Indizien für ein holographisches Universum?
von Stefan Deiters astronews.com
5. Februar 2009
Am deutsch-britischen Gravitationswellendetektor GEO600 bei
Hannover wollen sich Wissenschaftler nun einem eigentümlichen Störsignal widmen,
dessen Ursache bislang ungeklärt ist. Der amerikanische Physiker Craig Hogan
hält dieses Signal für ein Indiz dafür, dass wir in einem holographischen
Universum leben. Weitere Experimente sollen nun Klarheit bringen.
Das GEO600-Gelände. Links befindet sich das
Zentralgebäude für Laser und Vakuumtanks. Die 600
m langen Rohre verlaufen in abgedeckten Gräben am
Rand des Feldes nach oben und nach rechts; an den
Enden stehen Häuser für die Endspiegel. Bild:
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik /
Leibniz Universität Hannover |
Leben wir in einem holographischen Universum, also in einem gewaltigen
kosmischen Hologramm? Einige Wissenschaftler sind dieser Ansicht und glauben mit
dieser Theorie, etwa gewisse Paradoxe bei der Betrachtung von Schwarzen Löchern
elegant umgehen zu können. Die Folge davon könnte aber sein,
dass sich unser Bild von der sogenannten Raumzeit radikal verändern würde und
eine Körnigkeit von Zeit und Raum mit aktuellen Experimenten messbar wäre.
Der amerikanische Physiker Craig Hogan ist fest davon überzeugt, Beweise
genau dafür in den Daten des deutsch-britischen Gravitationswellendetektors GEO600 gefunden zu haben.
So erklärt er nämlich ein rätselhaftes Rauschen in den Detektordaten, dessen Ursache bislang ungeklärt ist. Ob sich Craig Hogans Vermutungen bestätigen lassen, soll in den kommenden Monaten mit neuen Experimenten direkt am Detektor untersucht werden.
Den kleinstmöglichen Bruchteil der Zeit bezeichnen Physiker als die "Planck-Zeit". Sie beträgt 5,4
mal 10-44 Sekunden – das ist unmessbar und so unvorstellbar klein, dass in dieser Größenordnung unsere genauesten Uhren schon lange nicht mehr mithalten können. Der Planck-Zeit entspricht die Planck-Länge von 1,6
mal 10-35 Metern als kleinster Bruchteil des Raumes. Auch dies liegt
außerhalb der Reichweite aller Experimente und ist viele Milliarden mal kleiner
als etwas ein Proton. Eine Körnigkeit von Raum und Zeit sollte also mit unseren
Mitteln nicht nachweisbar sein.
Doch stimmt das wirklich? Der US-amerikanische Physiker Craig Hogan ist sich
da nicht so sicher. Der Direktor des Zentrums für Astroteilchenphysik am Fermi National Accelerator Laboratory
und Professor für Astronomie & Astrophysik an der Universität von Chicago glaubt
nämlich, dass sich in einem holographischen Universum die Verhältnisse deutlich
ändern würden: Sieht man unser Universum als eine Kugel, deren äußere Oberfläche
in kleine Einheiten von Planck-Länge eingeteilt ist, die jeweils ein Bit an
Information enthalten, dann besagt das holographische Prinzip, dass sich im
Inneren der Kugel die gleichen Informationen befinden müssen wie außerhalb.
Nun ist das Volumen der Kugel, also das unseres Universums, aber deutlich
größer als die äußere Oberfläche. Damit nun im Inneren genauso viele Bits an
Informationen vorhanden sind wie auf der Oberfläche, muss, so die These von
Hogan, die Körnigkeit hier größer sein als die Planck-Länge. "Mit anderen
Worten", erläutert Hogan gegenüber der britischen Zeitschrift New Scientist,
"ein holographisches Universum ist verschwommen. Dies aber bringt - entgegen
allen Erwartungen - die mikroskopische Quantenstruktur in die Reichweite von
schon vorhandenen Experimenten."
Gravitationswellendetekoren wie GEO600 versuchen Gravitationswellen, also
Verzerrungen in der Raumzeit, durch außergewöhnlich exakte Längenbestimmungen
nachzuweisen. Die von Hogan erwartete deutlich größere Körnigkeit der Raumzeit
könnte sich hierbei als Störsignal entdecken lassen. Und tatsächlich haben die
Wissenschaftler von GEO600 ein eigentümliches Rauschen bei ihren Experimenten
festgestellt, für das sie bislang keine Ursache finden konnten.
Um nun zu testen, ob es sich hierbei tatsächlich um das von Hogan postulierte holographische Rauschen
handelt, soll die Frequenz der höchsten Empfindlichkeit von GEO600, also der Ton, den der Detektor am besten
"hören" kann, schrittweise hin zu immer höheren Tönen verschoben werden. Normalerweise ist diese Frequenz so eingestellt, dass beste Chancen bestehen,
Gravitationswellen von explodierenden Sternen oder verschmelzenden
Schwarzen Löchern entdecken zu können, die vermuteten Hauptquellen von
Gravitationswellen im Empfindlichkeitsbereich von GEO600. Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass das
rätselhafte Rauschen bei höheren Frequenzen dem bei niedrigeren Frequenzen
entspricht, wäre dies allerdings noch kein Beweis für Hogans Hypothese. Aber es
wäre ein Grund für weitergehende Untersuchungen, für die man in Hannover sowohl
die Ideen als auch die Technologien parat hat.
"Wir sind wirklich gespannt, welche neuen Erkenntnisse wir im Laufe des
Jahres über das mögliche holographische Rauschen erhalten werden", so Prof. Dr.
Karsten Danzmann, Direktor des Hannoveraner Albert-Einstein-Instituts in einer
Pressemitteilung. "GEO600 bietet derzeit weltweit als einziges Experiment die
Möglichkeit, die umstrittene Theorie zu überprüfen." Das liegt auch daran,
dass GEO600 vergleichsweise klein ist und deswegen mit mancherlei Tricks
arbeiten muss, um die Empfindlichkeit von Gravitationswellendetektoren mit deutlich längeren
Messstrecken zu erreichen.
"Im Gegensatz zu den anderen großen Laserinterferometern reagiert GEO600
durch die eingesetzte Signal Recycling-Methode bauartbedingt
empfindlich auf Seitwärtsbewegungen des Strahlteilers", erklärt Danzmann. "Das
ist eigentlich unbequem, aber wir brauchen das Signal Recycling, um die
kürzere Armlänge im Vergleich zu den anderen Detektoren zu kompensieren. Aber
holographisches Rauschen erzeugt genau so ein Seitwärtssignal und so wird der
Nachteil in diesem Fall zum Vorteil. Wir befinden uns sozusagen im Mittelpunkt
eines Wirbelsturms in der Grundlagenforschung."
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