Kurzem
beispiellos genaue Messungen der Dichteprofile elliptischer Galaxien. Dies
erlaubte Kormendy und Bender viel genauer die Gesamtmasse der Sterne zu
berechnen, die in den Zentren der größten elliptischen Galaxien quasi fehlen.
Dabei erwies sich, dass die fehlende Masse streng proportional zur gemessenen
Masse des zentralen Schwarzen Loches ansteigt.
Es war bekannt, dass beide Größen im Zusammenhang stehen, aber es war nicht
klar, dass die Korrelation so eng ist, wie es durch die Messungen von Kormendy
und Bender nun deutlich wurde; die Streuung der Messwerte kann allein durch die
Messfehler erklärt werden. Die fehlende Masse erhöht sich auch proportional mit
einer anderen Galaxieneigenschaft, von der bekannt ist, dass sie direkt mit der
Masse der Schwarzen Löcher zusammenhängt, nämlich der mittleren Geschwindigkeit,
mit denen sich Sterne weit draußen in der Galaxie bewegen, wo sie die
Anziehungskraft des Schwarzen Loches nicht spüren.
"Unsere neuen Beobachtungen zeigen einen starken und direkten Zusammenhang
zwischen Schwarzen Löchern und Galaxieneigenschaften", fasst Kormendy zusammen.
"Sie stellen einen eindeutigen Beweis dar, dass Schwarze Löcher und die Bildung
der erstaunlich 'luftigen' Zentren der massereichsten elliptischer Galaxien
miteinander verknüpft sind." Sein Kollege Bender ergänzt: "Die verblüffend enge
Korrelation zwischen der Masse der fehlenden Sterne und der Masse der Schwarzen
Löcher zeigt uns, wie maßgeblich die Bildung und Struktur von Galaxienzentren
durch Schwarze Löcher beeinflusst wird."
"Messungen der fehlenden Masse und Messungen der Geschwindigkeiten, mit denen
sich Sterne in elliptischen Galaxien bewegen, stellen für uns jetzt zwei
unabhängige Verfahren dar, mit denen wir die Massen Schwarzer Löcher schätzen
können," so Kormendy. "Wenn wir sie miteinander und mit direkten Messungen der
Masse vergleichen, gelangen wir zu einem besseren Verständnis, wie sich Galaxien
und ihre Schwarzen Löcher gemeinsam entwickelt haben." Für ihre Arbeit
kombinierten Kormendy und Bender die Messungen von einer Vielzahl von
Teleskopen, insbesondere am McDonald Observatory der University of
Texas und mit dem Weltraumteleskop Hubble.
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